In den letzten Tagen erreichten viele europäische Staatsanleihenmärkte neue Allzeit-Renditetiefs: Am Dienstag gaben 10-jährige Bundesanleihen 8 Basispunkte auf -0,32% nach, 10-jährige französische OATs erreichten ein Intraday-Tief von -0,004% – erstmals unter 0% – während die Renditen beispielsweise in Schweden und Österreich erstmals auch unter 0% lagen. Ein Kommentar von Konstantin Veit, leitender Portfoliomanager Euro-Staatsanleihen.
Auslöser für den jüngsten Rückgang der Anleiherenditen war Mario Draghis Rede auf dem EZB-Zentralbankforum in Sintra, wo der scheidende EZB-Präsident ein weiteres Lockerungspaket in Aussicht gestellt hat, vorausgesetzt, die Aussichten für die Inflation bleiben gedämpft. Er wies darauf hin, dass ein Lockerungspaket weitere Zinssenkungen (möglicherweise in Kombination mit der Einlagenzinssenkung), Anpassungen der aktuellen Forward Guidance für Zinssätze und mehr Wertpapierkäufe beinhalten könnte.
Unterstützung durch EZB wahrscheinlich
Wir argumentierten bereits in der Vergangenheit, dass ein schwächerer Makroausblick, das Risiko einer Verringerung der Inflationserwartungen, erhöhte politische Risiken und eine weltweit noch stärker akkommodierende Ausrichtung der Zentralbanken eine Normalisierung der EZB-Politik in naher Zukunft verhindern würden und stimmten der Auffassung zu, dass der nächste Schritt eher in Richtung mehr als weniger Unterstützung durch die EZB gehen wird. In der Tat scheint es, als ob Draghi sich eher auf das Schlimmste vorbereiten will, anstatt auf das Beste zu hoffen.
Vergleich mit Japan: Die Dynamik der japanischen Zinskurve deutet darauf hin, dass wir die Tiefststände bei den Anleiherenditen wahrscheinlich noch nicht gesehen haben (wobei die Renditen der japanischen 10-jährigen Staatsanleihen unter dem Leitzins notierten, während die 10-Jahres-Bundesanleihen immer noch über dem Einlagenzinssatz notierten).
Dauer negativer Zinssätze dürfte von Fiskalpolitik abhängen
Eine EZB, die zusätzliche unterstützende Maßnahmen in Betracht zieht, sollte ceteris paribus den impliziten „Carry“ und „Roll Down“ in den Kurven von Euro-Staatsanleihen der Kernstaaten unterstützen ebenso wie die noch vorhandenen Zinsprämien, während die Marktteilnehmer nach dem greifen, was an (positiv rentierenden) Instrumenten übrig geblieben ist.
Die Dauer der aktuellen Phase negativer Zinssätze in der Eurozone dürfte zum Teil davon abhängen, ob die Fiskalpolitik zu einem bestimmten Zeitpunkt des Zyklus eine bedeutendere Rolle übernehmen wird. Jedoch gebietet die japanische Erfahrung eine gewisse Vorsicht, wenn es darum geht, zu viel von der Fähigkeit der Währungs- und Finanzpolitik zu erwarten, die Gleichgewichts-Realzinsen nach oben zu heben, insbesondere wenn die Inflationserwartungen erst einmal begonnen haben, sich nach unten anzupassen.
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