Wie schlagen sich die aktuellen wirtschaftlichen und politischen Unsicherheiten und die immer noch hohe Inflation in der betrieblichen Vorsorge nieder?
Birken: Als Hallesche Krankenversicherung sind wir in der sehr glücklichen Position, dass wir auch in den letzten zwei Jahren keine Rückgänge der Absatzzahlen bemerkt haben – ganz im Gegenteil. Die bKV macht mittlerweile mehr als ein Viertel des Gesamtumsatzes der Hallesche aus. Darauf sind wir stolz und es macht Spaß, wie unsere Vermittler mit uns zusammenarbeiten und Kunden davon überzeugen.
Böwing: Wir hatten die Befürchtung, dass die Corona-Pandemie, die wirtschaftlichen Folgen und der Ukraine-Krieg unseren Umsatz stark einschränken. Das war nicht der Fall. Trotz des schwierigen Marktumfelds hat die Alte Leipziger Lebensversicherung sehr erfolgreiche Jahre hinter sich, und im Neugeschäft sind wir in der bAV mittlerweile zur Nummer 3 am Markt angewachsen. In den letzten Jahren hat das Neugeschäft der Leben kontinuierlich bei über 100 Millionen Euro laufendem Beitrag gelegen. Mittlerweile ist davon etwa jeder zweite Euro für die betriebliche Altersversorgung. In den letzten Jahren haben wir uns insgesamt auf Platz 6 der größten Lebensversicherer vorgekämpft. Unser Ziel ist es, die Marktstellung auszubauen.
Baumüller: Wir hatten in der bAV am Anfang der Pandemie einige Beitragsaussetzungen. Das hat sich komplett in Luft aufgelöst. In der bKV wächst der Markt. Logischerweise, weil es ihn vorher nicht gab. Am 1. Januar 2022 hatten wir das erste bKV-Kollektiv. Mittlerweile bin ich ein riesengroßer bKV-Fan. Für uns ist sie ein guter Markteinstieg. Gesundheitsvorsorge ist viel attraktiver und einfacher zu platzieren. Wir haben einige reine bKV-Mandate. Aber in der Regel bieten wir zuerst die bKV an und ziehen dann die bAV hinterher. Es war für mich in den zwölf Vertriebsjahren noch nie so schön, mit Kunden zu sprechen, wie über die Gesundheitsvorsorge.
Herr Guse, läuft der Markt wirklich so rund, wie gerade skizziert?
Guse: Wir erleben es in der Kanzlei auch so. Wir haben in der Pandemie eine kurze Verunsicherung verspürt. Das dauerte aber nicht länger als sechs Monate. Dann ging es wieder aufwärts, jedenfalls mit der bAV. 2019 und 2020 hatten wir in der bKV eine oder zwei Versorgungsordnungen. In 2021 lagen wir bereits im deutlich zweistelligen Bereich. Die bKV stößt auf Gegenliebe.
Böwing: Frau Birken und ich arbeiten gemeinsam in der Taskforce Betriebliche Fürsorge, weil die ALH Gruppe die Themen bAV und bKV noch mehr vernetzen möchte als in der Vergangenheit. In Gesprächen bei Arbeitgebern habe ich gemerkt, dass das Interesse und die Neugier an der bKV ganz anders ist als in der bAV. Für viele Unternehmen ist die bKV noch etwas Unbekanntes. Was Herr Baumüller sagte, kann ich daher sehr gut nachvollziehen: Mit der bKV loslegen und dann mit der bAV nachlegen. Es ist eine riesige Chance, beide Welten miteinander zu verknüpfen.
Wie groß ist angesichts der aktuell wirtschaftlich schwierigeren Situation der Aufwand für die Gespräche oder die Gesprächsanbahnung?
Baumüller: Der Unternehmer kann sich gar nicht leisten, das zu sparen, weil sie froh sind, wenn sie überhaupt noch Mitarbeiter bekommen. Das geht vom Friseur über Pflege bis in die Industrie. Wir haben hier in Herzogenaurach 15.000 Einwohner und 20.00 Arbeitsplätze. Da kämpft jeder. Der eine will zu Adidas, der andere will zu Schaeffler, der andere will zu Puma, und wir als Valuniq wollen vielleicht auch noch einen Mitarbeiter. Sicherlich möchte jeder sparen: Aber bei dem Mitarbeiterthema ist allen klar, was es kostet, weil die Firma ansonsten nicht mehr überlebensfähig ist.
Böwing: Der Aufwand hat sich aus meiner Sicht nicht großartig geändert, die Kommunikation in den letzten Jahren hingegen schon. Es ist deutlich günstiger, Geld für gute Benefit-Konzepte in die Hand zu nehmen, als keine Mitarbeiter zu bekommen oder sie zu verlieren. Dies wird immer mehr verstanden. Man muss den Unternehmen vor Augen führen, dass im Verhältnis zur Lohn- und Gehaltssumme, die ein Mitarbeiter oder eine Belegschaft „kostet“, das Thema Benefits kostenseitig der berühmte Tropfen auf den heißen Stein ist, der Effekt jedoch ungleich höher. Wenn ein Mitarbeiter 3.000 oder 3.500 Euro brutto verdient, kann man mit zwei bis drei Prozent von diesem Gehalt ein hervorragendes Benefit-Konzept mit bAV und bKV zusammenstellen. Wenn man das den Unternehmen verständlich erklärt, dann merken sie es.
Das klingt nach Informationsdefiziten. Was erleben Sie in Beratungsgesprächen?
Birken: Das ist unterschiedlich. Was ich aber ganz besonders bemerke, ist, woher die Firmen die Informationen beziehen. Natürlich bekommen sie die Impulse durch unsere Geschäftspartner, also die Vermittler, die Versicherungsberater oder die Hausbank. Wir merken aber auch, dass die Impulse nicht nur aus der Schiene Finanzdienstleistungen kommen, sondern dass sich Arbeitgeber auch durch Eigenrecherche informieren: Weil sie nach Benefit-Konzepten suchen, weil sie den Krankenstand verringern wollen, oder durch Personalermessen bzw. Unternehmerstammtische Informationen bekommen haben. Und was wir immer häufiger bemerken: Der Impuls kommt auch aus der Belegschaft heraus. Das Thema wird immer präsenter.
Böwing: Aus bAV-Perspektive ist das für mich der Hauptgrund, warum bei KMU die Verbreitung immer noch stockt. Selbst das Betriebsrentenstärkungsgesetz, was aus meiner Sicht gute Rahmenbedingungen geschaffen hat, ist vielen kleinen und mittleren Unternehmen immer noch nicht bekannt. Und – das ist vielleicht noch aussagekräftiger – auch vielen Vermittlerinnen und Vermittlern nicht, die, selbst wenn sie keine Spezialisten sind, sicher einen engeren Bezug zur betrieblichen Altersversorgung haben. Wenn die es nicht wissen, wie sollen es dann die kleinen mittelständischen Unternehmen wissen? Es fehlt an qualifizierten bAV-Beraterinnen und Beratern, die dieses Thema auf die Straße bringen, den Firmen die Angst davor nehmen und sagen: Die betriebliche Altersversorgung ist ein Riesenmehrwert für euch.
Wenn ich Sie richtig verstanden habe, fehlt es an qualifizierten Vermittlerinnen und Vermittlern, um das Thema bAV und bKV in die Breite zu bringen?
Baumüller: Früher hat jeder alles vertrieben. Wir hier bei Valuniq Pension Consulting sind ein Beratungshaus für betriebliche Versorgung. Wir sind hier in Herzogenaurach zwölf Mitarbeiter und kümmern uns ausschließlich um das Thema rund um die betriebliche Versorgung. Bei uns gibt es keine Privatkunden – diese betreuen wir professionell über unsere Muttergesellschaft – der VALUNIQ AG und deren Finanzberater. Ich glaube, da trennt sich natürlich auch die Spreu vom Weizen in der bAV und in der bKV. Ich bin der felsenfesten Überzeugung – und ich komme aus der Ausschließlichkeit –, dass ein Ausschließlichkeitsvermittler ein großes bAV-Kollektiv nicht verwalten kann. Da braucht es einfach Spezialmakler.
Guse: Ich glaube, dass das nicht ausreicht. Wenn wir ehrlich sind, ist die Hürde relativ hoch, ein kompetenter Vermittler zu werden. Weil man eine entsprechende Ausbildung durchlaufen muss. Das heißt, da wird eine Menge investiert. Und dann unterscheiden wir zwei Arten von Vermittlern und Maklerinnen. Es gibt Maklerinnen und Makler und Vermittler, die immer wieder zu uns kommen und sagen: „Herr Guse, wir benötigen eine Versorgungsordnung.“ Dann gibt es noch bAV-Spezialisten, die bei Gelegenheit auftauchen. Wir haben uns gefragt, warum das so ist? Und es hat sich etwas sehr Interessantes herauskristallisiert. Es gibt bAV-Vermittler und -Maklerinnen, die verstehen sich als Berater. Die unter Umständen eine Unterstützungskasse erklären und dass es diese als pauschal dotiert und als rückgedeckte gibt. Und dann gibt es diejenigen, die verstehen sich als Verkäufer. Und sagen, die bAV ist nicht immer transparent, aber ich habe transparente Lösungen. Und diese Vermittler verkaufen, wenn es irgend geht, immer die gleiche Lösung. Ich halte das nicht für unseriös. Interessanterweise sind das die Vertriebler, die besser zum Abschluss kommen, zu einer besseren Durchdringung. Wir erstellen, bevor wie eine Versorgungsverordnung schreiben, immer einen Analysebogen. Anfangs haben wir dort alles notiert, was der Kunde möchte. Inzwischen geben wir drei Systeme vor. Wir haben auch noch ein viertes. Aber wir sprechen bei der bAV von einem Massengeschäft. Und das findet in der Direktversicherung statt. Da braucht es oft nur eine Entgeltumwandlung. Darüber hinaus können wir jederzeit auch noch über andere Durchführungswege nachdenken. Ich finde es extrem wichtig, dass das Thema bAV einerseits auf hohem Niveau beraten werden kann, dass man aber andererseits gerade bei Lösungen rund um die Entgeltumwandung mit gesetzlichem Arbeitgeberzuschuss und vielleicht noch einer Arbeitgeberleistung transparente und einfache Lösungen anstrebt.
Böwing: Wir bieten bei der Alte Leipziger Inhouse Vertriebspartnern die Ausbildung bAV-Experte bzw. bAV-Expertin in Zusammenarbeit mit der DVA an. Und zu Beginn der Veranstaltung betone ich immer, wie wertvoll Fachwissen in der bAV ist, wenn dieses mit vertrieblichem Know-how gepaart wird. Beides zusammen ist am Versicherungsmarkt leider äußerst selten anzutreffen. Häufig werden die Firmenkunden mit Fachwissen überfrachtet. Qualifizierte bAV-Vermittler und Vermittlerinnen sind aus meiner Sicht diejenigen, die beides haben. Nur Fachwissen oder verkäuferisches Talent bringen selten die notwendigen PS auf die Straße. Und wie Sie gesagt haben, Herr Guse: Wir haben auch Vertriebspartner, die mit gewissen festen Modellen arbeiten und damit sehr erfolgreich sind.
Baumüller: Ich habe eine Mitarbeiterin, die das sehr gut kann, und ich bin da bei Ihnen. Die ältere Generation der bAV-Experten sind oft mit hochkomplexen Konzepten zum Kunden gegangen. Ich habe einen alteingesessenen Betrieb als Kunden, wo sie, wenn sie die vorhandenen individuellen bAV-Konzepte sehen, den Kopf schütteln. Da gibt es so viele Fallstricke. Wir müssen den Vertrieb systematisch angehen, um schlank und zügig Unternehmen aufzuschließen. Und den Mitarbeitenden überhaupt die Option einer bAV-Versorgung zu geben. Es gab neulich eine Deloitte-Studie, warum die Mitarbeitenden keine bAV abschließen. Weil sie es nicht wissen. Es ist keine Frage des Geldes. Bei einem Arbeitgeberzuschuss von 50 Prozent in der bAV sagen 37 Prozent Arbeitnehmer, dass die bAV für sie attraktiv ist. Wir haben viele Konzepte mit 50 Prozent, aber das ist nicht der Markt.