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Elternunterhalt in der Pflegeversicherung: Worauf es ankommt und wie der Staat rechnet

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© Bildagentur PantherMedia / stadtratte
Die Pflege von Eltern kann sowohl emotional als auch finanziell belastend sein. Es ist wichtig, sich frühzeitig mit den rechtlichen und finanziellen Aspekten auseinanderzusetzen.

Wenn die Eltern zum Pflegefall werden, müssen die Kinder dafür unter gewissen Umständen finanziell aufkommen. Worauf es dabei ankommt, wie der Staat rechnet und welche Belastungen auf Familien zukommen können. Von Sabine Brandl, Ergo Rechtsschutz Leistungs-GmbH

Für viele ältere Menschen ist der Gang in ein Pflegeheim eine schwere Entscheidung – auch wenn es medizinisch sinnvoll ist. Manche fürchten um ihre Selbstständigkeit. Andere sorgen sich darum, wie die teure Pflege finanziert werden kann. Diese Sorge ist berechtigt. Die Pflegekosten plus Unterkunft, Verpflegung und möglichen Zusatzkosten sind in der Regel höher als der Zuschuss aus der gesetzlichen Pflegekasse. Das lässt sich bei Pflegegrad 1 oder 2 vielleicht noch aus Rücklagen der Eltern finanzieren.

Doch je höher der Pflegegrad, desto teurer wird es. 2023 mussten Bewohner in Pflegeheimen monatlich im Schnitt 2.576 Euro Eigenbeteiligung zahlen. Je mehr Jahre sie dort lebten, umso günstiger wurde es. Aber auch nach mehr als drei Jahren waren es noch 1.750 Euro. Diese finanziellen Belastungen stellen viele Familien vor große Herausforderungen, insbesondere wenn die finanziellen Mittel der Eltern begrenzt sind und keine ausreichenden Rücklagen vorhanden sind.

Kinder in der Pflicht

Denn Kinder sind als Verwandte ersten Grades gesetzlich dazu verpflichtet, ihre bedürftigen Eltern finanziell zu unterstützen. Die beiden Voraussetzungen, unter denen Kinder für den Unterhalt Ihrer Eltern aufkommen müssen: die Einkünfte der Eltern, deren Rücklagen oder Immobilien reichen nicht mehr für den laufenden Lebensunterhalt aus und auch der eine Ehepartner kann nicht mehr für den anderen finanziell sorgen.


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Kann ein Elternteil seine Pflegeheim-Rechnungen nicht mehr zahlen, übernimmt zunächst das örtliche Sozialamt die Kosten. Auf das Sozialamt geht der Rechtsanspruch, den die Eltern gegenüber ihren Kindern haben, dann auch über. Die Kinder wundern sich oft über die Post des Sozialamtes und fragen sich, ob sie tatsächlich dem Amt gegenüber Ihre Einkommenssituation offenlegen müssen. Gut, wenn man dann eine Rechtsschutzversicherung hat, deren Beratungsservice einem auch in diesem Fall gut weiterhelfen wird.

Sozialamt greift durch

Doch die Behörde hat den Auftrag, sich dieses Steuergeld von den Kindern der Betreuten zurückzuholen. Bis 2019 kannten die Ämter dabei kein Pardon. Noch dazu hatten sie bundesweit sehr unterschiedliche Forderungen. In der Regel bedeutete dies, je ärmer die Gemeinde war, desto konsequenter hat sie sich das Geld von den Kindern zurückgeholt. Denen blieb nur noch ein niedriger Selbstbehalt. Weil das zu vielen Klagen gegen die Sozialämter geführt hat, justierte der Gesetzgeber nach. Seit 2020 gilt das sogenannte Angehörigen-Entlastungsgesetz. Das schränkt den Zugriff der Ämter auf das Vermögen der Kinder massiv ein.

Dieses Gesetz war ein bedeutender Schritt, um die finanzielle Belastung der Kinder zu reduzieren und ihnen einen größeren finanziellen Spielraum zu lassen. Es wurde eingeführt, um den Druck auf die Familien zu verringern und sicherzustellen, dass sie nicht unverhältnismäßig für die Pflegekosten ihrer Eltern aufkommen müssen. Dies trägt dazu bei, dass Familien nicht in eine finanzielle Notlage geraten, während sie gleichzeitig versuchen, ihren Eltern die bestmögliche Pflege zukommen zu lassen. Die Regelung schafft mehr Klarheit und Fairness im Umgang mit den finanziellen Verpflichtungen.

So wird gerechnet

Seitdem gilt: Eigene und adoptierte Töchter und Söhne sind erst ab einem eigenen Jahresbruttoeinkommen von 100.000 Euro zum Elternunterhalt verpflichtet. Geschwister haften anteilig nach ihren Leistungsmöglichkeiten. Stiefkinder sind davon nicht betroffen. Auch Schwiegerkinder müssen nicht für Schwiegereltern zahlen. Kinder, die bereits eine Person pflegen, sind vom Elternunterhalt ausgenommen.

Die Einkommensberechnung erfolgt in zwei Schritten. Zunächst ermittelt das Amt das bereinigte Nettoeinkommen der vergangenen zwölf Monate. Dazu zählen außer Lohn- oder Gehaltszahlungen auch alle anderen Geldquellen, etwa Mieteinnahmen oder Zinserträge aus Kapitalanlagen. Von den summierten Zahlungseingängen eines Jahres werden dann bestimmte Kosten abgezogen. Das können Unterhaltsleistungen sein, private Altersvorsorge oder bestimmte Kreditverpflichtungen. Muss eine Person schon Unterhalt für Kinder oder einen Ex-Partner leisten, sind die vorrangig gegenüber dem Elternunterhalt. Auch ein Selbstbehalt steht den Unterhaltspflichtigen weiterhin zu. Wie hoch der ist, richtet sich nach den individuellen Lebensverhältnissen.

Ein Eigenheim rührt der Staat nicht an, aber das Wohnen im Eigenheim fließt als geldwerter Vorteil in die Rechnung ein. Erst wenn unterm Strich dann noch Einkünfte über 100.000 Euro im Jahr bestehen, sind Tochter oder Sohn zahlungspflichtig. Das über diese Summe hinausgehende Einkommen kann zur Hälfte für den Elternunterhalt herangezogen werden.

Drücken gilt nicht

Wer den Einkünftenachweis verschleppt oder verweigert, muss von den Sozialämtern vor dem Familiengericht auf Zahlung verklagt werden. So will es das Gesetz. Auch die Arbeitszeit zu reduzieren, um der Unterhaltspflicht zu entgehen, ist keine gute Idee. Dann schätzt das Amt, was Tochter oder Sohn verdienen könnten, so sie denn ihre Arbeitskraft im Rahmen ihrer Möglichkeiten vollständig einsetzen würden.

Sabine Brandl, Ergo: „Eine offene Kommunikation und eine frühzeitige Planung können dazu beitragen, den Übergang in eine Pflegesituation reibungsloser zu gestalten und die finanzielle Belastung zu minimieren“ Bild: Ergo

Sinnvoller ist es, den Lebensunterhalt der Eltern frühzeitig etwa durch eine private Pflegeversicherung abzusichern. Je nach vereinbarter Auszahlungshöhe kann damit die Lücke zu den Pflegeheimkosten – oder zumindest ein großer Teil davon – geschlossen werden. Wer mit dem Sozialamt über die korrekte Höhe des zu ermittelnden Einkommens streitet, kann dabei durch eine Rechtsschutzversicherung unterstützt werden.

Zusätzlich sollten Familien frühzeitig über die finanzielle Absicherung im Alter nachdenken. Eine umfassende Beratung zu Pflegeversicherungen und Vorsorgemöglichkeiten kann helfen, spätere finanzielle Engpässe zu vermeiden. Auch das Gespräch mit den Eltern über deren finanzielle Situation und mögliche Vorsorgemaßnahmen ist sinnvoll, um gemeinsam eine tragfähige Lösung zu finden.

Vorbereitung für den Fall der Fälle

Die Pflege von Eltern kann sowohl emotional als auch finanziell belastend sein. Es ist wichtig, sich frühzeitig mit den rechtlichen und finanziellen Aspekten auseinanderzusetzen, um im Ernstfall vorbereitet zu sein. Eine offene Kommunikation innerhalb der Familie und eine frühzeitige Planung können dazu beitragen, den Übergang in eine Pflegesituation reibungsloser zu gestalten und die finanzielle Belastung zu minimieren.

Die Autorin Sabine Brandl leitet die Direktion bei der Ergo Rechtsschutz Leistungs-GmbH.

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