„Die Menschheit lässt sich grob in zwei Gruppen einteilen: In Katzenliebhaber und vom Leben Benachteiligte“. Das Zitat des italienischen Renaissance-Dichters Francesco Petrarca dürfte über 650 Jahre alt sein und es zeugt von tiefer Zuneigung. Ganz ehrlich: Wer jemals eine Katze besessen hat, wird sich ihrem Charme irgendwann kaum entziehen können. Meine Frau und ich haben seit nunmehr neun Jahren eine Stubentigerin. Wir haben sie im Frühjahr 2014 – knapp zwei Jahre jung – aus einem Tierheim zu uns geholt. Geboren in einem Messi-Haushalt, mit einer Drahtschlinge um den Hals groß geworden, von einem Interventionsteam aus der Wohnung befreit, war es ein langer Weg, das Vertrauen der seinerzeit verunsicherten, ängstlichen jungen Katze zu gewinnen.
Während meine Frau und das Tier sehr schnell auf Tuchfühlung waren, haben die „kleine Lady“ und ich eine längere Schnupperphase gebraucht. Mittlerweile ist es eine innige Beziehung. Auch hier war die Corona-Pandemie der Katalysator. Das Homeoffice ist mittlerweile fester Bestandteil meiner neuen hybriden Arbeitswelt. Und unsere Katze der andere. Seit nunmehr zweieinhalb Jahren ist sie beinahe ständige Begleiterin in meinem Büro. Mal liegt sie direkt neben mir, auf einem Hocker. Mal hinter mir auf einer Couch. Mal laut schnurrend, mal schnarchend, mal Streicheleinheiten einfordernd und manchmal wird auch diskutiert. Und weil Katzen nicht nur kommunikativ, sondern auch intelligent sind, verstehen wir uns.
„Chilli“ ist elf Jahre alt und Familienmitglied. Ende 2021 gab es hierzulande rund 16,7 Millionen Katzen in Haushalten und rund 10,3 Millionen Hunde, sagt Statista. Sich ein Tier ins Haus oder die Wohnung zu holen, haben wir uns reiflich überlegt. Zum einen, weil es Verantwortung bedeutet. Zum anderen, weil es auch die Bewegungsfreiheit einschränkt. Gerade in der Coronapandemie haben sich viele Haushalte ein Haustier angeschafft. Und nun, da Reisen wieder möglich ist und die Menschen wieder häufiger ins Büro müssen, landen viele von Ihnen in Tierheimen. Aber auch die Tierarztkosten spielen hier eine Rolle. Wer schon mehrfach Tiere hatte und weiß, wie teuer eine Behandlung sein kann – etwa eine Operation im Notdienst am Wochenende – ist hier sensibilisiert. Wer dagegen immer nur gesunde Tiere hatte oder vielleicht noch nie eines besessen hat, läuft Gefahr, die Kosten zu unterschätzen. Bei uns spielte die Kostenfrage bei der Anschaffung keine Rolle. Die ersten Tierarztbesuche zeigten aber, dass ein krankes Tier durchaus das Budget beanspruchen kann. Inzwischen haben wir eine Operationskostenversicherung abgeschlossen. Gerade weil Operationen beim Tierarzt richtig ins Geld gehen und mit Karte bezahlt werden müssen.
Aktuell kostet eine Rund-Um-Sorglos-Impfung gegen Katzenschnupfen, Katzenseuche und Tollwut inklusive Entwurmungs-Kur im Kreis Pinneberg 86 Euro. Ab dem 22. November wird sich dies ändern. Denn dann tritt die neue Gebührenordnung für Tierärzte in Kraft (GOT). Damit müssen Tierbesitzer für Leistungen dann deutlich tiefer in die Tasche greifen. So steigt der Preis für eine einfache Behandlung bei einer Katze infolge der neuen GOT von acht auf 23 Euro. „Die GOT wird nach 20 Jahren erstmals wieder angepasst. Und das ist auch richtig, denn es geht nicht nur um den Verdienst der Tierärzte, sondern auch die ganze Veränderung in der Tiermedizin“, sagt Nicole Keibel, Leiterin des Produktmarketings bei den Hanse Merkur Versicherungen in Hamburg. „Insgesamt sind 400 Positionen neu aufgenommen worden, die vorher gar nicht in der Gebührenordnung geregelt waren“, ergänzt Angelika Jäckel, Hauptabteilungsleiterin Tarif bei der Barmenia Allgemeine in Wuppertal. Dazu gehört etwa das MRT. „Für einen Hund oder eine Katze kostet das laut neuer GOT rund 750 Euro. Und da sind Behandlungskosten oder die tatsächliche OP noch gar nicht eingerechnet“, so Jäckel weiter. Um sich gegen solche unerwarteten Kosten abzusichern, die gerne auch vierstellig werden können, sei eine Krankenversicherung sinnvoll. „Die Beiträge hierfür sind bekannt, diese kann ich kalkulieren. Das ist Sinn und Zweck der Versicherung. Das Risiko beherrschbar zu machen“, sagt die Expertin des Wuppertaler Versicherers.
In Deutschland war das Angebot an Tier-OP und Tierkrankenversicherungen in der Vergangenheit relativ klein. Der GDV listet derzeit 48 Unternehmen, die Tierversicherungen anbieten. Das Angebot der Versicherer umfasst im wesentlichen Tierhalterhaftpflichtversicherungen, Operationskostenversicherungen und Tierkrankenversicherungen. „Erst in den letzten Jahren kamen immer mehr Anbieter und damit Produkte auf den Markt und erhöhen so die Sichtbarkeit“, erläutert Kneibel. Mittlerweile ist der Markt voll in Bewegung. „Wir sind sehr erfolgreich in Krankenversicherung und auch in der Operationskostenversicherungen. Die Wachstumsraten liegen in zweistelligen Prozentbereich“, bestätigt Jäckel. Auch HanseMerkur und die Agria Tierversicherungen verbuchen viele Anfragen von Kunden an die Vermittler. Die Deutschlandtochter mit schwedischen Wurzeln ist seit Oktober 2021 unterwegs. Doch die Nachfrage übertrifft nach Aussage von Country-Manager Peter Bornschein alle Pläne.
Die Zufriedenheit könnte weiter steigen, wenn sich die Prognosen der aktuellen Trendstudie „Tierversicherungen 2022 – Status quo, Potenzial und Perspektiven“, des Marktforschungsinstituts Nordlight Research, Hilden, erfüllen. So erwarten die Marktforscher, dass das bisherige Marktvolumen speziell bei Tier-OP-Versicherungen und Tierkrankenversicherungen um bis zu 50 Prozent steigen könnte. Aktuell haben rund 43 Prozent der Tierbesitzer mindestens eine Tierversicherung abgeschlossen. Am Weitestesten verbreitet ist die Tierhalter-Haftpflichtversicherungen: 85 Prozent der Pferdebesitzer und 74 Prozent der Hundebesitzer besitzen eine solche Police. Über Tierkrankenversicherungen (TKV) verfügen 42 Prozent der Pferdebesitzer, 30 Prozent der Hundebesitzer und 23 Prozent der Katzenbesitzer. Tier-OP-Versicherungen haben bisher 47 Prozent der Pferdebesitzer, 27 Prozent der Hundebesitzer und 18 Prozent der Katzenbesitzer abgeschlossen.
Spannend für den Vertrieb: Einen Neuabschluss im Bereich Tierkrankenversicherungen (TKV) planen aktuell 33 Prozent der Katzenbesitzer, 32 Prozent der Hundebesitzer und 28 Prozent der Pferdebesitzer. Eine Tier-OP-Versicherung wollen zukünftig 34 Prozent der Hundebesitzer, 32 Prozent der Katzenbesitzer und 29 Prozent der Pferdebesitzer neu abschließen. Die Zahlen zeigen, dass das Segment durchaus Potenzial birgt, zumal sich lediglich 19 Prozent der Hunde, Katzen oder Pferdebesitzer gänzlich uninteressiert zeigen, was die Absicherung ihres Vierbeiners betrifft.
Wie groß das Potenzial beim Thema Tierversicherungen sein kann, zeigt ein Blick über die Ostsee. In Schweden sind nach Angaben von Agria-Manager Bornschein 90 Prozent der Hunde krankenversichert. Bei den Katzen sehe es ähnlich aus. „Ob Tierärzte, Kliniken, Entwicklung in der Veterinärmedizin, Stichwort MRT oder Gerätemedizin – in den skandinavischen Ländern ist die Versicherungsindustrie auf breiter Front Kostenträger der veterinärmedizinischen Versorgung. Hier bei uns ist der Verbraucher. Da muss ein Umdenken stattfinden“, fordert Bornschein.
Dass der Markt hierzulande nun in Bewegung ist, hat auch damit zu tun, dass die Vermittlerinnen und Vermittler bei dem Thema umschwenken. Dabei spielten die Social Media-Kanäle eine immer wichtigere Rolle, so Jäckel. „Tiere sind eben ein emotionales Thema, bei dem ich mit schönen Bildern viel erreichen kann“, sagt die Expertin. Mittlerweile hätten rund 47 Prozent der deutschen Haushalte ein Haustier. Für viele ist das Tier ein Familienmitglied. Und jeder möchte, dass es dem Familienmitglied gut gehe. „Die Vorstellung, eine Behandlung für den Vierbeiner nicht zahlen zu können, ist für die meisten Menschen fürchterlich, da eben Emotionen im Spiel sind“, sagt Jäckel.
Aus Sicht von Hanse Merkur-Frau Nicole Keibel öffnen sich auf vertrieblicher Ebene damit ganz neue Wege: „Wenn man also einen Kunden auf seinen Hund anspricht, hat man in der Regel einen sehr einfachen Einstieg ins Gespräch. Die Kunst wird dann darin liegen, tatsächlich von diesem emotionalen Gespräch auf das Produkt zu kommen. Aber emotionaler kann ich nicht einsteigen als über das Tier. Wir haben einen superinteressanten Markt und es lohnt, sich dort einzuarbeiten.“