In seinem aktuellen „Letter from the CIO“ erläutert Melman, warum sich der Markt derzeit sicher nicht in einer Blase befindet und warum das wirtschaftliche Umfeld für risikobehaftete Anlagen gut ist, die Liquidität aber knapper werden wird:
„Die Ergebnisse des vierten Quartals 2023 waren im Großen und Ganzen positiv, aber sie können solche außergewöhnlichen Renditen kaum rechtfertigen. Solche Gewinne sind normalerweise zu beobachten, wenn der Markt das Ende einer Rezession vorwegnimmt oder in Phasen wie der Internetblase von 1995 bis 2000. Da wir uns nicht in einer Rezession befinden, ist es natürlich verlockend, Parallelen zwischen dem Aufstieg der KI und der Internetblase zu ziehen.
KI-Wahn oder Wachstum?
Der Aktienkurs des KI-Stars Nvidia sieht gefährlich parabolisch aus, aber die Gewinne im vierten Quartal waren außergewöhnlich. Der KI-Hype und die Internetblase haben eines gemeinsam: massive Erwartungen an das Gewinnwachstum. Der Unterschied ist jedoch, dass es heute zumindest eine gewisse Gewinndynamik gibt, die den Hype rechtfertigt. Nvidia wird mit einem Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV) von 36 im Jahr 2024 gehandelt – ein ehrgeiziges, aber nicht unmögliches Ziel für eine wachstumsstarke Aktie. Und die Begeisterung für bestimmte Aktien ist viel selektiver als vor dem Jahr 2000. Selbst bei den ‚Magnificent 7‘ sind die Renditen so unterschiedlich, dass man sich fragen muss, ob sie nicht schon Geschichte sind. So ist beispielsweise selbst Tesla stark gefallen.
Fed-Fieber: Wie Zinsentscheidungen die Börsen beeinflussen
Ende Oktober, am Vorabend der Marktrallye, schlossen die Anleger eine letzte Zinserhöhung der Fed nicht aus. Heute stellt sich die Frage: Wann wird die Fed mit den Zinssenkungen beginnen? Die Aufwärtsbewegung an den Märkten hängt zum Teil auch mit der Wende der Notenbank zusammen. Das Zinssenkungsprogramm könnte moderater ausfallen als ursprünglich erwartet, aber eine Abwärtsbewegung scheint nicht in Frage zu stehen.
Auch wenn wir diese starke Marktrallye nicht extrapolieren können, handelt es sich also mit Sicherheit nicht um eine Blase. Aber ist eine Abwärtsbewegung der Märkte überfällig?
Chancen und Risiken für Risikoanlagen
Einerseits ist das wirtschaftliche Umfeld für risikobehaftete Anlagen günstig. Die US-Wirtschaft zeigt nach wie vor eine erstaunliche Dynamik, und die Chancen für eine Rückkehr zu normaleren Verhältnissen am Arbeitsmarkt stehen weiterhin gut. Die jüngsten Daten deuten sogar auf eine baldige Normalisierung der Wirtschaftstätigkeit hin. Die europäische Wirtschaft scheint weniger stark von einer Rezession bedroht zu sein, während die chinesische Wirtschaft zwar langsamer wächst, aber durch fiskalische Anpassungen vor einem Einbruch bewahrt wird. Umfragen der Zentralbanken unter den Geschäftsbanken deuten auf eine allmähliche Lockerung der Kreditbedingungen hin. Ein solcher Schritt wäre zu begrüßen, da die Kreditvergabe der Banken an die Wirtschaft leicht rückläufig ist. Nach den enttäuschenden Indikatoren im Januar sowohl in den USA als auch in Europa ist das Hauptrisiko, auf das wir uns jetzt konzentrieren müssen, ein Anstieg der Inflation.
Liquiditätsengpässe und der Tanz der Zentralbanken
Auf der anderen Seite wird die Liquidität knapper. Die quantitative Straffung (QT) ist im Gange, und die Overnight Reverse Repo Facility (ON RRP) der Fed, bei der die Banken Bargeld hinterlegen können, geht rasch zur Neige, wodurch ihre Fähigkeit, Liquidität bereitzustellen, stark eingeschränkt wird. Infolgedessen wird sie bald nicht mehr in der Lage sein, einen Teil der restriktiven Auswirkungen der QT auf die Liquidität auszugleichen.
Die Risikoprämie des US-Marktes ist stark gesunken, wenngleich auf ein Niveau, das nicht besonders beunruhigend ist; es zeigt lediglich, dass die langfristige Outperformance der Anleihemärkte wahrscheinlich unterdurchschnittlich ausfallen wird, ohne dass es dafür kurzfristig eindeutige Anzeichen gibt.
Wir halten an unserer neutralen Gewichtung der Aktienmärkte fest und bleiben bei den Anleihen übergewichtet. Allerdings haben wir unser Engagement in US-Treasuries reduziert, da wir dort ein höheres Inflationsrisiko sehen als in Europa.“