„Es muss das Bewusstsein geschaffen werden, wie wichtig das Thema AKS ist“

Ich würde noch einmal gerne auf die Grundfähigkeitsversicherung zurückkommen? Sie sagten eingangs, dass dort eine Menge Drive im Markt ist. Was macht das Thema so spannend?

Gervens: Die GF ist eine gute Alternative für Menschen, für die die BU vielleicht gerade nicht infrage kommt oder auch für Menschen, die einen anderen Bedarf absichern wollen. Es ist schon so, dass sich der GF-Markt – das merken wir auch, wir sind seit 2014 mit einem Grundfähigkeitsprodukt am Markt – seitdem wirklich sehr stark gewandelt hat, auch, was die Anzahl und das Angebot der Marktteilnehmer angeht. Am Anfang waren das eine Hand voll. Mittlerweile sind wir da schon bei über 20 Anbietern. Das bringt natürlich eine gewisse Dynamik mit sich. Die Definitionen verbessern sich, die Produkte werden viel zielgruppenspezifischer. Der Trend, den man aktuell bei der Produktentwicklung feststellt, geht hin zu mehr Modularität. Anfangs gab es eher Kompaktprodukte. Jetzt ist es schon so, dass das Produkt eher mit Bausteinen arbeitet, so dass man den Bedarf des Kunden individueller abdecken und zusammenstellen kann. Man muss aber auch sagen: Die GF-Absicherung ist ein anderes Produkt als die BU. Aber sie etabliert sich immer mehr, sie wird auch immer mehr angenommen. Das merken wir schon sehr stark.

von Rotberg: Wir sind Konsortialführer bei der Metallrente, Klinikrente und Chemierente. Denen ist das natürlich ein ganz wichtiges Thema, dass man hier ein adäquates Produkt hat. Es ist eine Alternative, über die man mit dem Kunden sprechen muss. Welcher Schutz ist der richtige? Es ist gut, dass sich jetzt viele Versicherer des Themas  annehmen. Das sorgt dafür, dass sich die Produkte weiterentwickeln. Der Austausch sorgt zudem dafür, dass es beim Berater noch stärker ankommt und dann beim Kunden. Wir merken schon, die Grundfähigkeit hat die Nische verlassen. 

Herr Lehmann, was nehmen Sie wahr? 

Lehmann: Die Nachfrage nicht, weil die meisten Kunden das nicht kennen. Aber die Berater sind tatsächlich darauf geschult. Weg von der Notlösung hin zu einer ernstzunehmenden Alternative zu BU für bestimmte Zielgruppen. Diese Entwicklung ist spürbar. Es gibt teilweise ja Berufe oder auch Kundenzielgruppen, die mit der Grundfähigkeit besser abzusichern sind als mit einer Berufsunfähigkeitsversicherung. Damit meine ich nicht von den Preisen her, sondern auch von den Leistungen. Deswegen, ja, das ist so, dass wir als Berater da auch das jederzeit auf dem Schirm haben und den Kunden darauf ansprechen und auch wissen, bei welchen Kunden ist das eine ernstzunehmende Alternative oder die bessere Alternative sogar. Aber da ist ganz, ganz viel Luft noch nach oben am Markt, ganz, ganz viel Luft. Wo wir beim Thema BU über ja viele Premiumtarife sprechen und nur Nuancen, die den Unterschied machen, ist es bei der Grundfähigkeit so, dass es wirklich, wirklich auch für den Berater schwierig ist, da die passenden Tarife rauszusuchen, weil so extrem große Unterschiede noch da sind, zwischen den Tarifen. Da ist echt Luft nach oben. Es hat sich die letzten Jahre schon gebessert, aber da gibt es noch ganz, ganz viel Luft nach oben bei den eigentlich neuen Grundfähigkeiten. Ein BU-Vergleich bei Morgen-&-Morgen ist deutlich einfacher als ein Grundfähigkeitsvergleich. Weil es extreme Unterschiede gibt.

Carina Gervens: „Das Produkt sollte ein Lebensbegleiter sein und das ist mit das Wichtigste.“

Mittlerweile sehen einige Ratingagenturen auch einen beginnenden Definitionswettbewerb bei der Grundfähigkeit und kritisieren dies. Droht hier nicht wieder ein Überbietungswettbewerb zulasten von Kunden?

von Rotberg: Auf der einen Seite versuchen Ratingagenturen immer wieder, die Versicherer anzutreiben, Bedingungswerke zu optimieren, besserzumachen, klarer in den Definitionen zu machen. Das ist ja das eine. Auf der anderen Seite solle es dann nicht zu feingliedrig definiert sein. In dem Spannungsverhältnis bewegt man sich. 

Gervens: Zu Einführung der Grundfähigkeit am Markt waren die Produkte und Definitionen komplett unterschiedlich. Über die Jahre haben sich Standartgrundfähigkeiten etabliert. Auch Rater definieren sogenannte «Standartfähigkeiten». Es gibt natürlich immer noch einige Unterschiede, die den Vergleich einer Grundfähigkeit am Markt schwerer machen. Die BU im Vergleich dazu ist ein sehr lange am Markt bestehendes und ausgereiftes Produkt. Wir schauen bei unseren Produktentwicklungen immer, was eine wirklich wichtige und sinnvolle Absicherung für den Kunden ist. Und da verbessern wir unsere Bedingungen ständig. Wahrscheinlich ist es für den Vermittler aktuell noch schwer, Unterschiede festzustellen. Das ist aber dem jungen Produkt geschuldet.

Lehmann: Ich finde, die Tarife unterscheiden sich zu sehr und sind schwierig zu vergleichen. Im Gegensatz zu der BU, wo ja der Leistungsauslöser klar definiert ist, ist es bei der Grundfähigkeit so, dass viele verschiedene Leistungsauslöser von einzelnen Versicherern angeboten werden, also unterschiedliche Grundfähigkeiten, die abgesichert werden. Das ist der Hauptpunkt, was die Vergleiche erschwert. Dann die einzelnen Bedingungen. Klar, dass es Unterschiede gibt und geben muss. Aber diese verschiedenen Leistungsauslöser sind die eigentliche Problematik. Für manche Versicherer mag das modulare System genial erscheinen. Den Vermittler stellt das vor Probleme. Und er nimmt im Zweifelsfall alles, um nichts zu vergessen. 

Abschließende Frage: Wo liegen beim dem Thema Arbeitskraftabsicherung die Herausforderungen und was sind Ihre Erwartungen für das Jahresende?

von Rotberg: Man darf nicht müde werden, das Thema BU hochzuhalten: Welche mediale Wirksamkeit kann ich mit dem Thema erreichen, und spreche ich die richtigen Punkte an? Der Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft nimmt sich ebenfalls immer wieder des Themas an. Kann man daraus ein Gesamtkonzept entwickeln? In meinen Augen sind die Versicherer genauso gefragt wie auch die Vermittler. Nur so wird es stimmig. Und die betrieblichen BU-Ansätze, können, weil man große Versorgungen oder eine Vielzahl an Versorgungen bildet, wirklich ein Weg für die Zukunft sein. 

Gervens: Die größte Herausforderung ist weiterhin, den Kunden einen guten und für Ihre Bedürfnisse passenden Versicherungsschutz zur Verfügung zu stellen. Wir hatten auch das Thema Durchdringungsquote gesprochen. Wir müssen mehr Leuten bewusst machen, wie wichtig eine Arbeitskraftabsicherung ist. Und ihnen dann auch den Schutz ermöglichen. Da sehe ich einige Herausforderungen für Versicherer und die Berater in der nächsten Zeit.

Lehmann: Versicherer, Vermittler, und ich nehme wie anfangs schon gesagt bei der Durchdringungsquote die Verpflichtung des Bildungssystems noch mit hinein. Nicht nur wir als Versicherer und Vermittler sind dort in der Pflicht. Es muss schon früher anfangen. Grundsätzlich sollten die Themen Finanzen und vor allem das Thema AKS auch im Bildungssystem Anklang finden. Dann wäre es auch vertrieblich leichter.

Zu dem gesamten EXTRA Arbeitskraftabsicherung, von dem dieser Artikel ein Teil ist, geht es hier.

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