Ein sportliches Großereignis hat in diesem Jahr das nächste abgelöst. Der Sommer stand in London ganz im Zeichen des olympischen Gedankens, davor wurde in Osteuropa um die Fußballeuropameisterschaft gekickt.
Gastkommentar: Achim Küssner, Schroders
Durch internationale Sportturniere geraten auch die Austragungsorte in den Fokus der Öffentlichkeit – vor allem, wenn diese in eher weniger vertrauten Ländern liegen. Den vielleicht interessantesten Rahmen mit Blick auf die Berichterstattung rund um den Ort des Geschehens lieferte vermutlich das EM-Mitgastgeberland Ukraine. Die Ukraine zählt zu den Frontier Markets und anhand der vielen Berichte und Artikel konnte der aufmerksame Leser zwischen den Zeilen gut die Chancen und die Risiken der Grenzmärkte ausmachen.
Es wurde viel über die Vetternwirtschaft, die Macht der Oligarchen in diesem Land geschrieben und auch die Frage gestellt, woher eigentlich das Geld für den Bau der Fußballstadien stammt. Die Inhaftierung der ehemaligen Regierungschefin und der einstigen Gallionsfigur der orangenen Revolution, Julia Timoschenko, gab der EM einen faden Beigeschmack. Andererseits wurde in der Wirtschaftspresse auch berichtet, dass die Fußball-EM der Ukraine einen starken Investitionsschub für Infrastrukturprojekte eingebracht hat.
Die Ukraine ist Teil der kontrastreichen Frontier Markets. Sie umfassen im Nahen Osten sehr wohlhabende Volkswirtschaften, aber auch weniger entwickelte, aber rasant wachsende afrikanische Staaten. Im Sinne des MSCI-Frontier-Markets-Index gehören 26 Märkte in Asien, Afrika, Lateinamerika, Osteuropa sowie im Nahen Osten zu den Frontier Markets. Doch an dem Beispiel Ukraine und dem eben kurz umrissenen Spannungsverhältnis zwischen wirtschaftlichen Chancen und politischen Unsicherheiten lässt sich gut erklären, was die Attraktivität, aber auch die Fallstricke der Frontier Markets ausmacht.
Ein Attraktivitätsbonus ist: Die Grenzmärkte korrelieren kaum mit anderen Märkten, weil ihre Wachstumstreiber oft unabhängig von denen der Industrie- und Schwellenländer sind. Zwischen 2005 und 2012 lag die Korrelation, gemessen an den jeweiligen MSCI-Indizes, bei nur 0,63 gegenüber den Industrienationen und nur 0,61 gegenüber den Schwellenmärkten. Das macht die Frontier Markets zu hervorragenden Diversifikatoren, die das Risiko-Ertrags-Profil eines Aktienportfolios verbessern können.
Dem Vorteil „erhöhte Stabilität durch Diversifizierung“ stehen dafür Unsicherheitsfaktoren anderer Natur gegenüber: Die Schwellenmärkte von morgen stehen in vielerlei Hinsicht noch am Anfang und das umfasst auch Demokratisierungsprozesse, Werte und Normen. Innerhalb eines Aktienportfolios verbessern Frontier-Markets-Titel zwar die Sicherheit, wenn die Aktien mit Bedacht ausgewählt worden sind. In den Ländern selbst muss es aber dagegen nicht zwangsläufig nach westlichen Maßstäben sicher sein. Korruption, Intransparenz und politisch instabile Verhältnisse stehen nun einmal auf der Kehrseite der Medaille. Als Länder mit einer niedrigen oder mittleren Einkommensstruktur, die eine rasend schnelle Entwicklung durchlaufen, sind die Grenzmärkte eben viel anfälliger für ökonomische, soziale und politische Veränderungen als Industrienationen. Die Aktienmärkte der Frontier Markets sind zudem im Verhältnis zu ihren Volkswirtschaften deutlich unterentwickelt.
Investitionen in Grenzmärkten sollten daher kaum auf eigene Faust von unerfahrenen Anlegern vorgenommen werden. Besser ist es, sich der Erfahrung etablierter Anbieter mit langjähriger Erfolgsbilanz, einem bewährten Investmentprozess und guter Präsenz in den betreffenden Regionen und Ländern, anzuvertrauen. Nur wer vor Ort ist, kann das richtige Gefühl für den dort stattfindenden Entwicklungsprozess aufbauen sowie Chancen und Risiken richtig einschätzen und somit die Spreu vom Weizen trennen.
Übrigens, laut einer aktuellen Umfrage unter den Fußballfans mit EU-Pass, die sich die Spiele vor Ort angeschaut haben und vermutlich nur die ukrainischen Stadien kennen, ist die Mehrheit der Fußballfans für einen Beitritt der Ukraine in die EU und eine sofortige Abschaffung der Visapflicht. Auch hier gilt: Sich aufgrund von Momentaufnahmen eine Meinung zu bilden, ist nicht immer klug.
Achim Küssner ist Sprecher der Geschäftsführung der Schroder Investment Management GmbH für Deutschland, Österreich, die Benelux-Länder, CEE und Mediterranean.
Foto: Schroder Investment Management