Der wirtschaftliche Zyklus, der bereits vor einem Jahr vorherrschte, wird sich auch in diesem Jahr fortsetzen. Gastkommentar von Andrew Wilson, Goldman Sachs Asset Management
In gewisser Hinsicht stellt unsere Prognose für das neue Jahr eine Fortsetzung desselben langen Zyklus dar, von dem wir bereits Anfang 2016 ausgingen. Der wichtigste Unterschied für das Jahr 2017 besteht in vier sich abzeichnenden Veränderungsprozessen:
1. Die Globalisierung wird vom wachsenden Populismus herausgefordert, was weitere Risiken heraufbeschwört. 2. Statt Sorgen um geringes Wachstum richtet sich der Fokus auf die steigende Inflation. 3. Nach Jahren der Fokussierung auf die Geldpolitik rückt nun die Fiskalpolitik stärker ins Blickfeld. 4. Die Bedenken im Hinblick auf neue Regulierungsvorschriften schwinden und es besteht Hoffnung auf mehr Deregulierung.
Von Globalität zu Populismus
Die größte Veränderung im gegenwärtigen Umfeld ist das Abrücken vom omnipräsenten Globalisierungstrend, der mit immer größeren grenzüberschreitende Handelsflüssen einherging. Nach Jahren des verlangsamten Wirtschaftswachstums und steigenden Wohlstandsgefälles ist die Unterstützung für Parteien mit populistischeren Botschaften – häufig ausgerichtet auf eine lockerere Fiskalpolitik, Einwanderungsreformen und/oder eine protektionistische Handelspolitik – in den vergangenen Jahren konstant gestiegen. Der Populismus konnte 2016 mit der Entscheidung Großbritanniens für den Austritt aus der Europäischen Union und der Wahl Donald Trumps zum US-Präsidenten zwei wichtige Siege verbuchen. Angesichts ihrer potenziellen Auswirkung auf Europa und der erhöhten Wahrscheinlichkeit, dass die Handelspolitik stärker von Protektionismus geprägt wird, werden wir die Entwicklung populistischer Trends im Jahr 2017 genauestens beobachten.
Von Stagnation zu Inflation
Unser letztjähriger Ausblick war geprägt von geringer Inflation und nominalem Wachstum. Bereits damals zeichnete sich ab, dass bei beiden Faktoren höhere Kennzahlen erwartet werden. Für 2017 ist von weniger Sorgen bezüglich einer potenziellen säkularen Stagnation auszugehen. Stattdessen dürfte in den USA ein Paradigmenwechsel zugunsten eines stärker von der Inflation geprägten Systems zu beobachten sein.
Die Inflationstendenzen und Wahrscheinlichkeit einer restriktiveren Geldpolitik als Gegenreaktion legen nahe, dass die Zinssätze in den USA 2017 weiter steigen werden. Die verschiedenen Sektoren am Aktienmarkt dürften unterschiedlich auf ein Umfeld steigender Zinsen und höherer Inflation reagieren. Finanztitel sollten sich überdurchschnittlich entwickeln, während sich Aktien, die in der Vergangenheit höhere Erträge oder geringere Volatilität auswiesen, möglicherweise schwächer entwickeln als der breite Aktienmarkt. Dazu zählen wir u.a. Versorger oder nichtzyklische Konsumgüter. Auch Real-Estate-Investment-Trusts könnten unter Druck geraten. Wir gehen jedoch von einer teilweisen Kompensierung aus, da eine steigende Inflation zu höheren Mieten führt – im Gegensatz zu den negativen Auswirkungen, die eine Inflation aufgrund steigender Herstellungskosten auf nichtzyklische Konsumgüter haben könnte.