Die zweite Verkaufswelle am Anleihemarkt innerhalb kürzester Zeit setzt sich beschleunigt fort: Am Donnerstag fielen die Kurse von Staatsanleihen weltweit weiter zurück. In Deutschland näherte sich der Zins für zehnjährige Bundesanleihen, der sich aus dem Kurswert und dem Zinskupon errechnet, mit großen Schritten der Marke von einem Prozent.
Erst Mitte April war er auf ein Rekordtief von 0,05 Prozent gefallen. Auch im übrigen Europa, in Asien und in den USA ging der Renditeanstieg der vergangenen Tage weiter. Der richtungsweisende Euro-Bund-Future, der die Kursentwicklung von Bundeswertpapieren beschreibt, fiel am Donnerstagvormittag um 0,92 Prozent auf 149,79 Punkte.
Im Gegenzug stieg die Rendite der zehnjährigen Bundesanleihe, die sich gegensätzlich zum Kurswert bewegt, auf ein neues Jahreshoch. In der Spitze kletterte der Zins auf 0,99 Prozent. In Großbritannien stieg der Zehnjahreszins mit 2,17 Prozent auf den höchsten Stand seit November. In den USA rentierten entsprechende Staatspapiere mit 2,42 Prozent – so hoch wie seit Oktober nicht mehr.
Viele Gründe für Ausverkauf
Die jüngste Episode folgt auf einen ersten Ausverkauf von Mitte April bis Anfang Mai. Damals war von einem Anleihe-Crash die Rede. Gründe für die neuerliche Zuspitzung gibt es einige. Am Markt werden aber vor allem Preisdaten aus dem Euroraum genannt. Im Mai hatte sich die Inflation erstmals seit einem halben Jahr von der Nulllinie gelöst.
Zudem erhöhte sich die weniger schwankungsanfällige Kernrate, die den Preistrend besser wiedergibt, deutlich von 0,6 auf 0,9 Prozent. Das liegt zwar klar unterhalb des Ziels der Europäischen Zentralbank (EZB) bei knapp zwei Prozent. Deflationsfurcht dürften die Zahlen aber auch nicht mehr nähren.
Geringere Deflationssorgen und bessere Wachstumsaussichten
Am Mittwoch hatte Mario Draghi, Präsident der Europäischen Zentralbank (EZB), mehrere Gründe für den Renditeschub genannt. Neben geringeren Deflationssorgen verwies er auf bessere Wachstumsaussichten für den Euroraum, ein gegenwärtig hohes Angebot an neuen Staatsanleihen und eine geringere Marktliquidität. Die geringere Liquidität am Markt ist auch eine Folge der EZB-Geldschwemme.
Austrocknen der Märkte als Folge der EZB-Politik?
Seit März nimmt die Notenbank in erheblichem Umfang Staatsanleihen vom Markt. Fachleute sagen, damit trockne sie die Märkte aus. Draghi hatte am Mittwoch gewarnt, die Marktteilnehmer müssten sich an stärkere Kursschwankungen gewöhnen.
Quelle: dpa-AFX
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