ESG-Abfrage in der Praxis: Start mit Hindernissen

So sind auch ein Jahr nach der Einführung der ESG-Abfragepflicht 13 der 24 Publikums-AIFs, die sich Anfang Februar im Vertrieb befanden, Artikel-6-Produkte (siehe Grafik). Sie verzichten also auf die formale Berücksichtigung von Nachhaltigkeitskriterien. Immerhin neun Fonds stufen sich unter Artikel 8 ein. Lediglich zwei Angebote sind Artikel-9-Produkte.

Dabei handelt es sich neben der aktuellen Emission des Solar-Spezialisten Hep um den Fonds Clean Power von Euramco, mit dem das einst als Sachsenfonds bekannte Unternehmen im Herbst 2023 nach rund 15 Jahren wieder in das AIF-Publikumsgeschäft zurückgekehrt ist. Für 2024 erwartet Geschäftsführer Jürgen Göbel, „dass unser Artikel-9-Fonds Euramco Clean Power hohes Interesse bei Investoren findet“. Auch Ökorenta hat als Nachfolger des Ende 2023 geschlossenen Erneuerbare Energien 14 einen weiteren Artikel-9-Fonds angekündigt, der bei Redaktionsschluss aber noch nicht auf dem Markt war.

Alle drei Anbieter investieren in Erneuerbare-Energien-Anlagen. Weder die Investitionsgegenstände noch die Wahrnehmung dieser Fonds als nachhaltige Anlage seitens der Kunden werden sich durch den hohen bürokratischen Aufwand für die formalen Anforderungen, Kontroll- und Dokumentationssysteme für ESG somit wesentlich verändert haben. Außer Papierkram ist also nicht viel passiert.

Gleiches Konzept wie die Vorgängerfonds

Die meisten der Artikel-8-Fonds verfolgen im Kern ebenfalls das gleiche Konzept wie ihre jeweiligen Vorgänger (sofern vorhanden). Dazu zählt etwa der ImmoChance Deutschland 12 Renovation Plus von Primus Valor, der in den Kauf von Bestands-Wohnimmobilien und deren Aufwertung investiert. Das umfasst regelmäßig auch die energetische Sanierung der Gebäude, die das Unternehmen schon seit vielen Jahren aus ökonomischen Gründen durchführt, wie Primus Valor Vorstand Gordon Grundler stets betont.

Das hilft heute sicherlich bei der Qualifizierung als Artikel-8-Fonds, notwendig waren dafür aber hauptsächlich diverse formale Anpassungen und Definitionen. Wahrscheinlich war das mühselig, erforderte aber auch in diesem Fall keine besondere Änderung der Investitionsstrategie.

Kritik auch vom ZIA

Immerhin zählt Primus Valor damit zu den wenigen Akteuren, die im Immobilienbestand aktiv sind. Ansonsten lenken die ESG-Vorschriften das Kapital – vor allem auch aus offenen Immobilien- und Spezialfonds – in erster Linie in Objekte, die ohnehin schon über einen hohen Energiestandard verfügen, wie der Immobilienverband ZIA unlängst kritisierte. Die „worst performing buildings“, also die große Zahl von miserabel isolierten Altbauten, werden in der Regel links liegen gelassen.

Dabei ließe sich gerade bei diesen „CO2-Schleudern“ oft mit wenig Geld viel Treibhausgas einsparen. Vor allem institutionelles Kapital macht jedoch in der Regel einen großen Bogen darum, weil sich mit vertretbarem Aufwand zwar eine erhebliche Verbesserung des Energiebedarfs erreichen lässt, aber meistens nicht das in der Taxonomie geforderte Spitzenniveau. Wenn sich an den ESG-Kriterien nichts ändert, „verfällt der Bestand“, warnte unlängst gar ZIA-Vize Jochen Schenk im Cash.-Interview.

Kein Nachteil ohne Nachhaltigkeits-Einstufung

Insgesamt ist der Start in die grüne Zukunft also ziemlich holprig und mit einigen Hindernissen gespickt. Immerhin verfügt inzwischen fast die Hälfte der Publikums-AIFs über eine ESG-Einstufung. Bisher haben die vielen Vorschriften indes meistens nur zu mehr Bürokratieaufwand geführt, aber nicht erkennbar mehr Kapital in nachhaltige Investitionen gelenkt, die sonst nicht vorgenommen worden wären. Und wohl auch nicht weniger Kapital in Anlagen, die über keine Nachhaltigkeits-Einstufung verfügen (was nicht heißt, dass sie nicht nachhaltig agieren, sondern nur, dass sie die formalen Kriterien nicht erfüllen).

Das belegt unter anderem das Platzierungsergebnis des Private-Equity-Spezialisten RWB im vergangenen Jahr, der zu den wenigen Anbietern zählt, die 2023 zulegen konnten (siehe Marktreport). Die RWB-Dachfonds investieren über ihre Zielfonds global in eine Vielzahl einzelner Unternehmen, auch außerhalb Europas. Ausreichend viele Zielfonds, die sich bei ihren Investitionen an den EU-Kriterien orientieren, stehen jedoch nicht zur Verfügung. So sind die RWB-Fonds unter Artikel 6 klassifiziert. Behindert hat das die Fonds und ihren Platzierungserfolg bislang offenkundig nicht.

Festzuhalten bleibt aber auch: Sachwertfonds können einiges zur grünen Zukunft beitragen, etwa mit Investitionen in Erneuerbare Energien, entsprechende Infrastruktur, Altbausanierung oder andere nachhaltige Projekte. Aber nur dann, wenn ihnen nicht die Politik durch übertriebene Bürokratie unnötig große Steine in den Weg legt.

Dieser Artikel stammt aus dem Cash.SPECIAL Nachhaltigkeit in der Ausgabe 3/2024.

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