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DWS: „Im Wholesale-Bereich ist KI eher ein Steuerungsinstrument“

Stefan Vollmer
Foto: DWS Group
Stefan Vollmer: „Im Geschäft mit Versicherern sind wir Marktführer in Deutschland.“

Stefan Vollmer ist seit dem letzten Jahr Leiter Wholesale für Deutschland bei der DWS Group. Cash. hat sich mit ihm über seine ersten Projekte, die Rolle des Partnergeschäfts, die wichtigsten Vertriebskanäle sowie die Bedeutung von KI ausgetauscht.

Herr Vollmer, seit zehn Monaten verantworten Sie den Wholesale-Vertrieb bei der DWS. Was waren die wichtigsten Projekte bis dato?
Vollmer: Für mich waren zwei Dinge besonders wichtig. Erstens, wie kann ich mein Team dabei unterstützen, unsere 70-jährige Tradition fortzuführen und unseren Vertriebspartnern wie gewohnt erstklassigen Service zu bieten. Gleichzeitig ging es mir darum, meine Mitarbeiter für die Veränderungen im Markt zu begeistern. Wir wollen bewahren, was funktioniert, und verbessern, was effizienter sein kann. Dazu gehört auch der Einsatz neuer Technologien.

Was umfasst diese Veränderungen?
Vollmer: Der klassische Einzelfondsvertrieb ist weiterhin vorhanden und funktioniert, wird aber zunehmend von anderen Formen abgelöst. Der Trend geht dahin, dass viele Partner gemanagte Depotvarianten oder Service-Fee-Modelle unter Verwendung günstiger Anteilklassen nutzen. Im klassischen Einzelfondsvertrieb hingegen wollen wir unsere Partner mit Lösungen und Konzepten dabei unterstützen, eine höhere Reichweite zu generieren.

Sie sind schon länger bei der DWS. Was hat Sie an der Übernahme der Position gereizt?
Vollmer: Ich bin seit 2003 bei der DWS und habe in der Zeit im Who-lesale-Bereich nahezu alle Kanäle im In- oder Ausland abgedeckt. Dementsprechend war es eigentlich der nächste logische Schritt. Ich habe ursprünglich in der Privatkundenbetreuung begonnen, bin dann einige Jahre im Ausland gewesen und habe zwischen 2006 und 2008 vor allem in Griechenland Vertrieb gemacht. Die Finanzkrise hat das abrupt beendet, weil der Markt für Fonds buchstäblich in sich zusammengefallen ist. Aufgrund solcher Veränderungen im Markt war ich immer wieder gezwungen, mich neu zu erfinden. Das ist auch heute noch so, wo ich regelmäßig schauen muss, wie ich neue Themen vorantreiben kann. Besonders gereizt hat mich dabei vor allem, dass ich ein Team habe, in dem ich viele Kolleginnen und Kollegen schon seit 20 Jahren kenne. Zu wissen, dass ich mit ihnen arbeiten und mich auf sie verlassen kann, hat mich sehr motiviert und es gibt ein wirklich gutes Gefühl.

Welchen Stellenwert hat das Partnergeschäft für die DWS?
Vollmer: Grundsätzlich bleiben persönliche Beziehungen und Partnerschaften der Kern eines erfolgreichen Vertriebs. Und jeder Vertriebspartner, den wir in Deutschland haben, ist ein wichtiger Partner, mit dem wir eng zusammenarbeiten und das Geschäft auch gerne verbreitern. Darüber hinaus gibt es Technologiepartnerschaften, die wir auch sehr stark forcieren, um unseren vorhandenen Vertriebspartnern Absatzmöglichkeiten zu bieten, die über das reine Fondsangebot hinausgehen. Last but not least haben sich unsere Partnerschaften mit Selbstentscheider-Plattformen stark mit der Xtrackers-Marke etabliert.

Wie läuft das Geschäft mit der DVAG?
Vollmer: Wir haben eine sehr enge strategische Partnerschaft, die sehr gut läuft und die im nächsten Jahr 25 Jahre besteht, während die DVAG dieses Jahr ihr 50-jähriges Jubiläum feiert. Gemeinsam fokussieren wir uns darauf, wie sich interessante Trends zukunftsfähig und erfolgreich gestalten lassen und neue Kundengruppen erschlossen werden können. Dazu zählt beispielsweise auch die Frage nach Lösungen für Berater mit 34d-Lizenz im Versicherungsbereich.

Wie ist die DWS im Geschäft mit Versicherern aufgestellt?
Vollmer: Das ist spannend. Wir sind in diesem Bereich Marktführer in Deutschland und haben über Jahre hinweg hohe Bestände aufgebaut, die es kontinuierlich zu verteidigen gilt. Dabei kommen uns auch unsere kostengünstigen Passivstrategien zugute. Warum? Weil wir mittlerweile oftmals gemanagte Portfolios in den Policen integrieren. Das bedeutet, dass wir das Portfoliomanagement stellen, indem wir zum Beispiel die strategische Asset-Allokation übernehmen. Wir stellen passende ETFs zusammen, und bieten diese als gebündelte Lösung an – und das mit großem Erfolg.

Auf den Markt blickend, wie differenzieren Sie sich vom Wettbewerb?
Vollmer: Wir sind als DWS sehr breit aufgestellt und fokussieren uns nicht auf einen Kanal, sondern sind über einen Multi-Channel-Ansatz aktiv. Zudem verfügen wir über eine umfassende Expertise in verschiedenen Anlageklassen. Unser breit aufgestellter Vertrieb und unsere Verwurzelung im Heimatmarkt ermöglichen es uns zudem, mit unseren Portfoliomanagern in den Regionen und bei den Beratern präsent zu sein. Das zahlt sich aus, denn im direkten Kundenkontakt kann es für unsere Partner ein Vorteil sein, beispielsweise aus persönlichen Gesprächen mit Experten, wie Thomas Schüßler, zu zitieren. Darüber hinaus verfügen wir über eine starke Innovationskraft, die wir in den vergangenen Jahren immer wieder unter Beweis gestellt haben.

Wie wichtig sind aus Ihrer Sicht die digitalen Vertriebskanäle?
Vollmer: Sehr wichtig, gerade aufgrund des sich verändernden Umfelds. Dennoch bin ich davon überzeugt, dass das Fondsgeschäft ein persönliches bleibt. Ich gehe nicht davon aus, dass irgendwann in der Zukunft 100 Prozent der Fonds über Digitalkanäle verkauft werden. Aber der Digitalvertrieb ist ein wichtiger zusätzlicher Absatzkanal, weshalb wir auch so eng mit Neobrokern und Direktbanken zusammenarbeiten und einen Großteil unserer ETFs darüber absetzen. Künftig müssen wir einen technologischen Spagat schaffen: Wie können wir einerseits die Selbstentscheider über diese Plattformen erreichen, gleichzeitig aber auch die Reichweite der Berater erhöhen, damit diese eine Breitenwirkung entfalten und auf ein breites Produktspektrum zurückgreifen können.

Welche Rolle spielt Künstliche Intelligenz (KI)?
Vollmer: Im Wholesale-Bereich ist KI für mich derzeit primär ein Steuerungsinstrument, mit dem sich vor allem Fragen zu Markt- und Anlegerverhalten analysieren lassen: Wie schnell entscheiden Kunden sich für oder gegen ein Produkt? Wie schnell entwickeln sich Trends in Asset-Klassen? Die Analyse der Reaktionsgeschwindigkeit ist für uns enorm wichtig, um vertrieblich reagieren zu können. Für mich ist KI in diesem Bereich vor allem eine Möglichkeit, große Datenmengen zu analysieren und daraus Trends zu erkennen.

Wie sehen Sie die Zukunft im Wholesale-Vertrieb?
Vollmer: Wenn ich den Wholesale-Vertrieb als beratenden Vertrieb definiere, dann wird es ihn noch relativ lange geben. Allein schon deshalb, weil noch enorme Geldbeträge auf Sparkonten liegen. Wären das alles Selbstentscheider, wären sie zum großen Teil bereits investiert – sind sie aber nicht. Sie brauchen Beratung. Auch die Generation der Babyboomer, die ganz gut vorgesorgt hat, wird noch sehr lange auf Berater zurückgreifen. Für uns ist es zunächst entscheidend, dass sich in Deutschland eine nachhaltige Aktienkultur entwickelt. Ob dann die Beratung auf Einzelfonds oder gemanagte Portfolios abzielt, ist zweitrangig. Es braucht zudem Berater, die keine Angst vor Technologie haben, sondern sie gezielt nutzen, um ihr Angebotsspektrum zu erweitern.

Letzte Frage: Was sind die Themen bei der DWS für dieses Jahr?
Vollmer: Im Einzelfondsvertrieb wird als Konzept vor allem das Thema „passives Einkommen“ relevant sein. Dafür haben wir für eine breite Auswahl an Fonds mit monatlich ausschüttenden Anteilklassen aufgelegt. Darüber hinaus fokussieren wir uns auf unsere Stärken: Dividendenstrategien, Total Return, globale Aktien und vermehrt auch wieder auf Rentenprodukte. Bei Letzteren vor allem auf Credit-Lösungen, die flexibel zwischen Investment Grade und High Yield allokieren können.

Interview: Frank O. Milewski, Cash.

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