In dem wohl größten Steuerskandal der deutschen Geschichte, in den als „Cum-Ex“-Geschäfte bekanntgewordenen Aktiendeals zu Lasten der Staatskasse, will das Bonner Landgericht etwas Licht ins Dunkel bringen. Vor dem Gericht müssen sich ab Mittwoch (9.30 Uhr) zwei ehemalige Aktienhändler verantworten – es ist der erste Strafprozess zu dem brisanten Thema.
Die Staatsanwaltschaft Köln wirft den zwei Briten besonders schwere Steuerhinterziehung in 33 Fällen vor. Hinzu kommt noch ein Fall der versuchten Steuerhinterziehung.
Was passiert ist
Als „besonders schwer“ gilt Steuerhinterziehung schon ab 50 000 Euro – die Aktienhändler sollen einen Steuerschaden von mehr als 440 Millionen Euro angerichtet haben. Die Strafkammer am Landgericht Bonn plant nach 31 Verhandlungstagen ein Urteil am 9. Januar 2020.
Den Angeklagten drohen bis zu zehn Jahre Haft. Da sich die Angeklagten zugleich aber als Kronzeugen sehen, könnte das Strafmaß deutlich reduziert werden.
Bei „Cum-Ex“ nutzten Investoren eine Lücke im Gesetz, um den Staat über Jahre um Milliardensummen zu prellen. Rund um den Dividendenstichtag wurden Aktien mit („cum“) und ohne („ex“) Ausschüttungsanspruch zwischen mehreren Beteiligten hin- und hergeschoben.
2.4 Milliarden Euro bereits zurückgefordert
Am Ende war dem Fiskus nicht mehr klar, wem die Papiere gehörten. Finanzämter erstatteten Kapitalertragsteuern, die gar nicht gezahlt worden waren. Das Steuerschlupfloch wurde 2012 geschlossen. Bisher ist noch nicht gerichtlich geklärt, ob „Cum-Ex“-Geschäfte eine Straftat waren oder nicht.
Nach jüngsten Zahlen des Bundesfinanzministeriums gehen Ermittler inzwischen 499 Verdachtsfällen mit einem Volumen von 5,5 Milliarden Euro nach. Davon seien bisher 2,4 Milliarden Euro an Kapitalertragsteuer erfolgreich zurückgefordert oder gar nicht erst ausgezahlt worden.
Experten gehen von einem noch höheren Schaden aus: Deutschen Finanzämtern sind nach Berechnungen des Steuerexperten Christoph Spengel von der Universität Mannheim zwischen 2001 und 2016 mindestens 31,8 Milliarden Euro entgangen.
„Wer Steuern raubt, muss sich strafrechtlich verantworten“
Aus der Politik kamen Forderungen nach konsequentem Vorgehen. Anja Hajduk, Vize-Fraktionsvorsitzende der Grünen im Bundestag, sagte: „Wer Steuern raubt, muss sich strafrechtlich verantworten, alles andere ist eine massive Ungerechtigkeit gegenüber den deutschen Steuerzahlern.“
Die Bundesregierung sollte sich ein Beispiel an der Justiz nehmen und dafür sorgen, „dass endlich genügend Ressourcen zur Ermittlung der Täter zur Verfügung stehen, damit sie nicht straflos davon kommen“.
Fabio De Masi, finanzpolitischer Sprecher der Bundestagsfraktion der Linken, sagte: „Es wäre fatal, würde das Gericht vor den komplexen Finanztricks kapitulieren.“ Aus seiner Sicht trägt auch die Politik eine Verantwortung, „da verschiedene Finanzminister die Cum-Ex-Abzocke zehn Jahre laufen ließen“.
„Höchste Zeit, dass Steuerraub zur Verantwortung gezogen wird“
Der langjährige Grünen-Bundestagsabgeordnete Gerhard Schick, der nach seinem Abgang aus dem Parlament an die Spitze der branchenkritischen Nichtregierungsorganisation Finanzwende wechselte, mahnte ebenfalls eine entschlossene Gangart an.
„Es ist höchste Zeit, dass im größten Steuerraub der deutschen Geschichte die ersten Täter vom Staat zur Verantwortung gezogen werden“, sagte der Finanzexperte. Auch Schick monierte, „dass von staatlicher Seite bis zum heutigen Tag nicht alles für die Aufklärung unternommen wurde“. (dpa/AFX)
Foto: Shutterstock