Unseriös gegenfinanziert, mit der Verfassung nicht vereinbar und in vielfacher Hinsicht ungerecht: Die Grundrente von Arbeits- und Sozialminister Hubertus Heil sollte nicht Gesetz werden. Drei Gründe, warum die Grundrente in der Form nicht so kommen darf. Ein Standpunkt von INSM-Geschäftsführer Hubertus Pellengahr.
1. Die Finanzierung der Grundrente steht auf tönernen Füßen
“Der Berliner Plan verkehrt die ursprüngliche Idee einer Finanztransaktionssteuer in ihr Gegenteil”, hat der österreichische Finanzminister Gernot Blümel vor wenigen Tagen gesagt, “die Realwirtschaft und Kleinanleger würden bestraft und indirekt die Spekulanten belohnt.”
Österreich werde diesen Weg nicht mitgehen. Andere EU-Staaten sehen das ähnlich. Mit anderen Worten: Die europäische Finanztransaktionssteuer droht zu scheitern, eine nationale Steuer ist kaum vorstellbar. Schon gar nicht in der Kürze der Zeit. Für die Grundrente heißt das: Die Hauptfinanzierungsquelle fehlt.
Hinzu kommt: Niemand weiß, wie viel Geld eigentlich gebraucht wird. Das Arbeitsministerium vermutet im Gesetzentwurf, dass die Kosten für rund 1,4 Millionen Grundrentner im ersten Jahr bei zusätzlich rund 1,4 Milliarden Euro liegen werden. Das wären 83 Euro Zuschlag pro Grundrentenbezieher pro Monat. Ist das realitätsnah?
Möglicherweise nicht. Denn das Arbeitsministerium beruft sich bei seiner Schätzung auf die Deutsche Rentenversicherung. Die aber schreibt laut Handelsblatt in einer Stellungnahme als für die Umsetzung der Grundrente verantwortliche Behörde: “Ob die im Referentenentwurf angegebenen Mehrausgaben für die Grundrente plausibel sind, lässt sich von der Deutschen Rentenversicherung nicht überprüfen.”
Außerdem: Die Kosten der Grundrente werden nur teilweise den Grundrentenbeziehern zu Gute kommen. In der Stellungnahme heißt es dazu: Die Umsetzung werde die Rentenversicherung „außerordentlich stark belasten”. Sie schätzt die Verwaltungskosten im Einführungsjahr auf mehrere hundert Millionen Euro.
2. Die Grundrente verstößt möglicherweise gegen die Verfassung – und zwar in zweifacher Hinsicht
Erstens: Die Einkommensgrenzen, ab welche der Grundrentenzuschlag abnimmt, liegt laut Gesetzentwurf bei 1250 Euro für Singles und bei 1950 Euro für Paare. Da aber bei unverheirateten Paaren mit gemeinsamer Haushaltsführung das Partnereinkommen nicht ermittelt wird, wären diese Paare gegenüber verheirateten im Vorteil – ein Verstoß gegen den im Grundgesetz verankerten Schutz der Ehe (Artikel 6 Absatz 1 GG).
Zweitens: Die Grundrente würde das Äquivalenzprinzip teilweise aushebeln. Dieses Leistungsprinzip besagt, dass die Einzahlungen in die Rentenversicherung maßgeblich die Höhe der Rentenbezüge bestimmen.
Wer aber mehr als 35 Jahre gearbeitet und 80 Prozent des Durchschnittseinkommens verdient hat, würde zukünftig eine nahezu gleich hohe Rente wie ein Beschäftigter erhalten, der etwa nur halbtags gearbeitet hat.
Das Grundgesetz dagegen verlangt die Gleichbehandlung vor dem Gesetz (Artikel 3 Abs.1 GG). Ausnahmen bedürfen der besonderen Rechtfertigung. Das gilt auch für Ausnahmen vom Äquivalenzprinzip der Rentenversicherung.
Eine solche Rechtfertigung kann beispielsweise der Ausgleich erlittener Nachteile sein – zum Beispiel Verzicht auf Arbeit Kindererziehung oder Pflege. Ist ein solcher Ausgleich eines Nachteils nicht gegeben, so ist die Abweichung mit dem Grundgesetz kaum vereinbar. Die Grundrente würde aber keinen konkreten Nachteil ausgleichen, sondern will eine Gruppe von Rentenversicherten pauschal aufzuwerten.
3. Durch die Grundrente würde der deutsche Sozialstaat ungerechter
Neben einer deutlichen Aufweichung des Äquivalenzprinzips würde die Grundrente weitere Ungerechtigkeiten hervorbringen. Grund ist die Aufweichung der im Sozialstaat angewandten Bedürftigkeitsprüfung. Der Staat hilft, wenn nötig.
Aber eben nur dann. Alles andere wäre ungerecht. Stattdessen soll die Grundrente lediglich mit einer Einkommensprüfung kommen (die auch noch löchrig ist). Dadurch würden Menschen mit hohen Vermögen Grundrente beziehen – das ist teure Gießkannenpolitik. Gute Sozialpolitik geht anders.
Auch weil jene, die wenig haben, mit der Grundrente praktisch nicht geholfen wird. Nur ein Prozent aller Menschen, die 35 Erwerbsjahre aufweisen, brauchen ergänzende Grundsicherung zur Bestreitung ihres Lebensunterhalts.
Denn eine der Hauptgründe, warum Menschen Grundsicherung im Alter beziehen, ist gerade die zu geringe Anzahl an Versicherungsjahren in der gesetzlichen Rentenversicherung. Grunsätzlich gilt: Das Problem der Altersarmut wird mit der Grundrente de facto nicht adressiert.
Die Liste weiterer Ungerechtigkeiten lässt sich fast unbegrenzt fortsetzen. Dazu zählt unter anderem die kaum mögliche Erfassung von Einkommen von im Ausland lebenden potenziellen Grundrentenbeziehern und die Probleme der Zuordnung von Kapitalerträgen.
Letztere liegen der Finanzverwaltung regelmäßig nicht vor, weil im Jahr 2009 die Abgeltungsteuer einführt wurde. Seitdem führen die Banken die auf Zinsen und Dividenden fällige Sondersteuer in anonymisierter Form für ihre Kunden an das Finanzamt ab.
Es besteht folglich die Gefahr, dass nicht nur Vermögen, sondern auch relevante Teile der Kapitaleinkommen nicht erfasst werden und damit die Zahl der Grundrentenbezieher steigt, die den Zuschlag nicht brauchen.
Fazit: Die Bundesregierung plant mit einer neuen Steuer die Steuerquote weiter zu erhöhen und die Sozialpolitik ungerechter zu machen. Gute Sozialpolitik hilft denen, die Hilfe nötig haben. Die Grundrente erfüllt dieses Ziel nicht.
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