Ein Jahr nach dem Extremwetterereignis „Bernd“ zieht die Zurich Gruppe Deutschland Bilanz. Demnach starben durch die schweren Regenfälle und massive Überschwemmungen zwischen dem 12. und 19. Juli 2021 auf dem gesamten Kontinent über 230 Menschen. Deutschland hatte mit etwa 190 Opfern – 134 allein im Ahrtal – die höchste Zahl an Todesopfern zu beklagen, gefolgt von Belgien mit 42 Opfern, teilte der Konzern mit.
Die vorläufigen Schätzungen der gesamtwirtschaftlichen Schäden in den betroffenen Gebieten in ganz Europa variieren zwischen 40 und 50 Milliarden Euro. Für die Versicherungsbranche wurde dieses Ereignis als der größte Branchenschaden für 2021 gemeldet.
Die Schätzungen der versicherten Schäden gehen von zehn bis 13 Milliarden Euro für ganz Europa aus. Für Deutschland meldet der Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft rund 8,2 Milliarden Euro versicherte Schäden. Damit sei das Hochwasser 2021 die teuerste Katastrophe in Deutschland und die tödlichste seit rund 60 Jahren, so der Konzern.
Der Klimawandel allein ist nicht Ursache für Katastrophe
Im Zuge der Aufarbeitung der Katastrophe hat die Zurich eine umfassende Analyse zu den Ursachen erstellt: „Die Studie zeigt, dass ein unzureichendes Hochwasserverständnis, eine problematische Wiederaufbaustruktur sowie ungenügende Maßnahmen zur Risikoreduktion im Vorfeld einen entscheidenden Teil an der Katastrophe tragen“, sagt Horst Nussbaumer, Vorstandsmitglied der Zurich Gruppe Deutschland.
„Wer die Katastrophe allein auf ein unvorhersehbares Extremwetterereignis infolge des Klimawandels reduziert, gegen dessen Folgen man machtlos ist, verkennt die komplexe Realität“, so Nussbaumer weiter. Entstanden ist die Studie im Rahmen des Zurich Flood Resilience Programs, das mit mithilfe der PERC-Methode (Post Event Review Capability) weltweit regelmäßig große Hochwasserereignisse erforscht.
Extremwetterereignis „Bernd“ kein Worst-Case-Szenario
Nussbaumer, der für das Schadenressort des Versicherers verantwortlich ist, gibt zu bedenken, dass zu wenig aus dem Ereignis gelernt wird: „Das Extremweiterereignis ‚Bernd‘ war keineswegs die historisch größte Katastrophe – es war definitiv kein ‚Worst-Case-Szenario‘. Es ist nachweisbar, dass es in der Vergangenheit, beispielsweise im Jahr 1910 sogar höhere Pegelstände gegeben hat. Nur geraten Extremwetterereignisse offenbar zu schnell in Vergessenheit“, mahnt Nussbaumer.
Die historischen Erfahrungen hätten konsequenter in Bebauungs- und Flächennutzungspläne Einfluss finden müssen. Prävention sei hier der beste Weg. „Denn in den letzten einhundert Jahren wurden immer mehr Flächen versiegelt und die Bebauung rückte an vielen Orten dichter an den Flusslauf. Die entsprechenden Risiken müssen stärker Beachtung finde. Darüber hinaus sind das Schließen der Lücken im Katastrophenrecht, die Verbesserung der Koordination und die Standardisierung von Verfahren entscheidende Komponenten, um die Wirksamkeit künftiger Notfallmaßnahmen zu verbessern“, so der Schaden-Experte.
Die nächsten Katastrophen verhindern
Um die Auswirkungen künftiger Extremwetterereignisse zu begrenzen, müssen Frühwarnsysteme installiert, optimiert und auch gehört werden, fordert Nussbaumer. Dazu zähle auch, dass das Bewusstsein im Umgang mit Extremwetterereignissen schon im Grundschulalter geschärft werde.
Wichtig für die Bewusstseinsentwicklung ist zudem eine präzise Kommunikation: „Viele beschrieben das Extremwetterereignis als ein Ereignis, das ‚einmal in 100 Jahren‘ vorkommt. Eine statistische Zahl, die einige zu der Fehlinterpretation veranlasste, dass es in einem Jahrhundert kein weiteres Ereignis geben würde. In der Konsequenz hat dies die Notwendigkeit minimiert, einer erhöhten Widerstandsfähigkeit Priorität einzuräumen. Die Menschen müssen wissen: Wenn wir uns nicht vorbereiten, bereiten wir uns aufs Scheitern vor“, mahnt Nussbaumer.