Letztlich ist die EZB wie so viele andere Zentralbanken in einer „Liquiditätsfalle“ gefangen, aus der heraus es ihr kaum möglich ist, die Realwirtschaft in der Eurozone zu stimulieren. Außerdem müsste der Bankensektor in Europa im Falle noch niedriger Zinsen wohl gestützt werden.
Personalentscheidungen gleichen Weichenstellungen
Wer die EZB-Politik an der Spitze der Zentralbank am kommenden Herbst steuern darf, bleibt derweil unklar. Nach der Vertagung der Entscheidung darüber, wer neuer EU-Kommissionspräsident wird, dürfte sich auch die wichtige EZB-Personalentscheidung verzögern.
Wenngleich die deutsche als auch die französische Regierung beteuern, dass die Vergabe des EZB-Chefpostens unabhängig von der Entscheidung sei, wer EU-Kommissionspräsident bzw. Chef des EU-Rats sowie der oder die neue EU- Vertreter/in für Außen- und Sicherheitspolitik wird, so hängen diese Dinge wohl doch untrennbar zusammen. Selbst wenn Berlin, Paris und Brüssel von einer „3+1-Logik“ sprechen, dürfte die Wahrheit eher lauten, dass die Nationalität des neuen Chefs sehr wohl eine mitentscheidende Rolle spielt.
Nichts scheint unmöglich
Möglich sind diese Hinterzimmer-Deals, da die Vergabe des EZB-Chefpostens ähnlich wie die des Postens des EU-Kommissionspräsidenten kein formalisierter Prozess ist. Derzeit weiß sogar niemand ganz genau, wer eigentlich alles im Rennen ist. Die Liste potenzieller Kandidaten ist jedoch lang. Denkbar daher auch, dass am Ende wie schon zu Beginn der Eurozone eine Aufteilung der achtjährigen Amtszeit erfolgt:
Wim Duisenberg durfte damals gegen eigenen Wunsch nur vier Jahre an der Spitze der EZB verbringen, bevor Jean-Claude Trichet als Erster volle acht Jahre EZB-Chef war. Sicher ist nur, dass Draghi Ende Oktober als EZB-Chef abdankt. Letztlich dürfte der „Neue“ aber ohnehin wenig Spielraum haben – Draghi hat mit seiner Rede in Sintra Fakten geschaffen.
Was bedeutet das für Anleger?
Für Risikoaktiva bedeutet der Doppelschlag von Fed und EZB erst einmal Rückenwind. Aktienmärkte rund um den Globus haussierten in der abgelaufenen Woche, wobei der mit dem Zentralbankkursschwenk einhergehende Rücksetzer bei den Zinsen vor allem die Bewertungen der Aktienmärkte nach oben trieb.
Gut möglich, dass wir in ein paar Jahren auf die aktuelle Phase zurückschauen und konstatieren: Das war die Zeit, in der die Normalisierung der Geldpolitik in der Eurozone scheiterte und immer deutlicher wurde, dass wir uns in Europa nicht nur in Richtung Japanisierung bewegen, sondern womöglich bereits angekommen sind.
Was Japan mit Europa zu tun hat
Die Tatsache, dass Zentralbanken nun sogar über die Adjustierung ihrer Inflationsziele nachdenken, bekräftigt diese Diagnose. Eine Idee der Fed ist beispielweise, die Inflationsrate in Zukunft über das Ziel von zwei Prozent überschießen zu lassen. Schließlich notierte sie nun jahrelang unterhalb dieses Ziels.
Apropos Japan: Trump und Xi treffen sich Ende der Woche nach Lage der Dinge am Rande des G20- Gipfels in Osaka, um möglicherweise die ins Stocken geratenen Verhandlungen zum Thema Handel wieder aufzunehmen. Allzu viele Hoffnungen sollte man als Anleger aber nicht hegen. Der Konflikt dieser beiden Länder hat womöglich gerade erst so richtig begonnen.
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