Exklusiv-Interview mit Eric Bussert (Hanse Merkur) und Eric Huwer (HSV): „Das schafft nur der Fußball“

Laut einer Studie von Sirius Campus hat die gesellschaftliche Akzeptanz von Sportsponsoring in den letzten Jahren abgenommen. Demnach ist zum einen die Diskussion um die Fußball-WM in Katar nicht ohne Auswirkungen auf die öffentliche Meinung geblieben. Zum anderen dürfte auch die Wirtschaftskrise mit hoher Inflation ihren Anteil haben. Wie nehmen Sie das wahr?

Bussert: Inhaltlich ist das natürlich nachvollziehbar, konkret nehmen wir es aber nicht so wahr. Es ist nicht so, dass uns Kunden schreiben: Spart mal beim Sponsoring und macht dafür die Prämien günstiger! Ich kann mich an keine Beschwerde erinnern, in der jemand unser Sportsponsoring kritisiert hat. Ich habe eher den Eindruck, dass es gerade in schwierigen Zeiten so ist, dass die Menschen sich an Themen wie Fußball erfreuen wollen. Die enge Verbindung des eigenen Versicherers mit dem Lieblingsverein kann da sehr positiv sein. Das sehen wir auch in den Kennzahlen: Bei den Menschen, die den HSV kennen, ist die Bekanntheit der Hanse Merkur um 70 Prozent höher und wir haben eine um 80 Prozent höhere Abschlusswahrscheinlichkeit im Beratungsalltag.

Wir haben bisher viel über finanzielle Aspekte gesprochen. Aber für welche Werte wollen Sie mit Ihrer Partnerschaft eigentlich einstehen?

Huwer: Ich habe auf unserer letzten Mitgliederversammlung das Bild der Hanse bemüht, das ja sehr prägnant ist und für Zusammenhalt steht. Zusammenhalt ist einer der Kernwerte, die wir als HSV für uns proklamieren. Das hört sich abgedroschen an, ist für uns aber quasi ein Kompass durch das unruhige Fahrwasser unseres sehr dynamischen Branchenumfelds. Der Leitgedanke der Hanse Merkur, „Hand in Hand“, könnte deshalb nicht besser passen. So wie wir es mit unserem Hauptpartner vorleben, wollen wir es auch mit unseren Fans halten, die ja eine sehr heterogene Gruppe sind. Zusammenhalt ist für uns eklatant wichtig.

Diese Werte manifestieren sich ja auch in Ihrem Engagement gegen Rechtsextremismus. Die Demos gegen Rechts zu Jahresbeginn hat der HSV ausdrücklich befürwortet. Wie wichtig ist es Ihnen, bei gesellschaftspolitischen Themen Flagge zu zeigen?

Huwer: Das ist uns sehr wichtig. Wir sind eben nicht nur eine Fußballmannschaft, die versucht, am Wochenende ein Spiel zu gewinnen. Die gesellschaftliche Relevanz wird für uns immer wichtiger. Da hat sich auch der Zeitgeist verändert: Früher war die Leitmaxime, dass der Sport nicht politisch sein sollte. Aber angesichts der großen Gemeinschaft, die wir vertreten, wird von uns berechtigterweise verlangt, aufzustehen und den Mund aufzumachen – wie bei den Demos gegen Rechts. Daran arbeiten wir auch hier im Stadion. Ein Fußballspiel sorgt ja manchmal auch für unschöne Emotionen. Das wollen wir nicht tolerieren und haben deshalb mit dem „Ankerplatz“ ein Projekt ins Leben gerufen, an das sich Fans vertraulich wenden können – als Anlaufstelle gegen politisch unkorrekte Äußerungen, Beleidigungen, Handgreiflichkeiten und sexuelle Übergriffe im Stadion. Wir machen da auch von unserem Hausrecht Gebrauch und arbeiten unter anderem mit Stadionausschlüssen.

Abschließend möchten wir über zwei sogenannte „Megatrends“ mit Ihnen sprechen – Nachhaltigkeit und Digitalisierung. Welche Relevanz hat Nachhaltigkeit für den HSV?

Huwer: Nachhaltigkeit ist für uns eines der Kernthemen geworden – nicht nur was das Reporting anbelangt, sondern auch, weil es in die DFL-Lizensierung reinreicht. Mit unserer Unternehmensgröße ist das schon eine Herausforderung. Das wichtigste Nachhaltigkeitsthema für einen Fußballclub ist die Fanmobilität. Wir müssen die Menschen davon überzeugen, beispielsweise in öffentliche Verkehrsmittel umzusteigen. Beim HSV ist die Nutzung der öffentlichen Verkehrsmittel in der Eintrittskarte inkludiert – das kostet uns einen hohen sechsstelligen Betrag. Wir denken bei allen Themen in nachhaltigen Aspekten – auch bei unserer Reiseplanung. Aber wir müssen aufpassen, dass das nicht zum Selbstzweck wird und dem Ambitionsniveau des Leistungssports widerspricht.

Trafen sich zum Interview im Volksparkstadion (von links): Cash.-Redakteur Jörg Droste, Eric Bussert, Eric Huwer und Cash.-Redakteur Kim Brodtmann (Foto: Florian Sonntag)

In welchen Bereichen spielt die Digitalisierung eine Rolle? Der Ex-HSV-Profi René Adler hat im Cash.-Interview erzählt, dass er eine Plattform gegründet hat, über die wechselwillige Fußballprofis mittels eines Algorithmus ihren neuen Verein finden können.

Huwer: Die Digitalisierung betrifft alle Bereiche. Heute funktioniert kein Scouting mehr ohne digitale Komponenten. Dadurch homogenisiert sich auch der Markt: Früher konnte man sich über die Scoutingabteilung deutlich besser von anderen Vereinen abgrenzen, heute nutzen alle Clubs ähnliche digitale Plattformen. Was uns seit geraumer Zeit besonders umtreibt, ist das Thema Künstliche Intelligenz (KI), das gerade im Scouting, in der Kaderzusammenstellung und in den täglichen Abläufen ankommt, in der Kommunikation mit Fans und Kunden oder beim Beschwerdemanagement. Wir schauen uns genau an, welche Mehrwerte KI für uns bieten kann. Bei uns herrscht da eine große Offenheit und Neugierde.

Wie wichtig ist die digitale Weiterentwicklung für die Hanse Merkur?

Bussert: Wir arbeiten grundsätzlich in allen Sparten in topaktuellen Systemen. Wir setzen immer alles daran, dass wir die alten Systeme sofort abschalten, wenn wir neue Systeme einführen. Ein Kernproblem vieler Versicherer ist, dass bei ihnen  mehrere IT-Systeme parallel laufen, mit Verträgen, die teilweise seit fünfzig oder sechzig Jahren darauf liegen. Das kostet unfassbar viel Geld – und irgendwann gibt es niemanden mehr, der diese Systeme noch bedienen kann. Auch das Thema KI spielt bei uns eine große Rolle. Wir denken darüber nach, wo sie uns Mehrwerte bringen kann: sicherlich in der Vertriebsvorbereitung, in der Kundenbetreuung und der Leistungsbearbeitung, noch nicht so sehr im Vertrieb. Ich bin mir sicher, dass die Versicherungsindustrie in Sachen KI eine Vorreiterrolle einnehmen wird, weil unsere Branche über immens viele Daten verfügt. KI bietet die große Chance, wesentliche Effizienzvorteile zu realisieren, deutlich effektiver zu arbeiten und sich inhaltlich weiterzuentwickeln.

Sie kann aber auch Arbeitskräfte ersetzen, die dann nicht mehr da sind.

Bussert: Es ging uns noch nie darum, Mitarbeiter zu ersetzen. Im Gegenteil: Mit unserem Unternehmenswachstum einhergehend, schaffen wir stetig neue Arbeitsplätze. Wir überlegen eher, wie wir unsere Mitarbeiter auf den Umgang mit KI-Lösungen vorbereiten und weiterbilden.  Insgesamt ist es eher so, dass wir derzeit nicht immer die Anzahl an gut ausgebildeten Menschen bekommen, die wir eigentlich einstellen wollen. Bei uns sind derzeit rund 60 Stellen unbesetzt.

Lassen Sie uns noch kurz auf das nächste sportliche Großereignis blicken. Im Sommer finden hier im Volksparkstadion fünf EM-Spiele statt. Wer wird denn Europameister?

Huwer: Da bin ich schon sehr patriotisch. Ich liebe Fußball-Großveranstaltungen, mein Lieblingsfilm ist der WM-Rückblick 1990, das sagt ja schon relativ viel über meine cineastischen Präferenzen aus. Ich verspüre eine unglaubliche Vorfreude auf die EM und das I-Tüpfelchen wäre natürlich, wenn die deutsche Nationalmannschaft Europameister wird. Das wünsche ich mir.

Bussert: Ich glaube, dass wir Europameister werden. Nach den letzten Auftritten der Nationalmannschaft bin ich grundsätzlich optimistisch. Man sieht ja immer wieder, dass nicht nur die Qualität auf dem Platz entscheidet, sondern auch andere Faktoren wie Selbstvertrauen und Emotionalität. Was Leidenschaft bewirken kann, haben wir ja bei der WM 2006 in Deutschland erlebt. Das schafft nur der Fußball.

Das Gespräch führten Kim Brodtmann und Jörg Droste, beide Cash.

1 2Startseite
Weitere Artikel
Abonnieren
Benachrichtige mich bei
0 Comments
Inline Feedbacks
View all comments