Cash.: In zahlreichen Berufsgruppen sind psychische Erkrankungen heute die häufigste BU-Ursache – Tendenz steigend. Welche Ursachen hat diese Entwicklung?
Banerjee: Es ist in der Tat sehr schwierig, eindeutige Rückschlüsse für diese Entwicklung zu ziehen. Tatsächlich zeigt uns der rapide Anstieg psychischer Leiden aber deutlich auf, wie wichtig es ist, dass sich die Menschen unabhängig vom Berufsbild gegen den Verlust ihrer Arbeitskraft absichern.
Seit Jahren sind psychische Leiden auf dem Vormarsch und mit 37 Prozent die häufigste Ursache für eine Berufsunfähigkeit. Allein in den letzten zehn Jahren registrieren wir in diesem Segment eine Zunahme um 40 Prozent.
Ein möglicher Teilaspekt für diese Entwicklung könnte der positiv zu bewertende, öffentliche Diskurs im Umgang mit psychischen Erkrankungen sein.
Diskussionen über Burnout oder Forderungen nach einer besseren Work-Life-Balance sind in den Medien täglich präsent. Damit steigt wohl auch die Bereitschaft der Betroffenen, Hilfsangebote anzunehmen.
Weiterhin gibt es auch die Vermutung, dass sich im gleichen Atemzug das Diagnoseverhalten durch die Ärzteschaft verändert hat: Wurden früher psychische Erkrankungen hinter anderen Diagnosen versteckt, so wird mit diesem Thema nun auch bei der Diagnosestellung offener umgegangen.
Wie eine aktuelle Swiss-Life-Studie zeigt, schaffen Männer deutlich häufiger den Sprung aus der Berufsunfähigkeit zurück ins Berufsleben als Frauen. Woran liegt das?
Banerjee: Wer einmal berufsunfähig geworden ist, muss das tatsächlich nicht zwangsläufig bis zum Renteneintritt bleiben. Im glücklichen Fall einer vollständigen oder teilweisen Genesung, zum Beispiel mit Hilfe von Therapien, Reha-Maßnahmen oder Umschulungen können die Menschen wieder in das Berufsleben zurückkehren.
Dass dies Männern langfristig betrachtet scheinbar häufiger gelingt als Frauen, könnten in den unterschiedlichen BU-Ursachen liegen.
Da Frauen deutlich häufiger aufgrund von Psyche berufsunfähig werden, ist hier eine rasche Rückkehr in das Berufsleben deutlich unwahrscheinlicher als bei anderen Ursachen, da psychische Erkrankungen oftmals eine jahrelange Krankheitsdauer nach sich ziehen.
Interview: Benjamin Müller
Foto: Swiss Life Deutschland
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