Ab dem 1.1.2023 soll die Bewertung von Immobilien an den realistischen Verkehrswert angepasst werden. So steht es im Jahressteuergesetz 2022, über das derzeit der Bundestag berät. In der Vergangenheit hatten die Finanzämter beide Augen zugedrückt und die gestiegenen Immobilienpreise bei der Bemessungsgrundlage für die Steuererhöhung nicht eingepreist.
Zwar hatte die Bundesregierung versprochen, in die galoppierende Inflation keine Steuererhöhung durchzusetzen. Die kommt jetzt allerdings durch die Hintertür. Denn eine höhere Immobilienbewertung bringt mehr Geld in die Staatskassen.
Ein Beispiel:
Eine Immobilie im Wert von einer Million Euro wird nach dem Tod der Eltern aufgrund Testaments an Sohn Herbert vererbt. Christian geht leer aus und verlangt von Herbert den Pflichtteil. Zur Steuerermittlung kann Herbert einen Freibetrag von 400.000 Euro vom Wert der Immobilie abziehen, d.h. er zahlt Erbschaftsteuern auf Basis von 600.000 Euro. Die Steuerquote liegt dann bei 15 Prozent, so dass Herbert 90.000 Euro Steuern zahlen muss. Steigt der Wert der Immobilie aufgrund des neuen Bewertungsgesetzes ab 1.1.2023 um 50 Prozent, steigt der Steuersatz auf 19 Prozent und Herbert müsste 209.000 Euro Erbschaftsteuern zahlen.
Doch wie wirkt sich diese Steuererhöhung auf den Pflichtteil aus? „Die gute Nachricht aus Sicht der Pflichtteilsberechtigten ist, dass die fälligen Erbschaftsteuern der Erben weder vom Pflichtteil noch vom Erbschaftswert abgezogen werden können. Und die Steuer des Pflichtteilsberechtigten richtet sich separat nach der Höhe des Pflichtteilsbetrags abzüglich eines Freibetrags je nach Verwandtschaftsnähe“, erläutert Rechtsanwalt Dr. Sven Gelbke, Geschäftsführer des Erbrechtsportals „Die Erbschützer“.
Im obigen Beispiel besteht der Pflichtteil von Christian aus der Hälfte des gesetzlichen Erbteils. Gäbe es kein Testament, hätten die Brüder aufgrund der gesetzlichen Erbfolge die Immobilie jeweils zur Hälfte geerbt, also im Wert von jeweils 750.000 Euro. Davon steht Christian die Hälfte zu, also 375.000 Euro. Daraus folgt: Herbert benötigt viel Liquidität, wenn er die Immobilie behalten möchte, nämlich genau 584.000 Euro für die Auszahlung des Bruders und die Erbschaftsteuern. Christian dagegen muss noch nicht einmal Erbschaftsteuern zahlen, weil auch zu seinen Gunsten der gesetzliche Freibetrag in Höhe von 400.000 Euro gilt.
Zur Ermittlung des Wertes des Immobiliennachlasses muss sich der Pflichtteilsberechtigte nicht auf Schätzungen oder Kurzgutachten einlassen. Er kann vom Erben meist ein sachverständiges Vollwertgutachten verlangen. Aber letztlich müssen sich auch die Sachverständigen an die neuen Vorgaben im Bewertungsgesetz halten, so dass es künftig eigentlich keine großen wertmäßigen Unterschiede zwischen Behörden und Sachverständigen bei der Einschätzung des Immobilienwertes geben darf.
Rechtsanwalt Dr. Sven Gelbke rät Erblassern gleichwohl, alle nahen Verwandten in die Nachlassplanung zu Lebzeiten mit einzubeziehen. Gerade das obige Beispiel zeigt, wie schnell familiärer Familienbesitz in fremde Hände geraten kann, weil die Nachkommen nicht genügend Liquidität haben, um Erbschaftsteuern und Pflichtteilsansprüche parallel zu bedienen. „Um späteren Streit unter den nächsten Verwandten zu vermeiden, kann man nur deutlich empfehlen, so offen wie möglich bereits zu Lebzeiten über die eigene Nachfolgeregelung zu sprechen und gemeinsam faire Nachfolgeregelungen zu finden. Ansonsten geht man als Erblasser das hohe Risiko einer in der Regel äußerst unerwünschten Hinterlassenschaft ein: Streit, Missgunst und Zerrüttung zwischen den nächsten Verwandten“, warnt Gelbke.
Das Kölner Unternehmen „Die Erbschützer“ erkämpft bundesweit für übergangene Erben deren Pflichtteil und erhält lediglich im Erfolgsfall ein 14-prozentiges Honorar. Für die Pflichtteilsberechtigten hat das den Vorteil, erstens kein Geld für die Rechtsverfolgung vorstrecken zu müssen. Zweitens bleibt ihnen der emotionale Stress erspart, sich selbst mit den Erben auseinandersetzen zu müssen.
Dr. jur. Sven Gelbke, Geschäftsführer JustSolutions GmbH.