Es wird viel interpretiert und ausgelegt bei den deutschen Vermittlerverbänden, seit die EU-Kommission Ende Mai ihren Entwurf zur Kleinanlegerstrategie vorgelegt hat. Bereits im Vorfeld der Veröffentlichung war über ein mögliches Provisionsverbot für Versicherungsmakler bei der Vermittlung von Versicherungsanlageprodukten spekuliert worden. Ob der aktuelle Entwurf dies nun tatsächlich vorsieht, ist unter den Verbänden umstritten – dabei geht es in erster Linie um den Begriff „unabhängig“. Laut Votum-Vorstand Martin Klein ergänzt der jetzige Vorschlag die Begründung zum Provisionsverbot für eine unabhängige Beratung um folgende Klarstellung: „Ein solches Verbot sollte Versicherungsvermittler jedoch nicht daran hindern, eine Beratung anzubieten, für die sie Anreize erhalten können, sofern die Beratung nicht als ‚unabhängig‘ dargestellt wird und die Kleinanleger im Einklang mit den geltenden Transparenzanforderungen über die Anreize informiert werden. In Anbetracht der unterschiedlichen Strukturen des Versicherungsvertriebs in den Mitgliedstaaten sollte es Versicherungsvermittler, die nicht bei einem Versicherungsunternehmen angestellt oder vertraglich an dieses gebunden sind, aber Anreize erhalten, nicht daran hindern, sich als nicht vertraglich an ein bestimmtes Versicherungsunternehmen gebunden darzustellen.“ Dies könne man als möglichen Kompromiss für die deutschen Makler werten, die bei der Entgegennahme von Provisionen ihre Tätigkeit zwar nicht mit dem Begriff der Unabhängigkeit bewerben dürfen, jedoch darauf hinweisen können, dass sie nicht an ein Versicherungsunternehmen gebunden sind. „Wir haben angesichts der erfolgten Klarstellung begründete Hoffnung, dass es nicht zu einem Provisionsverbot für Makler kommt“, sagt Klein.
Falls aber doch? Eine Aufspaltung der Registrierung eines Versicherungsmaklers je nach der Versicherungssparte, in der er vermittelt, sei jedenfalls keine Option. „Es ist nicht möglich, im SHUK-Bereich als Versicherungsmakler tätig zu werden und zugleich im Bereich der Versicherungsanlageprodukte als Versicherungsberater. Der Gesetzgeber geht hier von einem einheitliche Tätigkeitsbild aus“, betont Klein.
Auch BVK-Chef Michael H. Heinz sieht kein explizites Provisionsverbot für Makler in dem Entwurf: „Artikel 30 Absatz 5b des Entwurfes besagt zwar, dass Versicherungsvermittler, wenn sie Beratung auf einer ‚unabhängigen Basis‘ anbieten, keine Gebühren, Kommissionen oder Provisionen erhalten sollen. Dieses Verbot, sogenannte ‚inducements‘ zu erhalten, worunter gemäß Artikel 29a des Entwurfes alle finanziellen und nicht finanziellen Zuwendung gemeint sind, gilt nur für den Fall, dass ein Versicherungsvermittler seine Beratung als ‚unabhängig‘ anbietet. Ein Verbot für Makler, gegen Courtage Versicherungsanlageprodukte zu vermitteln, ist nach unserem Dafürhalten damit nicht bezweckt und wurde deshalb in den Auslegungshinweisen der Kommission unter Punkt 4 klargestellt.“
Jahrelange Unsicherheit droht
Norman Wirth, geschäftsführender Vorstand des AfW, ist dagegen der Ansicht, dass der Entwurf nicht viel Interpretationsspielraum zulässt: „Selbstverständlich haben wir nicht die Deutungshoheit und es gibt auch nachvollziehbare Meinungen dazu, dass es die Makler nur trifft, wenn sie sich explizit als unabhängig bezeichnen. Das halten wir derzeit aber noch für äußerst dünnes Eis.“ Makler seien per se unabhängig. „Die EU-Kommission hat sich sicherlich nicht mit den Feinheiten des deutschen Rechts auseinandergesetzt. Nicht am Wortlaut haften, sondern auch und insbesondere Sinn und Zweck der gesetzlichen Regelungen im Blick haben, ist unsere Devise. Anders machen es im Ernstfall Gerichte auch nicht. Wenn es um die möglicherweise unterschiedlichen Definitionen des Begriffes ‘unabhängig‘ im deutschen und europäischen Recht geht und darüber in letzter Instanz der EuGH urteilen müsste, ist das eine äußerst unbefriedigende Situation. Wir wollen Klarheit und keine jahrelange Unsicherheit.“
Jahrelange Unsicherheit wird der Branche aber schon aufgrund der Revisionsklausel nicht erspart bleiben, die ein vollständiges Provisionsverbot drei Jahre nach Einführung der neuen Regulierung ermöglicht. EU-Finanzkommissarin Mairead McGuinness habe im Juni in Brüssel auf einer Internationalen Konferenz zur Kleinanlegerstrategie keinen Zweifel an ihrem mittelfristigen Bemühen gelassen, ein komplettes Provisionsverbot zu erreichen – so hat es jedenfalls Norman Wirth wahrgenommen, der für den AfW vor Ort war.
Bei der hitzigen Diskussion um ein mögliches Provisionsverbot übersieht man schnell, dass der Entwurf der EU-Kommission noch weitere Regelungen enthält, die die Vermittler unmittelbar in ihrem Wirken betreffen. So ist darin auch eine Weiterbildungspflicht für Personen vorgesehen, die im Namen einer Wertpapierfirma Anlageberatung durchführen oder über Finanzinstrumente informieren. Diese Pflicht könnte auch Finanzanlagenvermittler nach Paragraf 34f GewO treffen. Zwar fallen Finanzanlagenvermittler laut AfW formal nicht unter diese Weiterbildungsanforderungen, sondern nur Personen, die im Namen einer Wertpapierfirma beraten oder informieren, also im Namen einer Bank oder eines Haftungsdaches. Es sei jedoch festzuhalten, dass der Finanzanlagenvermittler in Brüssel kaum bekannt sei, so der Verband. Die EU-Kommission spreche in ihren FAQ lediglich von „Financial Advisors“, also Finanzberatern, und unterscheide nicht zwischen verschiedenen Vertriebsformen.
Branche hadert mit Entwurf
„Somit liegt es bei der Bundesregierung zu entscheiden, ob auch die Finanzanlagenvermittler unter die Weiterbildungsverpflichtung fallen. Dafür müsste die Finanzanlagenvermittlerverordnung (FinVermV) angepasst werden. Zuständig dafür ist das Bundeswirtschaftsministerium, das von einem grünen Minister geleitet wird. Sein für dieses Thema zuständiger Staatssekretär Sven Giegold dürfte eher zu einer strengen Auslegung des Brüsseler Textes tendieren. Eine Weiterbildungspflicht für Finanzanlagenvermittler erscheint daher wahrscheinlich“, erklärt Frank Rottenbacher, Kollege von Wirth im AfW-Vorstand.
Es verwundert also kaum, dass die Branche mit dem Entwurf grundsätzlich hadert. „Von uns aus hätte man sich den ganzen Entwurf sparen können. Wir haben in den letzten Jahren genug Regulatorik gehabt. Wir kämpfen noch mit der Umsetzung der Vorgaben zum Thema ESG und jetzt kommt schon wieder der nächste Hammer. Damit sind wir überhaupt nicht zufrieden“, kritisiert Wirth.
Einen Vorschlag, wie es gelingen könnte, der Regulierung nicht immer nur hinterherzulaufen, sondern selbst voranzugehen, macht Dr. Klaus Möller, Vorstand des Defino Instituts für Finanznorm: „Die Branche ist gefordert, nicht abzuwarten und zu reagieren, sondern initiativ zu werden und mit Unternehmens-übergreifenden Maßnahmen für mehr Verbraucherorientierung vor die Welle zu kommen.“ Die Umsetzung der von der Branche erarbeiteten DIN-Normen sei dabei erste Wahl, weil diese das Problem „an der Wurzel packen“ und weil Normen generell geeignet seien, untaugliche Gesetze zu verhindern. Und an untauglichen Gesetzen herrscht schon jetzt kein Mangel – wenn man die Verbände fragt.
Kim Brodtmann, Cash.