Die makroökonomischen Sorgen sind nach wie vor groß, und die Stagflation beschäftigt die Anleger. In der vergangenen Woche haben die Aktienmärkte defensive Sektoren begünstigt, die sich in einem stagflationären Umfeld bisher besser entwickelt haben, wie z. B. Energie, Basiskonsumgüter, Versorger und Rohstoffe. Zudem: Die Mischung aus hoher Inflation und sich abschwächenden globalen Wirtschaftsaussichten hat die Besorgnis darüber geschürt, inwieweit die Zentralbanken in der Lage sein werden, die Zinssätze zu erhöhen, ohne die Wirtschaft zu sehr zu belasten.
Silvia Dall’Angelo, Senior Economist at Federated Hermes Limited:
„Mit Blick auf die Geldpolitik war es eine turbulente Woche. Im Allgemeinen haben die Zentralbanken auf breiter Ebene falkenhafte Töne angeschlagen, was die wachsende Besorgnis bezüglich einer gestiegenen und anhaltenden Inflation widerspiegelt. Die Fed hat die Inflation fest im Blick und ist entschlossen, sie unter Kontrolle zu bringen. Nach der größten Zinserhöhung seit 20 Jahren wird die Fed in den nächsten Monaten wahrscheinlich weiter die Zinsen straffen.
In Asien waren die Zentralbanken aufgrund der günstigeren Inflationsentwicklung vorsichtiger als andernorts. Denn nach der unerwartet starken Zinserhöhung der Reserve Bank of Australia (RBA) in dieser Woche haben sich die Divergenzen zwischen den großen Zentralbanken noch verstärkt.
In den entwickelten Volkswirtschaften des Wirtschaftsraums Asien-Pazifik steht der Schritt der RBA im Widerspruch zu den Entscheidungen der Bank of Japan (BOJ) von vergangener Woche. Die BOJ hat ihre Politik zur Anpassung der Zinskurve ausgeweitet und unbegrenzt festverzinsliche Anleihen gekauft, um ihr angestrebtes Ziel zu wahren. Die Reserve Bank of India (RBI) hob unerwartet den Reposatz in einem außerplanmäßigen Schritt an – es wurde allgemein erwartet, dass sie auf ihrer nächsten Sitzung mit Zinserhöhungen beginnen würde. Die Eile deutet darauf hin, dass die Inflationssorgen dringlich geworden sind.
Der wichtigste Sonderfall in Asien (und darüber hinaus) ist jedoch die Chinesische Volksbank (PBOC), deren Politik jetzt auf eine Lockerung ausgerichtet ist. Die Nullzins-Politik dürfte die Inlandsnachfrage auf absehbare Zeit weiter belasten, während China auch mit Gegenwind durch die hohen Rohstoffpreise, den Krieg in der Ukraine und mögliche weitere Sanktionen zu kämpfen hat.“
James Rutherford, Head of European Equities at Federated Hermes Limited:
„Der europäische Aktienmarkt erweist sich für die Anleger derzeit als herausfordernd, denn die Sorgen richten sich auf die steigende Inflation und die Auswirkungen des Energiepreisschocks. Aus der Marktperspektive ist die größte Angst jedoch die vor dem Unbekannten. Die Fundamentaldaten für Europa waren im ersten Quartal zufriedenstellend, aber das war weitgehend abzusehen. Seitdem haben die steigenden Rohstoff- und Energiekosten das sich verschlechternde makroökonomische Umfeld noch verschärft, was viele Anleger dazu veranlasst hat, in defensive Sektoren wie Telekommunikation und Rohstoffe zu investieren. Die Befürchtung einer Konjunkturabschwächung im zweiten Halbjahr 2022 führt außerdem dazu, dass die Allokation stärker auf Kapitalerhalt ausgerichtet ist als die übliche Umschichtung zwischen Value und Growth.“
Fraser Lundie, Head of Fixed Income – Public Markets at Federated Hermes Limited:
„Die Mischung aus hoher Inflation und sich abschwächenden globalen Wirtschaftsaussichten hat die Besorgnis darüber geschürt, inwieweit die Zentralbanken in der Lage sein werden, die Zinssätze zu erhöhen, ohne die Wirtschaft zu sehr zu belasten. Die Aussichten waren bereits unsicher, da steigende Lohnkosten, Unterbrechungen der Lieferketten und die Rohstoffpreise, die seit dem Einmarsch Russlands in der Ukraine sprunghaft angestiegen sind, für Gegenwind sorgten. Die entscheidende Frage lautet: Wie geht es weiter? Die US-Notenbank scheint nun entschlossen zu sein, die Geldpolitik so lange zu straffen, bis sich die Inflation merklich verlangsamt. In der Zwischenzeit bleiben große Industriegebiete Chinas stillgelegt, da die Nullzinspolitik auf Kosten einer sich verlangsamenden Wirtschaft gefördert wird. Es gibt Anzeichen dafür, dass der Konflikt in der Ukraine auf einen Waffenstillstand zusteuern könnte. Diese Entwicklungen in den USA, Asien und Europa könnten zu niedrigeren Rohstoffpreisen und niedrigeren Inflationsraten führen. Und da die Renditen für US-Investment-Grade- und US-Hochzinsanleihen inzwischen über vier Prozent bzw. sieben Prozent liegen, kann man hier gut investieren.“
Geir Lode, Head of Global Equities at Federated Hermes Limited:
„Die makroökonomischen Sorgen sind nach wie vor groß und die Stagflation beschäftigt die Anleger. In der vergangenen Woche haben die Aktienmärkte defensive Sektoren begünstigt, die sich in einem stagflationären Umfeld bisher besser entwickelt haben, wie z. B. Energie, Basiskonsumgüter, Versorger und Rohstoffe. In dem Bestreben, den Inflationsdruck einzudämmen, kündigte die US-Notenbank am Mittwoch jedoch eine Zinserhöhung um 50 Basispunkte an – die aggressivste Zinserhöhung seit Mai 2000. Dies hatte eine unmittelbare Auswirkung: US-Aktien stiegen um rund 3 %, denn die Anleger setzten darauf, dass die Inflation eingedämmt und eine Konjunkturabschwächung vermieden werden würde.
Dennoch bleiben geopolitische Risiken bestehen; der Russland-Ukraine-Konflikt und Chinas strenge Nullzins-Politik haben die europäischen Volkswirtschaften stark unter Druck gesetzt, so dass der Euroraum im ersten Quartal 2022 ein geringes BIP-Wachstum von 0,2 % verzeichnete. Europa hat die Sanktionen gegen Russland weiter verschärft und schlägt nun vor, in den nächsten sechs Monaten die Einfuhr von russischem Öl zu verbieten. Darüber hinaus hat die EU wichtige russische Banken ins Visier genommen und ein Verbot des SWIFT-Zahlungssystems zur Diskussion gestellt. Die schweren Lockdowns in Chinas Großstädten haben zu weiteren Unterbrechungen der Lieferkette geführt und wirken sich weiterhin auf die Geschäftstätigkeit von Unternehmen in aller Welt aus; ein Thema, das in den Geschäftsberichten der letzten Woche häufig erwähnt wurde.
Die Abkehr von einer möglichen Anhebung um 75 Basispunkte mag die Anleger vorerst beruhigt haben, aber wir haben in den letzten Monaten gesehen, dass das Vertrauen angesichts der geopolitischen Turbulenzen fragil ist. Wir bleiben vorsichtig und sind der Meinung, dass ein diversifiziertes Portfolio in diesen Märkten entscheidend ist.“