„Für viele waren es die Bilder des Jahres 2021: Häuser ohne Fassade in der Eifel, wie Kartenhäuser zusammengestürzte Fachwerkgebäude im Ahrtal, überschwemmte Keller. Auch für mich – denn ich war mit unseren Außendienstpartnern im Ahrtal unterwegs. Hinzu kommt, dass mehr als 180 Menschen durch die Flut ihr Leben verloren haben. Hochwasser, Starkregen und Überschwemmungen, die Tief „Bernd“ im Juli 2021 gebracht hat – sie haben Spuren hinterlassen.
Blickt man auf die materiellen Schäden, so war die Flut die teuerste Naturkatastrophe aller Zeiten auf dem europäischen Kontinent. Allein in Deutschland wird das Ausmaß der Schäden auf 32,9 Mrd. Euro und das der versicherten Schäden auf mehr als 9 Mrd. Euro geschätzt.
Über Weihnachten 2023 traten in Nord- und Mitteldeutschland viele Flüsse über die Ufer, dabei entstand ein Schaden von schätzungsweise 200 Millionen Euro. Ähnlich verheerend war laut vorläufiger GDV-Prognose das Hochwasser im Saarland und Rheinland-Pfalz über die Pfingstfeiertage. Und nun sehen wir das dritte Ereignis in wenigen Monaten: Bayern und Baden-Württemberg sind von Starkniederschlägen, Überschwemmungen und Deichbrüchen betroffen.
2021 war kein Ausnahmejahr, sondern Teil eines schon länger zu beobachtenden Trends – wie das aktuelle Jahr deutlich belegt. Da sind die Prognosen der Klima- und Wetterforscher eindeutig. Laut einer Analyse der Naturgefahrenstatistik der Munich Re hat sich die Anzahl schwerer Unwetter in Deutschland und Europa seit 1980 verdoppelt, weltweit sogar verdreifacht. 2021 war das teuerste Naturgefahrenjahr für deutsche Versicherer seit Beginn der statistischen Aufzeichnung Anfang der 1970er Jahre.
Viele der extremen Unwetterereignisse gehörten zu jenem Teilbereich, der durch den Klimawandel häufiger oder schwerer werde. Dazu zählen neben Starkregen und Hochwasser in Europa ebenso schwere Gewitter in den USA.
Die Gefahr wächst weiter. Bei Hurrikans erwartet die Wissenschaft, dass der Anteil der starken Stürme gepaart mit extremen Niederschlägen zunimmt. Nach einer internationalen Analyse unter Federführung des Deutschen Wetterdienstes (DWD) ist die Wahrscheinlichkeit extremer Regenfälle im Westen Europas wegen der gestiegenen Durchschnittstemperaturen schon jetzt um das 1,2- bis 9-fache gestiegen.
Neben der Häufigkeit habe auch die Intensität extremer Niederschläge um 3 bis 19 Prozent zugenommen. Und der Trend wird sich noch verstärken, so die Prognose: Wahrscheinlichkeit und Intensität von Starkregen steigen weiter.
Viele Hausbesitzer glauben, Sie seien umfassend versichert
Und trotzdem scheint das Thema für manchen weit weg zu sein. Viele Hausbesitzerinnen und -besitzer sind auch nach „Bernd“ immer noch nicht ausreichend versichert. Zwar wurden laut GDV im dritten Quartal 2021 etwa 400.000 Versicherungen für erweiterten Elementarschutz abgeschlossen – zuvor lag die Zahl der Abschlüsse je Quartal bei 50.000 bis 100.000.
Aber für die Hälfte der Gebäude gilt nach wie vor: Sie sind nicht gegen Extremwetterschäden versichert. Selbst in den Bundesländern Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz, die von der Sommerflut am stärksten betroffen waren, sind die Quoten nicht in einem Maß gestiegen, wie man es hätte vermuten können.
Aufklären, anstatt nach der Versicherungspflicht zu rufen
Warum das so ist? Viele Hausbesitzer gehen fälschlicherweise davon aus, ihr Zuhause sei gegen Naturgefahren aller Art geschützt. Bei manchem ist vielleicht auch der Eindruck entstanden, dass der Staat einspringen würde. Zwar konnten die Staatshilfen im Anschluss an die Sommerflut in einigen Fällen für Entlastung sorgen. Aber verlassen sollten sich Hausbesitzer darauf keinesfalls.
So ist es kaum verwunderlich, dass der Ruf nach einer Versicherungspflicht gegen „weitere Naturgefahren“ immer lauter wird. Aber eine Verpflichtung birgt eben auch Nachteile. Wohnen würde pauschal teurer werden. Außerdem könnte eine deutschlandweite Rundumabsicherung dazu führen, dass öffentliche Prävention gegen Elementarschäden heruntergefahren wird.
Der Vorschlag der Bund-Länder-Arbeitsgruppe sieht aktuell eine Angebotspflicht auch für bestehende Altverträge vor. Es fehlen jedoch Anreize für Prävention und Klimafolgenanpassung. Was ist zu tun? An erster Stelle steht die Verbesserung des technischen Hochwasserschutzes mit mehr Überflutungsflächen, sicheren Deichen und einer Anpassung der Kanalisation. Und dies grenzüberschreitend in ganz Europa. Gleichzeitig besteht die Notwendigkeit gegen die weitere Erwärmung der Atmosphäre vorzugehen.
Als Branche plädieren wir für die Freiwilligkeit. Und wir sollten es als unseren Auftrag verstehen, Hauseigentümer aktiv über Deckungslücken beim Schutz gegen Extremwetter aufzuklären.
„GK 4“ gemäß Zonierungssystem ZÜRS muss versicherbar sein
In der Vergangenheit war es für manche Eigentümer schwierig, ihren Haushalt oder ihr Wohngebäude gegen weiterte Naturgefahren zu versichern. Wohnten sie gemäß dem vierstufigen Zonierungssystem ZÜRS des GDV in GK 4-Gebieten, also der höchsten Gefährdungsklasse, konnte Versichern unmöglich werden.
Aber hier hat die Branche mehrheitlich längst nachjustiert. Wir bei Ergo machen schon seit 2014 allen Hausbesitzern ein Angebot, egal wo sie wohnen und welche Gefährdungsklasse vor Ort gilt. Wir bieten standardisierte tarifliche Lösungen, auch für Risiken mit Vorschäden.
Viele fürchten den Preis. Aber der Beitrag ist nicht exorbitant hoch. Häufig ist das Versichern einer Immobilie gegen Extremwetter ebenso teuer wie die Vollkaskoversicherung für ein Auto. Dabei ist der Wert des Hauses deutlich höher und ein Schaden kann im schlimmsten Fall die Existenz bedrohen.
Als Branche haben wir gute Argumente und Angebote für Hauseigentümer. Wir müssen die Menschen aufklären, Risiken aufzeigen und Lösungen anbieten.“
Der Autor ist Vorstandsvorsitzender der Ergo Versicherung AG