Allerdings dürfen die Finanzdienstleister den Kunden nicht in diese Richtung lenken. „Die Frage ‚Willst du Rendite oder grün?‘, die das Thema in den meisten Fällen wohl erledigen würde, ist nicht erlaubt“, betonte Helmut Schulz-Jodexnis, Leiter des Bereichs Sachwertanlagen und Immobilien bei Jung, DMS & Cie., auf dem Cash.-Branchengipfel Sachwertanlagen im November. „Wir kommen um das ESG-Thema nicht herum. Es ist verpflichtend und haftungsrelevant“, sagte er und kritisierte erneut, dass die Anbieter geschlossener Publikums-AIFs mit der Bereitstellung entsprechender Informationen im Vergleich mit offenen Fonds hinterherhinken.
Anbieter und Vertrieb haben also einiges an Bürokratie zu bewältigen, zumal Anfang 2023 nicht nur weitere Teile der Taxonomie und die Level-2-Verordnung zur Offenlegungsverordnung, in der unter anderem die PAI-Details enthalten sind, in Kraft getreten sind. Nach neun Jahren Vorbereitung und langem Hickhack sind nun auch die Vorschriften für Packaged Retail and Insurance-Based Investment Products (PRIIPs), also „verpackte“ Anlageprodukte für Kleinanleger und Versicherungsanlageprodukte, anzuwenden. Das erforderte eine grundlegende Überarbeitung der dreiseitigen Informationsblätter, die bei AIFs nun nicht mehr „wesentliche Anlegerinformationen“ (wAI), sondern „Basisinformationsblatt“ (BIB) heißen. Doch das ist eine andere Salatschüssel.
Zustimmung nicht uneingeschränkt
Auch wegen der offenen Fragen ist in der AIF-Branche die Zustimmung zu den Nachhaltigkeitsvorschriften, die im Kern durchaus vorhanden ist, nicht uneingeschränkt. So kritisiert Julian Schnurrer, Leiter Produktmanagement, Strukturierung und Strategie bei Wealthcap, in Hinblick auf Dachfonds: „Hemmnisse resultieren speziell aus den Reporting-Anforderungen/Klassifizierungen im Zielfonds-Bereich, den Prüfungen wesentlicher Geschäftspartner (da diese meist im deutschen Mittelstand nur qualitativ intern eingeschätzt werden können) und dem Abweichen der ESG-MiFID-Auslegung der Vertriebspartner-Einwertung von den KAGB-Regelungen des Initiators, die leider trotz hoher Ansprüche an Objekte/Ziele des Produkts in der vertrieblichen Betrachtung nicht nachhaltig eingeschätzt werden können.“
In die gleiche Kerbe schlägt der US-Spezialist Jamestown. „Das Thema Nachhaltigkeit ist für uns sowohl beim Ankauf als auch bei der Weiterentwicklung einer Immobilie ein wesentlicher Faktor“, so Geschäftsführer Fabian Spindler. „In Bezug auf die regulatorischen Vorschriften bei Sachwertanlagen sehen wir jedoch noch gewisse Herausforderungen. Insbesondere in den Bereichen Datenverfügbarkeit beziehungsweise -qualität und der Vergleichbarkeit der Energieeffizienz von europäischen und US-amerikanischen Immobilien sehen wir noch Optimierungs- und Konkretisierungsbedarf“, sagt er.
Selbst Christian Rose, Geschäftsführer der Ökorenta Finanz GmbH, die die neuen Vorschriften als erste in einem einen Artikel-9-Publikums-AIF umgesetzt hat, hält diese für eine „sinnhafte gesetzliche Vorgabe, in Ausgestaltung und Umsetzung jedoch nicht reibungslos“.
Umfrage von Dr. Peters Group
Was Kunden und Vertriebspartner vom Thema ESG halten, hat kürzlich die Dr. Peters Group bei ihren Kunden und Vertriebspartner angefragt. „Etwas mehr als die Hälfte der befragten Vertriebspartner ist von der Relevanz nachhaltiger Produkte überzeugt und hat in den letzten sechs Monaten solche an Kunden vermittelt. Aufschlussreich ist, dass aber nur ein relativ kleiner Teil der Kunden bereit wäre, für die Investition in ein nachhaltiges Produkt auf Rendite zu verzichten“, berichtet das Unternehmen.
Doch auch wenn nur wenige Kunden Renditeverzicht üben möchten, ist davon auszugehen, dass grüne Geldanlagen über kurz oder lang gewinnen, sobald sich die Bürokratie zurechtgeruckelt hat. Das dürfte nicht nur aus der abnehmenden Kundenakzeptanz für nicht-nachhaltige Kapitalanlagen resultieren. Auch die Assets selber werden vielfach an Wert einbüßen, wenn sie nicht ESG-konform sind oder nicht durch entsprechende Investitionen aufgewertet werden.
Bei Immobilien ohne ausreichende Wärmedämmung beispielsweise werden dann nicht mehr nur die horrenden Heizkosten abschrecken und den Preis drücken. Vielmehr dürfte ein Großteil der potenziellen Käufer und bei gewerblichen Flächen auch der Mieter solcher Objekte schlicht komplett wegfallen, wenn sie sich – zum Beispiel gegenüber Geldgebern oder Kunden – Nachhaltigkeit auf die Fahne geschrieben haben. So wird das Thema ESG wohl generell noch erheblich an Bedeutung gewinnen und nicht nur den Markt der Sachwertanlagen – in beiderlei Bedeutung des Wortes – nachhaltig verändern.
Dieser Artikel stammt mit geringfügigen Anpassungen aus dem Cash. SPECIAL „Nachhaltigkeit“ in der Cash.-Ausgabe 3/2023.