Special Nachhaltigkeit: Grüne Geldanlage gewinnt

Dabei besteht eine weitere Herausforderung: Sowohl Artikel 8 als auch Artikel 9 setzt neben den aktiv definierten Nachhaltigkeitskriterien voraus, dass der Fonds keines der verbliebenden Nachhaltigkeitsziele der EU erheblich verletzt. Dafür hat sich mittlerweile ein weiteres Kürzel etabliert: DNSH – „Do not significant harm“.

So ist neuerdings nicht selten von DNSH-Kriterien oder -Grundsätzen zu lesen. Diese rücken zunehmend in den Mittelpunkt der bürokratischen Herausforderung, weil es dabei nicht nur um einzelne, sondern um alle Bereiche der Taxonomie geht. Und selbstredend gibt es auch dazu eine EU-Vorschrift: 30 eng bedruckte Seiten inklusive „DNSH-Checkliste“. Fonds ohne die spezielle Berücksichtigung von Nachhaltigkeitskriterien fallen unter Artikel 6 der Offenlegungsverordnung, müssen aber auch dies „offenlegen“.

Objekt des neuen Artikel-8-Fonds von Wealthcap: Mixed-Use-Immobilie „Haus Postplatz“ in Dresden mit rund 18.500 Quadratmetern Nutzfläche.
Foto: Michael Moser/Fay Projects GmbH

All das betrifft in erster Linie zunächst die Anbieter, also Asset Manager und Kapitalverwaltungsgesellschaften (KVGen). Sie sind für die sachgerechte Definition der Investmentstrategie, die korrekte Einstufung und Darstellung in den Unterlagen sowie die Umsetzung in der Praxis verantwortlich. Der Vertrieb hat zwar auch eigene Offenlegungspflichten, etwa bestimmte Angaben auf seiner Website. Aber diese sind überschaubar. Die Verbände AfW und Votum haben gemeinsam Formulierungshilfen für Versicherungs- und Finanzanlagenvermittler veröffentlicht, die Anfang 2023 – nach einer Ergänzung der Offenlegungsverordnung – nochmals aktualisiert wurden.

ESG-Abfragepflicht bald auch für 34f-Vertrieb

Die weitaus größere Herausforderung für den Vertrieb resultiert aus einer anderen Vorschrift: Der Neufassung einer Untervorschrift („Delegierte Verordnung“) zur EU-Finanzmarktrichtlinie MiFID II. Demnach müssen Finanzberater die Nachhaltigkeitspräferenzen der Kunden abfragen und mit den Merkmalen der Produkte in Einklang bringen. Diese Pflicht gilt bisher, seit August 2022, für Banken und Wertpapierdienstleistungsinstitute mit entsprechender Erlaubnis der BaFin.

Finanzanlagenvermittler mit Gewerbeerlaubnis nach Paragraf 34f GewO sind noch ausgenommen, sie werden jedoch nach einem Entwurf für eine Anpassung der Finanzanlagenvermittlungsverordnung (FinVermV) voraussichtlich ab April 2023 einbezogen. Dann müssen auch 34f-Vermittler die komplexen Vorschriften berücksichtigen – und weitere Zutaten zum Kürzelsalat lernen. Dazu gehört an erster Stelle „PAI“. Die Buchstaben stehen für „Principal Adverse Impacts“, also wesentliche nachteilige Auswirkungen eines Investments.

Dabei geht es zum Beispiel um Treibhausgasemissionen oder Biodiversität, aber auch um soziale Aspekte wie die Frauenquote oder Arbeitnehmerrechte. Der Kunde kann bestimmen, welche PAI seiner Kapitalanlage er nicht akzeptiert. Es handelt sich also um Ausschlusskriterien. Der Berater ist dann verpflichtet, entsprechende Produkte in seiner Anlageempfehlung auszusortieren.

Ausweichmöglichkeiten für den Vertrieb

Voraussetzung dafür ist, dass der Anbieter entsprechende Angaben gemacht hat. Hier kommt ein weiteres Kürzel ins Spiel: EET für „European ESG Template“. Dabei handelt es sich um eine riesige Excel-Tabelle mit mehr als 600 Zeilen, von denen rund 100 zwingend auszufüllen sind, sofern das EET verwendet wird.

Das Template wurde unter der Koordination der Findatex (Financial Data Exchange) mit Vertretern aus der europäischen Finanzbranche erarbeitet und ist auf der Website der Findatex frei verfügbar. Es ist für die Anbieter nicht vorgeschrieben, das EET zu verwenden. Wer darauf verzichtet, läuft aber Gefahr, aus dem Angebot zu fliegen, wenn der Kunde entsprechende PAI definiert. Das gilt wohl auch für Fonds, die schon den DNSH-Check überstanden haben, selbst wenn das nicht ganz schlüssig ist.

Ausgenommen von den ESG-Vorschriften sind bislang grundsätzlich Emissionen nach dem Vermögensanlagengesetz. Doch davon gibt es derzeit nicht besonders viele. Daneben haben Finanzdienstleister zwei Möglichkeiten, dem Thema auszuweichen. Erstens gelten die Vorschriften nur im Fall der Beratung. Sie können sich also auf die reine Vermittlung beschränken, was aber mit entsprechenden Einschränkungen und Dokumentationspflichten verbunden ist. Die größere praktische Relevanz dürfte die zweite Möglichkeit haben: Der Kunde muss entscheiden, ob ESG-Kriterien in die Beratung einbezogen werden sollen oder nicht. Verneint er diese Eingangsfrage, sind in der Beratung die weiteren Vorschriften obsolet.

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