Bei einer Eigenbedarfskündigung muss immer abgewogen werden: Wiegt das Recht des Eigentümers schwerer oder das des Mieters. Ein hohes Alter von Mietern und eine lange Mietdauer können einer erfolgreichen Eigenbedarfskündigung im Wege stehen, wie eine Entscheidung des Landgerichts Berlin zeigt (Aktenzeichen: 67 S 345/18). Denn die Kündigung kann einen hochbetagten im Mieter in seiner Menschenwürde verletzen, wenn er am Wohnort tief verwurzelt ist.
In einem solchen Fall hat er keine konkrete und realisierbare Chance, seine private Existenz aufgrund einer autonomen Entscheidung anderen Ortes erneut und auf Dauer wieder aufzubauen, berichtet die Zeitschrift „Das Grundeigentum“ (Nr. 12/2021) des Eigentümerverbandes Haus & Grund Berlin.
Der verhandelte Fall
In dem verhandelten Fall hatte die Eigentümerin einer Wohnung ihren zwei betagten Mietern 2015 wegen Eigenbedarf gekündigt. Vor Gericht scheiterte sie damit mehrfach, legte aber immer wieder Berufung ein. In der Zwischenzeit verstarb der Ehemann der Mieterin, die mittlerweile 89 Jahre alt ist. Der Bundesgerichtshof schließlich verwies den Fall erneut an das Landgericht Berlin zur Entscheidung zurück.
Das Urteil: Das Mietverhältnis besteht fort, entschieden die Richter. Die Mieter befänden sich zum Zeitpunkt des Wohnungsverlustes bereits in einem hohen Lebensalter und seien zudem aufgrund des langjährigen Mietverhältnisses tief am Wohnort verwurzelt, hieß es zur Begründung. Die Folgen des Wohnungsverlustes seien für die Mieter schwerwiegend und verletze sie in ihren Grundrechten, die in Artikel 1 des Grundgesetzes niedergeschrieben sind.
Das Interesse der klagenden Eigentümerin habe in diesem Fall hinter den Rechten der Mieter zurückzustehen. Die beabsichtigte Eigennutzung der Wohnung sei nur auf bloßen Komfortzuwachs und die Vermeidung unerheblicher wirtschaftlicher Nachteile gerichtet. (dpa-AFX/IhreVorsorge)