So rät Daniel Berger, Anwalt in der Kanzlei Wirth Rechtsanwälte, Finanzdienstleistern, sich bei der vorgeschriebenen Abfrage der Nachhaltigkeitspräferenzen der Kunden im Rahmen der Beratung zu Finanzanlagen (MiFID II) und Versicherungsanlageprodukten (IDD) nicht an der gängigen Einstufung der Produkte nach Artikel 8 oder Artikel 9 der EU-Offenlegungsverordnung zu orientieren. „Vergessen Sie Artikel 8 und Artikel 9“, so Berger in seinem Vortrag sinngemäß.
Relevant ist vielmehr die Klassifizierung in drei Kategorien, die in einer Unterverordnung („Delegierte Verordnung“) zur Finanzmarktrichtlinie MiFID 2 definiert sind und nicht der Offenlegungsverordnung entsprechen. Demnach fallen in die (höchste) MiFID-Kategorie A jene Produkte, die der EU-Taxonomieverordnung entsprechen und damit einen wesentlichen Beitrag zu einem der Nachhaltigkeitsziele der EU leisten.
Produkte, die der Offenlegungsverordnung entsprechen, landen grundsätzlich nur in Kategorie B, wobei auch dies kein Automatismus ist. Vielmehr müssen Artikel-8-Produkte noch weitere Kriterien erfüllen („Artikel-8-plus“), und Artikel-9-Produkte können unter Umständen auch in Kategorie A gehören.
Die MiFID-Kategorie C ist für Produkte vorgesehen, die die Nachhaltigkeitskriterien nicht oder nicht vollständig erfüllen, aber zumindest nachteilige Auswirkungen auf bestimmte Nachhaltigkeitsziele ausschließen („Principle Adverse Impacts“, PAI). Kategorie C ist damit keineswegs mit Artikel 6 der Offenlegungsverordnung gleichzusetzen.
Äußerst komplexer Vorgang
Die Kunden können dann festlegen, welche Teile ihrer Anlagesumme den drei Kategorien entsprechen sollen. Sofern die Anlageempfehlung aus mehreren Produkten besteht, beziehen sich die Prozentsätze auf das Gesamtportfolio und nicht auf die einzelnen Vorschläge, so Berger. Wenn die einzelnen Produkte nur teilweise nachhaltig investieren, werden sie entsprechend anteilig berücksichtigt – ein äußerst komplexer Vorgang also.
Berger empfiehlt dringend, sich dabei auf die Einstufung und die Angaben der Anbieter zu verlassen und zu beziehen. Er rät dringend davon ab, diese zu hinterfragen oder gar eigene Einstufungen vorzunehmen. „Sonst kommen Sie in Teufels Küche“, so der Rechtsanwalt. Die Nachhaltigkeitsabfrage kann nur entfallen, wenn der Kunde zu Beginn der Beratung angibt, dass Nachhaltigkeit nicht berücksichtigt werden soll.
Auf dem „Vertriebsgipfel 2024“ diskutierten am Mittwoch und Donnerstag in Rottach-Egern am Tegernsee unter der Leitung von Friedrich A. Wanschka rund 40 Teilnehmer aus der Versicherungs- und Finanzbranche über aktuelle Themen des Vertriebs. Auf der Agenda standen neben weiteren ESG-Aspekten und einigen produkt-bezogenen Vorträgen unter anderem die Stichworte ELTIF, Künstliche Intelligenz und Rechtsthemen. Veranstalter war die Redaktion Medien Verlag von Astrid Klee.