Fazit: Alles in allem profitieren die Lebensversicherer von der eingeleiteten Zinswende. So sind noch in diesem Jahr Rückflüsse aus der Zinszusatzreserve (ZZR) zu erwarten. Dem gegenüber steht jedoch eine geminderte Ertragskraft aufgrund von deutlichen stillen Lasten in den Kapitalanlagebeständen.
Zinswende ist da
Nachdem das allgemeine Zinsniveau bereits Ende 2021 einen leichten Aufwärtstrend aufwies, läutete die Europäische Zentralbank (EZB) 2022 als Reaktion auf die Rekord-Inflation im Euroraum auch offiziell die Zinswende ein. In mehreren Schritten erhöhten die Notenbanker seitdem den Leitzins auf aktuell 2,50 Prozent. „Insgesamt profitiert die Lebensversicherungsbranche von den höheren Zinsen“, kommentiert Lars Heermann, Bereichsleiter Analyse und Bewertung bei Assekurata, die neuen Rahmenbedingungen. Dennoch hätten sich die meisten Versicherer sicherlich einen weniger raschen Anstieg gewünscht, so Heermann.
Erste Rückflüsse aus der ZZR bereits ab 2022
Ein Grund zur Freude dürfte bei der Betrachtung der Belastungen aus den Garantieverpflichtungen herrschen. „Die extrem niedrigen Zinsen der vergangenen Jahre trafen die Lebensversicherer ertragsseitig besonders bei der Erfüllung der Altgarantien in den Beständen“, blickt Lars Heermann zurück.
Bereits seit 2011 müssen die Lebensversicherer daher eine Zinszusatzreserve (ZZR) bilden, die bis Ende 2021 marktweit auf gut 96 Milliarden Euro angewachsen ist. Aufgrund der deutlich höheren Marktzinsen bleibt der zur ZZR-Berechnung geltende Referenzzins für 2022 stabil bei 1,57 Prozent, was aus Sicht der Studienautoren in diesem Jahr erste Rückflüsse aus der ZZR von branchenweit etwa drei Milliarden Euro zur Folge hat.
Um die Anforderungen der ZZR auch für die kommenden Jahre abschätzen zu können, haben die Analysten in der EKG-Studie die ZZR-Entwicklung für verschiedene Zins-Szenarien bis 2035 hochgerechnet.
Im Falle eines weiteren Zinsaufschwungs bis 3,00 Prozent bliebe der Referenzzins auch in den kommenden Jahren stabil und würde ab 2028 erstmals ansteigen. Dies würde die Dynamik beim Abbau des ZZR-Bestandes zusätzlich beschleunigen (siehe Abbildung).
„Der Grund, weshalb auch bei einem zunächst gleichbleibenden Referenzzins die ZZR weiter abgebaut wird, liegt in der Bestandsstruktur der Lebensversicherer“, erklärt Heermann. „So ist der Effekt des sukzessive auslaufenden Altbestandes größer als der jährlich neu berechnete Zuführungsbedarf zur ZZR.“
Zinsanstieg sorgt kurzfristig für hohe stille Lasten
Beim Kapitalanlageertrag können die Lebensversicherer allerdings nur bedingt von den steigenden Zinsen profitieren, da sie zunächst mit einem deutlichen Marktwertverlust der Zinsanlagen in ihren Büchern konfrontiert sind.
Während die zur Finanzierung der ZZR benötigten Bewertungsreserven Ende 2021 aufgrund des Niedrigzinsumfelds noch ein Niveau von rund 150 Milliarden Euro aufwiesen, geht Assekurata aufgrund des Zinsanstiegs davon aus, dass die Brache im Saldo derzeit stille Lasten von circa 50 Milliarden Euro aufweist.
Rentabilität und Überschüsse dürften auf lange Sicht steigen
Da die stillen Lasten im Wesentlichen auf die festverzinslichen Anlagen zurückzuführen sind, sind bei rein zinsinduzierten Wertveränderungen keine Abschreibungen notwendig, da Lebensversicherer als Langfristinvestoren üblicherweise mit Buy-and-Hold-Strategien agieren.
Die Kehrseite ist, dass stille Lasten die Ertragsflexibilität mindern und grundsätzlich dem Risiko ausgesetzt sind, dass sie doch realisiert werden müssen, beispielsweise wenn Kunden im großen Stil ihre Verträge kündigen oder aufgrund von Bonitätsverschlechterungen der Emittenten Abschreibungen nötig sind.
Parallel zum Wegfall des ZZR-Zuführungsbedarfs geht Assekurata für 2022 von einem deutlichen Rückgang der Nettoverzinsung auf durchschnittlich 2,40 Prozent aus, nachdem sie 2021 noch bei 3,58 Prozent gelegen hat.
„Auf lange Sicht dürften die Versicherer durch den Zinsanstieg jedoch in der Lage sein, in der Neu- und Wiederanlage wieder stärker in rentablere Papiere zu investieren, frei werdende ZZR-Mittel in die Rückstellung für Beitragsrückerstattung (RfB) einzustellen und letzten Endes auch wieder deutlich höhere Überschussbeteiligungen für die Kunden zu gewähren“, prognostiziert Heermann.
EKG-Quote spiegelt individuelle Unterschiede wider
Die Ausgangslage dafür ist aber je nach Unternehmen sehr unterschiedlich, wie sich anhand der Ertragskraft-Garantie-Quote (EKG-Quote) zeigt. Versicherer mit einem zinsunabhängigeren Geschäftsprofil und einer stärker diversifizierten Kapitalanlage weisen in der Regel höhere Kennzahlenwerte auf als traditionelle kapitalbildende Anbieter.
„Bereits 2021 sind durch den Rückgang der Bewertungsreserven die EKG-Quoten vieler Unternehmen zurückgegangen“, fasst Heermann die Studienergebnisse zusammen.
„Mit Blick auf das gestiegene Zinsniveau und die ausfinanzierte ZZR lässt sich jedoch auch eine gegenläufige Entwicklung erkennen, da die Rechnungszinsanforderungen deutlich entlastet werden. Dieses Gesamtbild wird sich 2022 weiter festigen.“