Der Entzug des Pflichtteils und die Gründe für die Pflichtteilsunwürdigkeit müssen zwingend die Form eines Testaments haben. Dies hat das Oberlandesgericht Nürnberg mit Beschluss vom 4. Januar 2018 entschieden (Az. 12 U 1668), wie die Deutsche Vereinigung für Erbrecht und Vermögensnachfolge (DVEV) mitteilt.
In dem Fall hatte der 2016 verstorbene Erblasser seine Frau testamentarisch als Alleinerbin eingesetzt. Der Vater des Erblassers verklagte die Witwe auf Auskunft und Wertermittlung des Nachlasses, um seine Pflichtteilsansprüche geltend zu machen. Die Witwe verweigerte das, da der Vater durch sein Verhalten sein Pflichhteilsrecht verwirkt habe: So habe er seinem Sohn keinen Unterhalt geleistet, ihn fortwährend gedemütigt, beleidigt, misshandelt, geschlagen, sein Geld veruntreut, ihn mit 14 Jahren aus dem Haus getrieben und ihn mit bedingtem Tötungsvorsatz mit einem Schraubenzieher angegriffen.
Ein Entzug des Pflichtteils ist nach Paragraf 2333 BGB möglich, wenn der Vater dem Sohn nach dem Leben trachtete, er sich gegen den Sohn eines vorsätzlichen Verbrechens oder schweren Vergehens schuldig machte oder seine Unterhaltspflicht böswillig verletzte. Allerdings führen diese Gründe nur dann zum Entzug, wenn sie nach Paragraf 2336 in testamentarischer Form festgehalten sind. Die Vorfälle müssen eigenhändig, handschriftlich, mit Zeitangabe, dem Ort und den Umständen der Tat aufgeführt sein – was hier nicht geschehen ist.
Rechtzeitig reagieren
Das OLG prüfte weiterhin, ob der Angriff mit dem Schraubenzieher nicht zur Pflichtteilsunwürdigkeit nach den Paragrafen 2345, 2339 BGB geführt hatte. Wer den Erblasser vorsätzlich zu töten versucht, ist pflichtteilsunwürdig und hat sein Pflichtteilsrecht ebenfalls verwirkt. Der Vater bestritt den Vorfall und die Witwe bot dafür keinen Beweis an. Da die Pflichtteilsunwürdigkeit nur behauptet, aber nicht bewiesen wurde, entschied das Oberlandesgericht zu Gunsten des Vaters und sprach ihm den Pflichtteilsanspruch zu.
„In manchen Familien gehört Gewalt zum Alltag. Sollte das der Fall sein, dann muss rechtzeitig reagiert werden, damit nicht der Peiniger, ob auf der Eltern- oder Kinderseite, nach dem Tod des Opfers von dessen Vermögen profitiert“, sagt Jan Bitter, Fachanwalt für Erbrecht und Geschäftsführer der DVEV. „Die beste Möglichkeit, dies zu verhindern, ist das Verfassen eines Testaments. Um die Fehler zu vermeiden, die der Sohn im geschilderten Fall machte, empfiehlt es sich, einen Fachanwalt für Erbrecht zu Rate zu ziehen.“ (kb)
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