Die Idee zum European Long-Term Investment Fund“ (ELTIF) war gut: Das neue Fondsvehikel sollte langfristige Investitionen in illiquide Anlageklassen wie Sachwerte, Verkehrsinfrastrukturprojekte oder kleinere und mittlere Unternehmen ermöglichen und so das Wachstum in der Europäischen Union fördern. Unternehmen sollte der ELTIF Zugang zu einer alternativen Finanzierungsquelle jenseits des Bankensektors erschließen. Von daher darf die Einführung des ELTIF im Jahr 2015 als großer Wurf gewertet werden. Seither ist es Privatanlegern erstmals möglich, an der Finanzierung langfristiger Transformationsprojekte zu partizipieren.
Wer sich als Fondanbieter für das neue Vehikel entschieden hat, musste mit Anlaufschwierigkeiten rechnen. Zwar weist der ELTIF Ähnlichkeiten zum deutschen offenen Immobilienfonds auf, doch er unterscheidet sich sowohl durch die Vielfalt der Assetklassen als auch im Hinblick auf die regulatorischen Rahmenbedingungen. Solche Besonderheiten zu durchdringen und entsprechend zu beraten, ist für den Vertrieb mit einem erhöhten Aufwand verbunden.
Dies mag einer der Gründe dafür sein, dass ELTIFs bislang rar gesät sind. Hohe Hürden sind auch die Mindestanlagesumme von 10.000 Euro und die damit verbundene Vorgabe, dass ELTIF-Anleger ein verfügbares Anlagevermögen von mindestens 100.000 Euro besitzen müssen. Die Kritik aus der Branche angesichts solcher Hemmnisse für den Vertrieb wie auch für Privatanleger ist im EU-Parlament angekommen.
Mit der jüngst gebilligten Reform wird das Regulatorik-Korsett des ELTIF deutlich gelockert. Bislang sind Vermittler und Berater verpflichtet, sämtliche Assets, in die ein solcher Fonds investiert, detailliert vorzustellen. In Kombination mit aufwendigen, zum Teil prozessgebundenen Aufklärungs-, Abfrage- und Dokumentationspflichten ist der Vertrieb eines ELTIF an Fleißarbeit kaum zu überbieten. Nun soll dieser bürokratische Aufwand einer ELTIF-Eignungsprüfung nach den Vorgaben der EU-Finanzmarktrichtlinie MiFID II weichen. Dass die Mindestanlagesumme von 10.000 Euro dann der Vergangenheit angehört, dürfte den Vertrieb ebenfalls vereinfachen.
Auch Asset-Manager profitieren – der Reform sei Dank – von neuen Regeln und damit von mehr Freiheiten. Während ein einzelnes Asset statt zehn dann demnächst 20 Prozent des Fondsvolumens ausmachen kann, sinkt das Mindestinvestitionsvolumen pro Asset von zehn Millionen auf eine Million Euro. Außerdem kann in andere Fondsvehikel wie AIF und UCIT sowie Verbriefungsinstrumente investiert werden. Das Fremdkapital, dessen Quote von 30 auf 50 Prozent steigt, darf künftig zur Liquiditätssicherung und nicht nur wie bisher für konkrete Investitionen genutzt werden. Sogar für institutionelle Investoren gewinnt der ELTIF an Attraktivität – etwa weil durch den Wegfall vieler Diversifikationsvorgaben ab Jahresende Ein-Objekt-Fonds möglich sind.
Das Inkrafttreten der Reform wird zum Jahresende erwartet. Dann kann der ELTIF endlich sein volles Potenzial entfalten. Während die steigende Nachfrage seitens der Investoren bislang auf ein begrenztes Angebot stößt, dürfte die Auflage neuer Strategien den Markt beleben – auch weil mit dem Fall der 100.000-Euro-Hürde die Menge der potenziellen Zeichner steigt. Das ist nicht nur angesichts der von Bundesregierung und EU geplanten massiven Investitionen in langfristige Infrastrukturprojekte zu begrüßen. Der ELTIF kann im Depot privater Investoren sowohl Renditequelle als auch Stabilitätsanker in volatilen Zeiten sein.
Dirk Holz ist Vorsitzender der Geschäftsführung der Commerz Real Fund Management S.à r.l. Die Luxemburger Kapitalverwaltungsgesellschaft der Commerzbank-Tochter Commerz Real betreut unter anderem den Fonds „Klimavest“. Der 2020 gestartete ELTIF hat im Januar 2023 die Schwelle von einer Milliarde Euro Eigenkapitalvolumen überschritten. Das Portfolio umfasst aktuell mehr als 30 Wind- und Solarparks sowie mehrere Projektentwicklungen in Deutschland, Frankreich, Spanien, Schweden und Finnland.