“Erfreulich, wie wendig die Makler sind”

Fotos: Anna Mutter
Die Teilnehmer (v.l.n.r.): Harry Kreis (Vorstand der Apella AG), Thomas Maier (Vorstand der 1:1 Assekuranzservice AG), Dr. Sebastian Grabmaier (Vorstandsvorsitzender der Jung, DMS & Cie. AG), Christian Wetzel (Geschäftsführer der Wifo GmbH) und Rolf Schünemann (Vorstandsvorsitzender der BCA AG)

Cash. diskutierte mit den Führungskräften fünf deutscher Maklerpools über die wirtschaftlichen Folgen der Coronakrise, die Konsolidierung der Maklerpool-Branche und die zunehmende Bedeutung der ESG-konformen Beratung.

Seit März bewegt die Corona-Pandemie auch die Finanzdienstleistungsbranche. Wie hat sich die Krise bisher auf Ihr Geschäft ausgewirkt?

Grabmaier: Glücklicherweise weniger als befürchtet. Wir wollten ohne Corona um knapp 20 Prozent wachsen, jetzt sind es zwölf Prozent geworden. Viele Partner haben Corona als Chance begriffen und gesagt: Normalerweise kann ich nur abends zum Kunden, jetzt kann ich auf virtuellem Wege den ganzen Tag dorthin. Wir haben durchaus einzelne Partner, die deutlich mehr Umsatz machen als vorher und die das Gefühl eines gestiegenen Absicherungsbedarfs beim Kunden auch in Geschäft umsetzen. Deswegen klagen wir auf sehr hohem Niveau.

Schünemann: Das kann ich bestätigen. Bei uns läuft es gut und wir liegen deutlich über Vorjahr. Das freut uns natürlich, denn im März haben wir viel schlechtere Annahmen getroffen, als es jetzt wirklich eingetreten ist. Der Bereich Investment läuft glänzend mit zweistelligen Wachstumsraten, auch im Bereich Versicherungen liegen wir über Vorjahr.

Wetzel: Wir haben das große Glück, dass wir nicht vom Massengeschäft abhängig sind, weil wir sehr speziell aufgestellt sind. Wir haben sogar ganz ordentlich zugelegt. Das lag unter anderem daran, dass wir uns in den Bereichen Digitalisierung und Vertriebsautomation sukzessive spezialisiert haben.

Maier: Bei uns hat Corona durchaus für einen temporären Einbruch im Absatz gesorgt, weshalb wir dann auch den Vertrieb auf Online umgestellt haben. Wir haben da einen hohen Schulungsaufwand betrieben, weil nicht jeder per se fit in dieser neuen Welt war. Wir können jetzt seit zwei, drei Monaten sehr positive Signale erkennen, dass sich das Ganze wieder belebt. Von der produkttechnischen Seite her haben wir in klassischen Geschäftsbereichen wie Leben und Kranken stärkere Auswirkungen als im Sachbereich, der für uns eine bedeutende Rolle spielt, hier läuft es sehr stabil.

Kreis: Wir haben einen sehr guten Start gehabt in diesem Jahr, dann gab es eine kleine Delle, aber jetzt sind wir in allen Bereichen wieder auf einem Umsatzplus von circa sechs Prozent. Wir sind unter diesen Umständen mit der Situation zufrieden, ich denke aber auch, wir werden bis zum Jahresende noch ein bisschen zulegen können.

Der AfW Bundesverband Finanzdienstleistung hat Ende Juni eine zweite “Corona-Umfrage” durchgeführt, an der 461 Mitglieder teilgenommen haben. Demnach erwarten die Vermittler coronabedingt im Durchschnitt einen Rückgang ihres Provisionsumsatzes um 14 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Deckt sich das mit Ihren Rückmeldungen aus der Vermittlerschaft?

Grabmaier: Im Februar und März waren die Prognosen noch sehr düster und deutlich negativer, jetzt gehen erstmal alle mit einem Gefühl der Erleichterung aus dem zweiten Quartal. Wir sehen, dass die betriebliche Altersversorgung (bAV) noch ein bisschen hinterherhinkt und dass die Immobiliensparte Nachholbedarf hat. Aber insgesamt sieht es doch deutlich besser aus als dies die AfW-Umfrage vermuten ließ.Cash RT 210920 038 in Erfreulich, wie wendig die Makler sind

Sebastian Grabmaier

Kreis: Gerade in Krisenzeiten wie jetzt hat man ja auch Umsatzchancen. Wir hatten im letzten Monat vier Veranstaltungen mit bis zu 100 Partnern, waren also direkt im Kontakt mit unseren Vermittlern. Da habe ich mal ein bisschen in die Stimmung reingehorcht, und die war gut, denn es bieten sich auch Chancen. Es ist doch so: Wenn man fehlende Versicherungen jetzt nicht anbietet, dann sollte man überlegen, ob man seinen Job richtig macht. Nehmen wir nur mal das Thema Betriebsunterbrechungen oder auch Gesundheitsvorsorge, Todesfallschutz. Und der Umsatz eines Pools ist nicht automatisch die Addition aller einzelnen Maklerumsätze, denn der Zuwachs an Makler muss dabei auch betrachtet werden und der ist bei uns derzeit ganz gut.

Schünemann: Makler sind Unternehmer, die passen sich an, die analysieren die Situation und richten sich extrem schnell neu aus. Deswegen haben sie viele neue Dinge, die wir und andere Pools angeboten haben, zum Beispiel digitale Beratungsmöglichkeiten, sofort adaptiert und sind in der Kommunikation schnell wieder am Kunden dran gewesen. Es ist extrem erfreulich, wie wendig unser Vertriebsweg ist, wie wendig die Partner sind. Die suchen sich auch wirklich die Fälle, in denen der Bedarf am größten ist, wo der Schuh am meisten drückt. Das führe ich auf die schnelle unternehmerische Anpassung der Makler zurück, die draußen beim Kunden arbeiten.

Maier: Wir haben festgestellt, dass die Vertriebspartner, die in der Vergangenheit schon gute Beziehungen im Kundenstamm aufgebaut haben, deutlich besser durch die Krise gekommen sind, weil die digitale Beratung bei Leuten, die man schon kennt, einfach schneller und besser ankommt, als bei der Neuakquise.

Wetzel: Ich glaube, im Privatkundenbereich kam die Krise dank unterschiedlichster Maßnahmen noch nicht ganz so schlimm an. Wir als Wifo haben unter 0,025 Prozent Beitragsfreistellungen bei über 500.000 Verträgen, das ist noch nichts. Die Frage ist, was passiert, wenn jetzt die zweite Corona-Welle kommen sollte. Sollten dann die Insolvenzen kommen, muss man gut aufgestellt sein.

Wird von der Coronakrise bleiben, dass sie der Digitalisierung nochmal einen dauerhaften Schub gegeben hat?

Grabmaier: Auf jeden Fall. Wir haben in der Corona-Zeit die doppelte Anzahl von Verträgen in der Übertragung in unsere Versicherungs-App “allesmeins” als das normalerweise der Fall ist. Der Bedarf, über einen digitalen Versicherungsordner eine volle Übersicht über den Risikoschutz zu haben, ist gestiegen: welche Risiken sind schon gedeckt und was muss ich eigentlich noch tun, um gut abgesichert zu sein? Dazu hat Corona ganz sicher beigetragen, genauso zur Bereitschaft, Verträge online oder per Video- oder Telefontermin abzuschließen. Wobei man immer sagen muss: Es geht nicht alles voll digital ohne den Menschen, die allermeisten Kunden wollen auch einen Vermittler sprechen. Daran hat Corona nichts geändert.

Maier: Das kann ich bestätigen. Das Positive an Corona ist, dass sich viele Menschen gezwungenermaßen wirklich mit der Digitalisierung beschäftigt und nicht nur darüber gesprochen haben. Das wird auch so bleiben. Und dennoch werden persönliche Gespräche weiterhin benötigt.

Schünemann: Corona hat geholfen, zu verstehen, wie sinnvoll die hybride Aufstellung des Vermittlers ist. Neben der analogen Vorgehensweise konnte der Vermittler den digitalen Markt einfach mal testen: Wie funktioniert das, wie gehe ich mit einer App um, wie gehe ich mit einem Bestandsübertragungsprozess um, wie erneuere ich auf digitalem Weg die Maklervollmachten, die Datenschutzerklärungen, lauter so Dinge. Damit hat er nun eine schöne Basis für seinen hybriden Beratungsansatz, also für Digitalisierung plus persönlicher Kompetenz.

Maklerpools bieten über ihre Plattformen ein umfangreiches Verwaltungs- und Abwicklungsangebot, um Vermittlern ihre Arbeit zu erleichtern. Wäre es nicht effizienter für die Pools, sich hierbei zusammenzutun – auch vor dem Hintergrund der Coronakrise?

Grabmaier: Klar. Wir haben zum Beispiel letztes Jahr einen kleineren Investmentpool bei uns aufgenommen, zur Freude aller. Die Partner, die dort angeschlossen waren, erhalten nun voll digitalisierte Lösungen über alle Sparten, über alle Anbieter, und der Veräußerer erhält den Lohn für seine jahrelange Aufbauarbeit. Und für uns ist es auch sehr schön, weil wir das, was wir tun, nun für ein noch größeres Volumen tun und dabei Synergieeffekte erzielen.Cash RT 210920 052 in Erfreulich, wie wendig die Makler sind

Rolf Schünemann

Wetzel: Wir haben uns ja zu Jahresbeginn entschlossen, mit Blau Direkt eine enge Partnerschaft einzugehen. Beide Unternehmen sind aber weiterhin rechtlich selbständig, die Vermittler werden weiter unter den jeweiligen Marken geführt. Es geht einfach darum, wer in welchem Bereich seine Stärken hat. Blau Direkt hat seine Stärken im Bereich Technik und Prozesse, wir haben unsere Stärken im klassischen Geschäft, wo es in erster Linie darum geht, dem Makler ein maßgeschneidertes Angebot zu erstellen. Wir als Wifo sind noch die “Handwerker” und für alle digitalen Verkaufsautomationstechniken haben wir uns mit einer speziellen hundertprozentigen Tochter, der Widix AG, am Markt neu aufgestellt. Das passt wunderbar zusammen. Ich glaube nicht, dass es Sinn macht, wenn jeder Marktteilnehmer Geld in die Hand nimmt und sich sein eigenes System baut, sonst werden wir alle von den großen Softwarehäusern überholt.

Schünemann: Ich glaube nicht, dass wirtschaftlich ein ganz unmittelbarer Druck durch Corona gegeben ist. Aber sinnhaftig wäre eine Konsolidierung natürlich. Jeder von uns weiß, was Digitalisierung kostet, was Datenmanagement kostet, was Front-End-Anwendungen kosten und deswegen sind wir redundant unterwegs, wir machen viele Dinge doppelt und dreifach. Die Einzigen, die den Vermittler wirklich sinnvoll und effizient in der Digitalisierung unterstützen, sind die Pools. Die Erkenntnis muss man schlicht und ergreifend haben. Wir sind produktunabhängig, wir sind ganzheitlich aufgestellt, wir können wirklich konsolidieren auf unseren Daten- und Prozessplattformen. Diese Motivation hat ein Versicherer gar nicht, wie soll er das machen? Ein wirklich glänzendes Zukunftsmodell – bei allen Herausforderungen, die es gibt.

Kreis: Grundsätzlich wäre es aber ganz gut, wenn jeder seinen eigenen Weg geht, sonst kommen wir irgendwann mal ins Oligopol und das hat dann nichts mehr mit Innovationsfreudigkeit oder Effizienz zu tun. Vielfalt ist der klare Mehrwert für die Makler. Klar, wir gucken immer mal, was macht der Mitbewerber, wie wird sein Produkt am Markt anerkannt – aber letztendlich glaube ich, dass zur Zeit jeder seinen Weg finden sollte und das ist gut so.

Maier: Die Branche ist individuell, auch der Makler und sein Kunde sind individuell. Deshalb bin ich der felsenfesten Überzeugung, dass viele Pools eine Vielfalt in diesem Bereich schaffen. Das ist auch eine Chance für den Makler und man sieht ja, jeder von uns verfolgt dann doch ein eigenes Geschäftsmodell mit eigenen Ideen und eigenen Zielgruppenvisionen. Und wenn es nur um Nuancen anders ist, wird es am Ende des Tages gegebenenfalls auch zu Risiken und eben nicht nur zu Chancen führen, wenn Kooperationen stattfinden. Dennoch wird das, was in anderen Branchen schon lange am Laufen ist, auch an uns nicht vorbeigehen. Kostendruck und Regulierung werden dazu führen, dass es auf die eine oder andere Art und Weise eine Konzentration geben wird. Dass das dann gleich ein Oligopol sein wird, glaube ich nicht, aber es wird eine Konzentration stattfinden.

Schünemann: Es wird verstärkt Kooperationen geben, wie auch Zusammenschlüsse und Übernahmen. Da muss aber alles zusammenpassen. Die Philosophie und die Persönlichkeit der Unternehmer spielt dabei eine ganz große Rolle. Die meisten Pools sind ja noch inhabergeführt, die Gründer haben ihr Unternehmen aufgebaut und das hat sich dann evolutionär entwickelt. Das sind Alphatiere mit einer stabilen Persönlichkeit, die wissen, was sie können.

Ein “G8” der Maklerpools – ist das ein denkbare Größe für die Zukunft?

Schünemann: Bitte nageln Sie mich da nicht fest. In zehn Jahren, wenn ich im wohlverdienten Ruhestand bin, rufen Sie mich dann an und sagen: Jetzt sind es neun Pools, Sie haben damals aber acht gesagt.

Grabmaier: Rein wirtschaftlich sieht es in der Poollandschaft doch so aus: Erst ab 100, 120 Millionen Euro Provisionseinnahmen fangen Pools an, Geld zu verdienen, ab 200 Millionen Euro allerdings richtig viel davon. Das sind Größenordnungen, die erreicht werden müssen, durch Kooperationen oder Zusammenschlüsse, und da fängt dann die Überlebensfähigkeit an. Die großen Pools haben heute Investitionsbudgets, die größer sind als die Umsätze von kleineren. So gern wir die alle haben, für die kleineren wird es immer schwieriger, mit den IT- und Service-Entwicklungen der Großen mitzuhalten.

Schwieriger werden könnte es auch durch die zunehmende Regulierung der Branche. In Berlin gibt es derzeit zwei große Gesetzgebungsvorhaben, die die Vermittler unmittelbar betreffen, den Provisionsdeckel in der Lebensversicherung und die Verlagerung der Aufsicht über Finanzanlagenvermittler auf die Bafin. Momentan scheinen aber beide Vorhaben zu ruhen. Glauben Sie, dass sich der Deckel und die Aufsichtsverlagerung bereits erledigt haben? Wie entspannt schauen Sie nach Berlin?

Grabmaier: Nach Berlin schauen wir als Pool selten entspannt. Der Provisionsdeckel ist glücklicherweise erstmal raus aus der Liste der Gesetzgebungsverfahren für diese Legislaturperiode, ist also zumindest mal aufgeschoben. Dennoch ist hier weiterhin ein achtsames Auge angebracht. Bei der Bafin-Aufsicht sind wir uns hier am Tisch wohl alle einig, dass es kaum etwas Unnötigeres gibt, als einer eh schon gut ausgelasteten Aufsicht noch zehntausende von Vermittlern umzuhängen. Aber da es im Koalitionsvertrag steht, kann sich auch kein Teil der Regierung zurückziehen und sagen, das haben wir nicht gewusst und nicht gewollt.Cash RT 210920 036 in Erfreulich, wie wendig die Makler sind

Christian Wetzel

Schünemann: Aus meiner Sicht ist die Aufsichtsverlagerung bis zum Ausgang der nächsten Bundestagswahl eher unwahrscheinlich, dann hängt es vom Wahlausgang ab. Ich kann mir aktuell nur schwer vorstellen, dass die Politik noch in dieser Legislaturperiode versuchen wird, die Aufsichtsverlagerung mit aller Macht durchzusetzen, auch wenn sie im Koalitionsvertrag steht. Man wird Wege finden, zu interpretieren, dass dieses Vorhaben doch nicht umgesetzt werden soll. Ich würde es den Vermittlern im Moment auch nicht wünschen, weil es wieder zusätzliche Arbeit ist, die nicht wirklich wertschöpfend irgendwas bringt.

Wetzel: Bei der Aufsichtsverlagerung wird sicher irgendwas kommen, aber nicht mehr in dieser Legislaturperiode. Ich kann mir nicht vorstellen, dass sich die Bafin momentan, auch im Zuge der Wirecard-Affäre, die zusätzliche Aufsicht über tausende von Vermittlern aufbürden will.

Maier: Die Diskussion über den Provisionsdeckel zieht sich ja jetzt schon ein paar Tage. Mein Eindruck ist, dass sich bei den politischen Entscheidern mittlerweile das Verständnis durchgesetzt hat, dass allein die Art der Entlohnung nicht für die Qualität der Beratung steht, das ist zu monokausal. Das beruhigt mich ein bisschen. Zum Thema Bafin ist alles gesagt. Es wäre schön, wenn wir nicht noch einen zweiten Fall Wirecard bekämen, denn sowas führt immer zu einem Imageschaden für die gesamte Branche.

Schünemann: Aber es ist doch extrem traurig, dass erst Skandale wie Wirecard nötig sind, um wieder den vernünftigen Weg der Regulation einzuschlagen. Das ist ja Wahnsinn. Das ist ja nicht der Sieg der Vernunft und der besten Lösung, das ist nur den öffentlichkeitswirksamen Skandalen geschuldet. Das ist schade.

Grabmaier: Der Provisionsdeckel ist ja diskutiert worden unter den großen Überschriften Verbraucherschutz und Verbesserung der Qualität in der Beratung. Unsere Erfahrungen mit dem Krankenversicherungs-Deckel zeigen allerdings, dass die Wirkung dann eher neutral bis negativ war. Ich habe in den letzten Jahren viele Diskussionen mit hochrangigen Politikern zu diesem Thema erlebt. Manche waren in der Sache genau auf den Punkt, andere haben sowas von daneben gelegen. Man kann sich gar nicht vorstellen, wie breit da der Split ist zwischen Verständnis für den Markt und völliger Blindheit. Falls in einer neuen Regierungskonstellation die Diskussion über den Provisionsdeckel wieder aufleben sollte, kann ich nur hoffen, dass dann den wenigen fachlich gut aufgestellten Kollegen in der Politik Gehör geschenkt wird.

Kreis: Wenn man die Margen in einer Branche stark verringert, dann gibt es entweder ein schlechtes Produkt oder der Markt geht kaputt, weil sich dort niemand mehr tummeln will. Genau das passiert, wenn die Diskussion über den Provisionsdeckel wieder neu kommt, davon gehe ich aber leider aus. Aber ich hoffe, dass wir dann die richtigen Politiker in Berlin finden, die wirklichen Sachverstand in die Gesetzgebung mit einbringen. Unsere Aufgabe wird es sein, diese Politiker zu stärken, zum Beispiel mit Hilfe des AfW.

Erwarten Sie, dass im Bundestagswahlkampf im kommenden Jahr auch die Bürgerversicherung wieder eine größere Rolle spielen wird?

Maier: Ja, ich glaube, dass die Bürgerversicherung im Bundestagswahlkampf wieder aufs Tablett kommen wird – schließlich ist es ein Thema, mit dem man politische Aufmerksamkeit erregen und Stimmen gewinnen kann.

Grabmaier: Ich glaube nicht, dass man mit diesen komplexen Modellen, die kein normaler Bürger versteht, Stimmen gewinnen kann. Das ist ein Trugschluss der Spezialisten hier am Tisch und auch der Politik. Das ganze Gesundheits- und Rentensystem ist so komplex, dass man mit diesen schlagwortartigen Verkürzungen nicht wirklich lösungsorientiert arbeiten kann. Wir hoffen jetzt zunächst, dass Nachbesserungen bei der Riester-Rente kommen. Wenn wir das mal haben, können wir an die Garantiezinsen in der Lebensversicherung gehen und erst dann sollte die Politik über Rentensysteme sprechen. Das ist aber noch ein weiter Weg, bei dem wir auf die Bürgerversicherung gerne verzichten können.Cash RT 210920 132 in Erfreulich, wie wendig die Makler sind

Thomas Maier

Schünemann: Gerade jetzt in der Coronakrise sollten wir doch froh sein, dass wir ein gesetzliches und ein privates Krankenversicherungssystem haben. Ohne das private Krankenversicherungssystem hätten wir eine riesengroße Krise in der gesamten Gesundheitswirtschaft. Die Krankenhäuser sind deswegen so gut ausgestattet, weil es viele privat Versicherte gibt. Die Arztpraxen funktionieren deshalb so gut, weil es viele privat Versicherte gibt. Das Gesundheitssystem in Deutschland ist hervorragend, das ist aber gerade aufgrund dieser Mischung aus gesetzlich und privat Versicherten so. Wer da jetzt ernsthaft politisch rangehen will, über eine zwangsweise Bürgerversicherung, der muss mir das wirklich fachkompetent erklären können.

Da wir jetzt sowieso schon dabei sind, ins kommende Jahr zu blicken, möchte ich Sie gerne nach Ihren Plänen für 2021 fragen. Was haben Sie auf der Agenda?

Kreis: Wir sind einer der wenigen Vollsortimenter unter den großen Pools und stehen in unterschiedlichen Bereichen an der nächsten Wachstumsschwelle. Im Versicherungsbereich planen wir in der PKV-Sparte, in der gewerblichen Sachsparte und in der Pflegezusatzversicherung wichtige neue Projekte umzusetzen. Dem Kapitalanlagebereich wollen wir eine neue Struktur geben. Im Finanzierungsbereich haben wir die Grundlage für ein Wachstum auf 200 Millionen Euro Finanzierungsgeschäft gelegt, hier gilt es die Früchte einzuholen. Die 200 Millionen möchten wir im nächsten Jahr knacken. Unser Assekuradeur wird 2021 ein komplettes Revival erhalten, mit einzigartigen Versicherungsprodukten und völlig neuen Vertriebswegen. Wir haben also viel vor der Brust.

Maier: Ein Kernthema bei uns wird sein, dass wir einzelnen Menschen, die im Maklermarkt tätig sind oder in den Maklermarkt kommen wollen, dabei helfen, dass sie schnell und vor allem einfach Bestandsaufbau betreiben können. Wir bieten dafür neue Tools an, mit denen man mit einfachen Klicks arbeiten kann und die die Makler im Backoffice unterstützen. Das andere Thema, das wir uns für 2021 auf die Fahnen schreiben, ist der Corona-Zeit geschuldet: Ich bin der Überzeugung, dass wir wieder mehr Nähe zu unseren Partnern zeigen müssen. Wir starten jetzt wieder mit einer kleinen 14-tägigen Roadshow, um präsent bei den Leuten vor Ort zu sein, individuelle Gespräche zu führen, zu hören, wo der Schuh drückt. Wir müssen den Schulterschuss zu unseren Vertragspartnern suchen, um da individuell Kante zu zeigen. Wir haben also zwei Botschaften: Unterstützung beim einfachen und schnellen Bestandsaufbau und bei unseren Vertragspartnern Schulter an Schulter stehen.

Wetzel: Wie vorhin schon erwähnt, haben wir eine neue Firma gegründet, die sich Widix nennt. Dort bringen wir alle technischen Lösungen ein, die wir in den letzten zwei Jahren erarbeitet haben. Das hat einmal mit Verkaufsautomation durch Künstliche Intelligenz zu tun, da haben wir das erste Projekt mit knapp 130.000 Kunden gestartet. Zum Zweiten werden wir dort natürlich auch die Techniken von Blau Direkt vertreiben. Zum Dritten wollen wir stark auf die von uns mitfinanzierte Lösung im Bereich digitaler Beratung von Video-Kontakten aus dem Hause “dWerk” setzen. Bei Wifo wollen wir uns ganz klassisch auf unsere Kernsparten konzentrieren. Im Bereich Gewerbe-Sach haben wir gerade eine eigene Abteilung gegründet, in der wir neue Produkte bauen. Wir wollen künftig auch Unterstützung im Schadenbearbeitungsfall bieten und werden dort den Service für unsere Partner ausbauen. Im Belegschaftsgeschäft haben wir derzeit bereits über unsere Maklerpartner zudem das konkrete Potenzial von über 300.000 Mitarbeitern, die wir mithilfe unserer neuen Tools beraten dürfen. Das wollen wir sukzessive ausbauen.

Schünemann: Wir werden das Jahr 2021 so wie das Jahr 2020 zur Wachstumsgenerierung nutzen. Wir wollen die Aktivität in unserer Vermittlerschaft in unsere Richtung stärken mit all dem, was wir haben. Das Herzstück ist unsere digitale Prozess- und Datenplattform. Die bauen wir weiter aus, damit gewinnen wir mittelständische Makler, die die Sinnhaftigkeit erkennen, mit uns zusammenzuarbeiten.

Grabmaier: Wir wollen den technischen Vorsprung unserer Versicherungsplattform weiter ausbauen und werden alles, was wir an Software haben, ins Netz bringen, so dass man als Vermittler eine völlig web-gestützte Lösung hat, die dann auch auf dem Smartphone und Tablet beim Kunden funktioniert. Wir sind schon “deutscher Meister” in der Bestandsübertragung, mit unserer PSD2-Schnittstelle und der Komplettübertragung des Kundenportfolios aus dem Girokonto heraus wollen wir noch besser werden. Und wir haben jetzt die Struktur geschaffen, dass wir auch wieder attraktiv sind für mittlere und große Investmentvermittler. Die kleineren nehmen wir natürlich auch gerne, denn die All-Sparten-Beratung gehört für jeden guten Vermittler dazu.Cash RT 210920 040 in Erfreulich, wie wendig die Makler sind

Harry Kreis

Ab dem kommenden Jahr müssen Makler ihre Kunden auch zu ihren Nachhaltigkeitspräferenzen befragen. Wie bereiten Sie Ihre angebundenen Makler darauf vor?

Schünemann: Wir tun schon seit Jahren eine Menge dafür, wir haben zum Beispiel Workshops zum Thema ESG (Environment, Social, Governance) gemacht, da gab es ein hohes Interesse. Nachhaltigkeit ist ein wichtiges Thema und wird durch die Regulatorik im nächsten Jahr noch mehr Rückenwind bekommen. Da sind wir gut aufgestellt, sowohl von der Kompetenz als auch von den Produkten her.

Grabmaier: Es gibt bei uns mit “Greenline” ein eigenes Segment im Investmentbereich, mit dem die ESG-Aspekte auch bei den Vermittlern platziert werden. Dort bieten wir alle Arten von Lösungen: eigene, grüne Vermögensverwaltungslösungen, mit Greenfolios ein Investmentportfolio, das schon ESG-konform ist. Beim einzelnen Vermittler müssen wir das Thema aber noch besser kommunizieren, so richtig angekommen scheint es dort noch nicht zu sein.

Kreis: Wir haben bereits seit 2019 in unserem Kapitalanlagebereich viele Grundlagen gelegt, es gab zum Beispiel einen Nachhaltigkeitskongress in München. Soweit ich weiß, ist Apella der einzige Pool, der seinen Maklern einen kostenfreien Zugang zum Ratingtool von Morningstar gibt, die als erste Ratingagentur mit einem Nachhaltigkeitsrating auf den Markt gekommen sind. Über unser Haftungsdach wickeln wir auch unsere hauseigene Vermögensverwaltung ab, die 2021 als weiteren Teil des Sortiments eine Nachhaltigkeitsvariante an den Markt bringen wird. Alle Befragungen zu den Nachhaltigkeitspräferenzen der Kunden werden wir natürlich in unserem hauseigenen Protokollierungstool abfragen und entsprechend festhalten.

Maier: Ich glaube nicht, dass das Thema Nachhaltigkeit beim einzelnen Vermittler tatsächlich schon angekommen ist, aber steter Tropfen höhlt den Stein, über Schulungsmaßnahmen wird sich das verbessern. Dies ist ja auch nicht das einzige Regulatorium, das kommt, und wir sind leider inzwischen daran gewöhnt, neue Vorschriften im Markt einzubringen und umzusetzen.

Die Diskussion leitete Kim Brodtmann, Cash.

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