„Es muss das Bewusstsein geschaffen werden, wie wichtig das Thema AKS ist“

Stichwort Schule. Die Produktmeldungen zeigen, dass Schüler und Studenten eine neue Zielgruppe sind. Mich würde interessieren, wie attraktiv diese Zielgruppe ist? 

Gervens: Das stimmt, die Produkte richten sich auch immer mehr auf die Zielgruppe der Schüler und Studenten aus. Wir haben erst letztes Jahr in einem Update unserer BU unsere Schüler-, Studentendefinition verbessert. Es gibt immer mehr Bausteine oder Möglichkeiten in den Produkten, die dafür sorgen, dass das Produkt ein Arbeitsleben lang zu dem Kunden passt. Man muss aber aus Sicht des Produktmanagements sagen, dass Schüler und Studenten vom Risiko her schwerer zu beurteilen sind als ein dreißigjähriger Festangestellter. Bei dem kennen wir den Beruf. Bei Schülern weiß man nicht: Geht es ins Handwerk oder ins Studium oder macht er oder sie etwas ganz anderes? Das ist vom Risiko her schon eine andere Einschätzung. Aber mit vielen Flexibilitäten wie Berufswechselprüfung oder Nachversicherungsmöglichkeiten ist eine frühe Absicherung für diese Zielgruppe sinnvoll. Zudem sind die Kunden meist noch gesund. Wir merken auch, dass das Thema bei der Zielgruppe angenommen wird und die Zielgruppe am Markt für Berater und Produktanbieter immer wichtiger wird. 

von Rotberg: Grundsätzlich ist die große Herausforderung bei Studierenden die Bedarfsdeckung. Es wacht keiner morgens auf und sagt: „Ich brauche eine Arbeitskraftabsicherung.“ Es geht darum, sich mit dem Thema auseinanderzusetzen. Und damit sind wir wieder am Anfang. Die Herausforderung für den Berater ist, dieses Bewusstsein zu schaffen: Was kann passieren? Ich glaube, Corona hat dieses Bewusstsein bei ganz vielen geschaffen, weil man diese Sensibilität hatte und sich dann doch eben die Frage gestellt hat: Was wäre, wenn? Auch in der Familie: Was wäre, wenn der Papa ausfällt? Was wäre, wenn ich nicht mehr studieren gehen könnte für die nächsten sechs oder gar zwölf Monate, weil ich psychisch belastet bin aufgrund vieler Themen? Die Welt hat sich in den letzten drei Jahren verändert. Und je früher man an die Kundinnen und Kunden herankommt, desto besser ist es. Stichwort Social Media. 

Herr Lehmann, wie steht es denn mit der Absicherungssensibilität bei der Zielgruppe aus? 

Lehmann: Ich würde Schüler und Studenten nicht zusammenfassen. Bei Studenten ist das Bewusstsein deutlich höher als bei einem Schüler. Deswegen sage ich auch, dass man bei Schülern das Bewusstsein schon im Bildungssystem schaffen muss. Der Student hat schon allein durch die längere Lebenserfahrung eine gewisse Sensibilisierung. Ich habe viele ehemalige Kommilitonen als Kunden und jetzt auch immer neue Studenten, die in ihrem letzten Masterjahr sind oder kurz vor Berufsstart. Studenten sind übrigens eine sehr attraktive Zielgruppe für uns als Vertrieb, weil wir sie lebenslang als Kunden beraten. Wir setzen uns jedes Jahr einmal mit dem Kunden zusammen. Jeden meiner Kunden, mit dem ich einen Termin habe, den terminiere ich auf ein halbes Jahr spätestens wieder, erst mal mit Bleistift, und dann sehe ich den aber auch jedes Jahr einmal. Deswegen ist der Student, der spätere gutverdienende Angestellte oder Unternehmer oder Selbstständige für mich oder uns eine sehr gute Zielgruppe. Hinzu kommt: Die studentische BU-Versicherung oder Arbeitskraftabsicherung ist allgemein günstiger als die im späteren Beruf. Und der Markt bietet Tarife hierfür. 

Was sind die Faktoren, die bei der jüngeren Zielgruppe eine Rolle spielen? Und wie sieht es bei den älteren Kunden aus?

Lehmann: Beim Studenten ist es das Preisbewusstsein. Der schaut schon eher drauf, kostet die BU-Absicherung jetzt 35 Euro oder 50 Euro, vor allem, wenn die Leistungen ähnlich oder gleich sind. Und bei der Berufsunfähigkeitsversicherung haben wir inzwischen mehr als eine Handvoll an Premiumtarifen am Markt. Die Qualität der Tarife ist extrem gewachsen. Bei älteren Personen geht es dann eher um Leistungen im Detail. Zum Beispiel bei Familien: Hat der Versicherer eine Teilzeitklausel? Etwa bei Elternzeit. Die Leistungsbedingungen im Detail interessiert hingegen eher die ältere Generation, vielleicht auch das Thema Steuer, vielleicht auch eine Kopplung mit einer Basisrente. Das wird nicht gern gesehen, aber für manche Kunden ist es tatsächlich ein Trigger zu sagen: Jetzt mache ich eine Berufsunfähigkeitsversicherung. Weil sie sich jetzt rechnet.

Gervens: Wenn man mit älteren Kunden über Sofortleistungen, Wiedereingliederung oder Reha-Hilfen oder Ähnliches spricht, so haben diese auch in ihrem Bekannten-, Freundeskreis schon eher Erfahrungen auch mit solchen Themen gesammelt, als das bei jüngeren Kunden der Fall ist. Jüngere Kunden haben natürlich die Prämien im Vordergrund und das Thema Flexibilität spielt sicherlich auch eine große Rolle. Ältere Kunden achten unserer Erfahrung nach auch noch mal mehr auf Kundenservice und Unterstützung: Was bietet denn der Versicherer da? Habe ich einen persönlichen Ansprechpartner, wenn mal etwas passiert?

von Rotberg: Ich glaube, die Älteren haben dieses Leistungsthema stärker auf dem Schirm als jetzt die Studierenden. Da ist es vielleicht noch nicht so greifbar. Themen wie Leistungsquoten, sind da wichtig, um schon ein bisschen ein Gefühl dafür zu entwickeln: Wie steht der Versicherer zu seinem Leistungsversprechen auch historisch. 

Wie hoch sind ihre Leistungsquoten? 

von Rotberg: Über die letzten Jahre gesehen spricht für Swiss Life eine Annerkennungsquote von über 80 Prozent. Es ist dabei auch  interessant zu sehen, was mit dem restlichen Anteil los ist. So melden sich viele Kundinnen und Kunden nicht mehr oder ziehen ihrenAntrag zurück, das sich der Gesundheitszustand wieder verbessert hat. Unsere Prozessquote beträgt gerade einmal 0,7 Prozent. 

Frau Gervens, wie sieht es bei Ihnen aus?

Gervens: Trotz der hohen Leistungsquoten gibt es dieses Vorurteil. Unsere Leitungsquote liegt laut dem aktuellen Morgen & Morgen-Rating bei ausgezeichneten 82,46 Prozent. Auch das ist eine stabile Leistungsquote, die wir über die Jahre hinweg so halten. Und rund 40 Prozent reagieren nicht mehr, wenn ärztliche Unterlagen angefordert und Rückfragen gestellt werden. Der andere Fall ist einfach, warum es manchmal dann auch nicht zur Leistung kommt, dass kein ärztlich festgestellter BU-Grad von 50 Prozent vorgewiesen ist. 

Was sind aus Ihrer Sicht wichtige Anpassungsoptionen? Was sind denn absolute Must-haves? 

von Rotberg: Bei Swiss Life ist die BU Protect ein echtes Highlight. Damit erhält  man 70 Prozent seines Versicherungsschutzes für 5 Euro über einen gewissen Zeitraum aufrecht, wie zum Beispiel bei Kurzarbeit, Arbeitslosigkeit, Weiterbildung, Elternzeit oder einem Sabbatical. Das ist ein Punkt, mit dem wir einen Nerv treffen und die Menschen auch wirklich mitnehmen können. 

Gervens: Das Produkt sollte ein Lebensbegleiter sein und das ist mit das Wichtigste. Dafür sind umfangreiche Nachversicherungsgarantien auf jeden Fall eines der wichtigsten Themen. Dinge wie die Berufswechselprüfung, denn die Erwerbsbiografie verläuft längst nicht mehr gradlinig. Man beginnt heute in einem Beruf, schult vielleicht noch mal um, nimmt andere berufliche Tätigkeiten auf. Da ist es wichtig, die Flexibilität zu haben und dann auch den günstigeren Beitrag zu bekommen. Wichtig ist aber auch, bei Zahlungsschwierigkeiten den Schutz aufrechtzuerhalten. Oder Anpassungsmöglichkeiten zu haben, wenn sich zum Beispiel die Regelaltersgrenze erhöhen sollte. Denn wir wissen heute nicht, ob wir nicht länger als bis 67 arbeiten müssen und das Produkt weiterhin noch Schutz bietet? Und auch Leistungen wie Wiedereingliederungshilfe, Umorganisationshilfe, Reha, also Sofortleistungen, die mich auch unterstützen, um wieder in meinen Beruf zu kommen, wären wichtige Bestandteile eines guten AKS-Schutzes.

Lehmann: Nehmen wir die Generation Z. Die wollen vielleicht ein Jahr ins Ausland. Da spielen Optionen in der Berufsunfähigkeitsversicherung wie beitragsfrei stellen oder stunden eine Rolle. Diese Flexibilität tatsächlich zu haben, auf die Generation in dem Fall angepasst, ist wichtig für die Zielgruppe. Ganz wichtig ist zudem die Anpassung der Regelaltersgrenze: Da trennt sich die Spreu vom Weizen bei den Premiumanbietern am Markt. Swiss Life, Volkwohl Bund, Sie haben beide die Anpassung der Regelaltersgrenze, wenn sie gesetzlich angepasst wird, eingeschlossen. Andere Premiumanbieter fliegen genau dort raus.

Markus Freiherr von Rotberg: „Die Herausforderung für den Berater ist es, das Bewusstsein zu schaffen.“

Warum?

Lehmann: Wenn ich drei, vier andere Anbieter habe, die ein ähnliches Preis-Leistungs-Verhältnis haben und genau dieser Punkt nicht erfüllt ist, dann selektiere ich die aus. Gerade bei den jungen Kunden wir die aktuelle Renteneintrittsaltersgrenze nicht bei 67 bleiben. Die Wahrscheinlichkeit, dass man im Alter berufsunfähig wird, ist deutlich höher. Gerade ab 65 Jahren? Bei Endalter über 65 Jahren hatten wir 2021 einen Anteil von 61 Prozent. Und es ist Wahnsinn, dass immer noch Verträge aktiv vermittelt werden, die unter 65 absichern und im schlimmsten Fall ohne Anpassungsoption. 

Es gibt Kunden, die durchaus die Regelaltersgrenze niedriger ansetzen, um die Beiträge zu senken. 

Lehmann: Ich sage jedem Kunden, dass wir hier ein existenzielles Risiko absichern. Und frage ihn, wieso er sich jetzt weitere Risiken ins Boot holen möchte. Und zwar das Risiko, dass ab 62 Jahren ohne Absicherung dazustehen und die Beiträge umsonst gezahlt zu haben. Genau das ist der springende Punkt. Wenn wir eine BU-Absicherung machen, schauen wir nicht auf fünf Euro Beitrag. Dann sparen wir uns lieber die Handy-Versicherung.

Aber das ist manchmal von der Wertigkeit her wichtiger als eine BU-Absicherung. 

Lehmann: Leider. Da sind wir wieder beim Thema Bewusstsein. Viele sichern ihr Auto Vollkasko ab, haben aber keine BU oder Grundfähigkeit.

Wie wichtig ist die Beitragsstabilität gerade beim Thema BU?

Gervens: Die Beitragsstabilität ist ein sehr wichtiges Thema, und sollte beachtet werden. In vorhandenen Ratings dazu werden unter anderem Kriterien wie Unternehmenskennzahlen und das Angebot von Aktionen mit vereinfachter Gesundheitsprüfung untersucht. Wir wurden damit ausgezeichnet, dass wir stabile BU-Prämien bieten und noch nie eine Anpassung der BU-Prämien vorgenommen haben. Das ist uns wichtig und vielleicht auch entscheidend für viele Kunden. Sie müssen sich Jahrzehnte auf uns verlassen können.

von Rotberg: Unsere erste BU wurde vor rund 125 Jahren verkauft. Wir sind schon sehr lange am Markt und stehen für Schweizer Werte Finanzkraft und Verlässlichkeit. Was Frau Gervens gesagt hat, möchte ich ergänzen, weil die nachträgliche Beitragsanpassung keine Lappalie ist und auch sehr viel mehr als nur eine riesengroße Enttäuschung für den Kunden bedeutet. Beitragsstabilität darf eigentlich kein Thema sein, sondern das muss gegeben sein. Kundinnen und Kuden brauchen Versicherer mit Erfahrung und Finanzstabiliät und keinen Versicherer, der  alle drei Wochen preislich etwas Neues auf den Markt bringt. In meinen Augen geht es hier um Stabilität und Seriosität. Wie gesagt, das sind 30, 40 Jahre, die ein Vertrag halten muss. Was kann Schlimmeres passieren, als wenn nach zehn Jahren die Meldung kommt: Oh, jetzt wird der Beitrag aber um 30, 40, 50 Prozent teurer. Und der Kunden kann keine neue BU mehr abschließen, weil die Hürden bei der Gesundheitsprüfung nun zu hoch sind. Das ist der Supergau.

Lehmann: Da schießt sich der Versicherer also nicht nur selbst ins eigene Bein, sondern tut wirklich was für die gesamte Branche. Ich kann mich an einen konkreten Fall erinnern, 2018 war das, glaube ich. Der Versicherer hat die Prämie also Brutto-Netto-Spread gekürzt und extrem angepasst. Die Kunden, die wir wegbringen konnten, haben wir bei neuen Versicherern untergebracht. Die anderen Kunden hatten keine Chance mehr, dort aufgrund der Gesundheitsprüfung herauszukommen. So etwas wird ausgeschlachtet. 

Was sind die entscheidenden Kriterien, die bei einer BU den Ausschlag geben.

Lehmann: Als Vertriebler schaue ich weniger auf die Ratings von Franke und Bornberg oder Morgen & Morgen: Hat er jetzt vier oder fünf Sterne? Viele der Versicherer mit einem sehr hohen Leistungsniveau haben auch eine sehr hohe Finanzstabilität. Das heißt, es sind ohnehin wirklich gute Gesellschaften dabei mit sehr guten Tarifen, und dann sind es nur noch Nuancen, die den Unterschied machen, wie Flexibilität, solche Leistungen mit der Regelaltersgrenze, Teilzeit. Wo sich die Versicherer extrem unterscheiden, ist bei der Risikoprüfung. 

Lesen Sie hier, wie es weitergeht.

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