Anfang März 2023 hat Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach im Interview mit der Frankfurter Allgemeinen Zeitung angekündigt, bis Ende 2024 die elektronische Patientenakte (ePA) verbindlich für die GKV einzuführen. Künftig sollen medizinische Informationen wie Röntgenbilder, Arztberichte, Laborwerte, Untersuchungsergebnisse oder Überweisungen digital gespeichert und auf einen Klick abrufbar sein. „Das sorgt im Krankheitsfall für eine schnellere und optimalere Versorgung“, zeigt sich Münchener Verein-CEO Reitzler überzeugt.
Damit die digitale Lösung sich auch in der GKV durchsetzt, plant Lauterbach eine Opt-out-Lösung. Heißt, wer nicht ausdrücklich widerspricht, erhält automatisch die elektronische Gesundheitsakte. Bleibt abzuwarten, ob sich die staatlich verordnete Digitalisierung damit auch in der Breite auf Gegenliebe stößt.
Eine Studie der Continentale Versicherungen zur Digitalisierung in der Medizin aus dem Dezember 2022 bescheinigt der ePA jedenfalls Potenzial. Knapp zwei Drittel der Bevölkerung würden diese nutzen. Im Vergleich zu 2019 stieg die Zahl der Befragten, die ein solches Angebot nicht nur eher, sondern sogar bestimmt nutzen würden, von 31 auf 41 Prozent.
„Die Digitalisierung hat in vielen Bereichen unseres Lebens Einzug gehalten und bereits einen festen Platz gefunden. Auch in der Gesundheitsversorgung“, konstatiert denn auch Signal Iduna Produktmanagerin Griese. „Wir sehen eine starke Entwicklung bei digitalen Applikationen und Service-Angeboten für Kunden“, bestätigt auch Hallesche Vorständin Pekarek.„Die meisten Tarife übernehmen zwischen 70 bis 90 Prozent der Behandlungskosten“
Besonders gewachsen ist der Continentale-Studie zufolge das Interesse an telemedizinischen Leistungen wie der Video-Sprechstunde. So können sich 43 Prozent der Befragten vorstellen, diese zu nutzen und so den Weg in die Praxis zu vermeiden. Das sind zwölf Prozentpunkte mehr als 2019. „Telemedizinische Angebote erweisen sich als krisenunabhängig und sind vor allem bei der jüngeren Zielgruppe beliebt. In diesem Segment rechnen wir weiterhin mit einer fortlaufenden Etablierung. Insbesondere wegen der schnellen Terminvergabe wird die Telemedizin gern angenommen“, sagt HanseMerkur-Vorstandsvorsitzender Sautter. Bei der Halleschen hat sich die Nutzung der Videosprechstunde im Vergleich zu 2020 sogar vervierfacht.
Sautter zeigt sich davon überzeugt, dass die Digitalisierung ihre größte Transformationskraft direkt in der Erlebniswelt der Kunden entfaltet. „Ob eine Blutdruck-Coaching-App, Online-Gesundheitsportal, individualisierte Tumortherapie durch computergestützte Biomedizin oder die ärztliche Videosprechstunde – digitale Produkte oder E-Health-Lösungen sind ein wesentlicher Schlüssel, um die Kunden dabei zu unterstützen, ihre Gesundheit zu erhalten. Kurzum: Digitalisierung ist der Schlüssel zu einer noch zielgerichteteren und zunehmend individualisierten Medizin“, sagt er.
Aktuell werde das deutsche Gesundheitswesen viel zu oft erst dann aktiv, wenn bereits ein Krankheitsfall vorliegt. „Wir sind davon überzeugt, dass Prävention und Früherkennung zu extrem starken Säulen werden müssen“, so der Vorstandsvorsitzende der HanseMerkur.
Auch Hallesche Vorständin Wiltrud Pekarek ist davon überzeugt, dass sich der positive Trend fortsetzen und digitale Angebote aus der Gesundheitsversorgung nicht mehr wegzudenken sind. „Wir stellen aber auch fest, dass rein digitale Services nicht immer die beste Option für Kunden sind. Die persönliche Betreuung, gerade bei schwerwiegenderen Erkrankungen, wird auch künftig relevant bleiben. Deshalb schätzen wir hybride Services als zukunftsweisend ein. Idealerweise können die Nutzer dabei frei wählen, ob sie digital, persönlich oder in einer Kombination aus beidem unterstützt werden möchten.“