Man muss kein Hellseher sein, um festzustellen, dass sich an der Finanzierung unserer Sozialsysteme etwas ändern muss, damit sie auch in Zukunft so leistungsstark und funktionsfähig bleiben, wie sie es heute sind. Dies gilt insbesondere für die Bereiche Gesundheit und Pflege. Die Hauptursache für die finanzielle Schieflage ist nicht nur offensichtlich, sondern auch seit Jahren bekannt: die demografische Entwicklung.
Während die sogenannte Alterspyramide in den 60er-Jahren noch den Titel „Pyramide“ tatsächlich verdient hatte, da der Anteil an Menschen in jungen Generationen höher war als der der Älteren, hat sich das Ganze in den letzten Jahrzehnten deutlich verschoben. Bereits im Jahr 2030 wird die zahlenmäßig stärkste Generation die der 60 bis 70-Jährigen sein.
Aktuell ist diese Generation, die sogenannten „Babyboomer“, auf dem Höhepunkt der Einkünfte ihres Erwerbslebens und zahlt somit die höchsten Beiträge in die gesetzliche Krankenversicherung (GKV) und die Soziale Pflegeversicherung (SPV) ein. Doch diese Jahrgänge und damit fast 13 Millionen Erwerbstätige wechseln bereits in den nächsten 15 Jahren in Rente. Dies entspricht nahezu einem Drittel aller Erwerbspersonen.
Da die nachfolgenden Jahrgänge nicht annähernd so geburtenstark sind, werden der deutschen Wirtschaft bald rund sechs Millionen Erwerbstätige verloren gehen. Mit Eintritt ins Rentenalter sinken das Einkommen und damit auch die Sozialbeiträge auf 50 bis 60 Prozent, dadurch reduzieren sich auch die Einnahmen der GKV innerhalb kürzester Zeit erheblich.
Neben diesem Einnahmenproblem spielen jedoch auch steigende Gesundheits- und Pflegekosten von immer mehr immer älteren Menschen eine große Rolle. Die GKV steht somit zugleich vor einem mindestens ebenso großen Ausgabenproblem.
Älterwerden kostet – Gesundheit hat ihren Preis
Die Lebenserwartung ist in den vergangenen Jahren kontinuierlich gestiegen. Die Corona-Pandemie hat diese Entwicklung zwar zeitweise unterbrochen, es ist jedoch damit zu rechnen, dass sie sich in den nächsten Jahren weiter fortsetzt. Trotz Corona hat die Zahl der mindestens 100-Jährigen in Deutschland laut Statistischem Bundesamt im vergangenen Jahr einen neuen Höchststand erreicht.
Neben verbesserten Lebensumständen spielt der medizinische Fortschritt hierbei eine entscheidende Rolle. Doch der kostet. Und gerade bei Menschen in höherem Alter ist der Preis der Gesundheit besonders hoch. Laut Bundesversicherungsamt liegen die GKV-Leistungsausgaben von Personen ab 70 Jahren bei rund 4.000 Euro pro Jahr und steigen danach rapide an auf rund 6.000 Euro (bei Frauen) beziehungsweise 7.000 (bei Männern).
Nach Berechnungen der Ökonomen Professor Thiess Büttner und Professor Martin Werding müssten die Beitragssätze für die Sozialversicherungen von den aktuell bereits ca. 40 Prozent auf bis zu 45 Prozent im Jahr 2030 ansteigen, um die Kosten zu decken.
Zugleich machen bestehende Leistungszusagen einen Anstieg der jährlichen Bundeszuschüsse von heute 144 Milliarden Euro auf 179 Milliarden Euro erforderlich. Soll die 40-Prozent-Grenze bei den Sozialversicherungsabgaben gehalten werden, müssten sogar 274 Milliarden Euro an Bundeszuschüssen aufgewendet werden.
Probleme auf Folgegenerationen verlagern? Nachhaltigkeit geht anders
Die Zeiten, in denen die GKV ihre Ausgaben allein aus den Beiträgen decken konnte, sind also vorbei. Bereits seit 2004 ist sie auf Bundeszuschüsse angewiesen. Ihre Finanzierung über das Umlageverfahren, in dem die aktuell Erwerbstätigen größtenteils die Kosten der Ruheständler mittragen, ist aus vielerlei Gründen limitiert.
Denn neben den Problemen, die aus der demografischen Entwicklung resultieren, hat eine Anhebung von Beiträgen und Zusatzbeiträgen eine Art Negativspirale zur Folge. Sie beeinträchtigt die Wettbewerbsfähigkeit deutscher Unternehmen in Zeiten von Inflation und Energiekrise noch weiter und schwächt die Kaufkraft der Bevölkerung, was wiederum negative Folgen für die Wirtschaft bedeutet.
Hinzu kommen die dauerhaften und steigenden Steuerzuschüsse zur GKV. Sie führen indirekt zu einer steigenden Staatsverschuldung. Da diese jedoch durch die in der Verfassung verankerte Schuldenbremse limitiert ist, bedeuten erhöhte Zuschüsse zur GKV letztlich einen Verteilungskampf zwischen Gesundheitskosten und anderen Themenfeldern wie beispielsweise Umweltschutz, Verkehr und Infrastruktur oder auch Bildung, an denen dann gekürzt werden müsste.
Die aktuelle Situation ist somit alles andere als nachhaltig. Vielmehr verlagert sie die heutigen Probleme auf die Schultern der nächsten Generationen, wo diese sich angesichts der oben geschilderten Zusammenhänge noch potenzieren. Ein echtes Umdenken ist also viel mehr gefragt als ein stures „Weiter so“ auf Kosten der jüngeren Generationen.
Das Rad muss nicht neu erfunden werden
Da die Umlagefinanzierung der Sozialversicherung den Kern des Problems darstellt, sind Lösungsansätze gefragt, die unabhängig von der demografischen Entwicklung sind. Die Private Krankenversicherung (PKV) setzt auf eben solch einen Ansatz. Hier sind die Beiträge so kalkuliert, dass die Versicherten über die Bildung von Alterungsrückstellungen sozusagen „für sich selbst“ Vorsorge für die steigenden Kosten im Alter treffen. Die Beiträge sind daher in jüngeren Jahren höher als die tatsächlich erwarteten Leistungsausgaben.
Der Differenzbetrag wird von den PKV-Unternehmen in professioneller Kapitalanlage angelegt. Diese Alterungsrückstellungen betragen inzwischen über 300 Milliarden Euro für die insgesamt etwa 8,7 Millionen versicherten Personen in der privaten Krankheitskostenvollversicherung. Für die rund 73 Millionen gesetzlich Versicherten wäre somit umgerechnet ein Vorsorgekapital von rund zwei Billionen Euro nötig, um die zukünftigen Kosten zu decken. Faktisch vorhanden ist jedoch nicht ein einziger Euro.
Es ist daher geboten, mehr Menschen in die kapitalgedeckte Absicherung zu bringen. Hierfür gibt es mehrere Ansätze. Die der klassischen privaten Zusatzversicherungen gehört dazu. Insbesondere im Bereich der Pflege, wo die Kostenexplosion bei älteren Jahrgängen noch höher ist als in der Krankenversicherung, sollten die Menschen motiviert werden, bereits frühzeitig über den Abschluss einer Zusatzversicherung mit dem Ansparprozess per Kapitaldeckung zu beginnen.
Ein weiterer Ansatz ist die verstärkte Förderung betrieblicher Vorsorge, nicht nur im Bereich der betrieblichen Krankenversicherung (bKV), sondern auch im Bereich der Pflege. Erste Modelle in Umsetzung hierzu gibt es bereits, wie das Leuchtturmprojekt „CareFlex“ in der Chemie-Branche. In der Privaten Kranken- und Pflegeversicherung wird also deutlich, dass es durchaus Lösungen gibt, die auf lange Sicht funktionieren und die das deutsche Gesundheitssystem finanziell stabilisieren können.
Verstärkte kapitalgedeckte Vorsorge kann die steigenden Kosten für jede Generation ausfinanzieren. Sie entlastet die Sozialkassen sowie die öffentlichen Haushalte und stabilisiert damit letztlich unser Gesundheitssystem. Anstatt über stetig steigende Finanzspritzen das Problem weiter zu verschleppen, sollte gezielt staatliche Förderung betrieben werden, um die Attraktivität privater Vorsorge zu steigern.
Dies bedeutet echte Nachhaltigkeit. Es ist noch nicht zu spät, wir alle können für mehr private Vorsorge eintreten, im Sinne einer lebenswerten Zukunft für folgende Generationen, für unsere Kinder und Enkel.