ESG-Abfragepflicht: Letzte Verlängerung

Frank Rottenbacher
Foto: AfW
AfW-Vorstand Frank Rottenbacher

Die neue ESG-Abfragepflicht hat die Finanzdienstleistungsbranche im letzten Jahr stark beschäftigt – 2023 wird sich das nicht ändern. Betroffen sind demnächst auch Finanzanlagenvermittler.

Seit August müssen Finanzberaterinnen und Finanzberater ihre Kundinnen und Kunden zu deren Nachhaltigkeitspräferenzen befragen. Auf diese Weise soll geklärt werden, ob sie ökologische oder soziale Kriterien bei ihren Investments berücksichtigt wissen möchten – und falls ja, welche. Eine wichtige Neuerung, meint RWS-Vorstandschef Jörg Christian Hickmann: „Wir können als Branche stolz darauf sein, bei dem existenziellen Thema Klimawandel an vorderster Front zu stehen und so einen aktiven Beitrag zur Lösung beizusteuern. Wir sehen hierin nicht nur eine große vertriebliche Chance, sondern auch die einmalige Gelegenheit, unser Image positiv zu verbessern.“ Die praktische Umsetzung bereitet der Branche allerdings noch Probleme: So sei die Abfrage und die Zuordnung der ESG-Präferenzen zu den entsprechenden Produkten noch sehr holprig, betont Formaxx-Vorstand Lars Breustedt. „Dies war absehbar, nachdem selbst heute noch, Monate nach dem Starttermin, nicht alle Regularien dazu feststehen“, kritisiert er.

Immerhin: Mit etwas Verspätung kommt die Abfragepflicht im Frühjahr auch für 34f-Vermittler. Das Bundeswirtschaftsministerium hat im November den Entwurf zu den erforderlichen Änderungen an der Finanzanlagenvermittlungsverordnung (FinVermV) vorgelegt, mit dem künftig auch 34f-Vermittler verpflichtet werden, die Nachhaltigkeitspräferenzen ihrer Kunden zu ermitteln. Damit müssen sie die gleichen Pflichten erfüllen, wie sie bereits jetzt für die Vermittlung von Versicherungsanlageprodukten und in der Anlageberatung durch Banken gelten.

„Wir begrüßen es, dass das Ministerium den seit Beginn der Präferenzabfragepflicht bestehenden Systemfehler endlich korrigiert. Klar ist aber: Aufgrund der weiterhin unvollständigen Datenlage wäre es für alle Berater besser gewesen, wenn der Start erst im Frühjahr 2023 erfolgt wäre“, erklärt Votum-Vorstand Martin Klein. Die Regelungslücke sei entstanden, weil das zuständige Wirtschaftsministerium „ein bisschen geschlafen“ und nicht mitbekommen habe, dass die FinVermV als gesetzliche Basis für 34f-Vermittler angepasst werden muss, um die europäische Regulierung auch in Deutschland ins Rollen zu bringen. „Das ist einfach übersehen worden.“

„Man hätte konzertiert vorgehen sollen“

Auch Hickmann begrüßt die Erweiterung der Abfragepflicht auf Finanzanlagenvermittler: „Sie war überfällig. Es ist nicht zu erklären, dass man bei einer fondsbasierten Geldanlage im Versicherungsmantel die Nachhaltigkeitspräferenzen des Kunden berücksichtigen muss und ohne Versicherungsmantel weiter so beraten kann wie bisher. Das ist einfach sinnfrei.“ Als typisches Beispiel für „ausufernde, unkoordinierte und überflüssige Bürokratie“ bezeichnet Plansecur-Geschäftsführers Heiko Hauser den Vorgang. „Auf jeden Fall hätte man konzertiert vorgehen sollen und entweder die Anpassung der FinVermV rechtzeitig vornehmen müssen oder aber die Anwendung der Abfragepflicht komplett auf den März 2023 verschieben sollen. Durch diese zeitliche Verschiebung kommt es zwischendurch zu absurden Beratungsgesprächen, da die Abfragepflicht gesetzlich nur bei Versicherungsanlageprodukten der dritten Schicht besteht.“

Doch zunächst ist weiter Geduld gefragt: Das Bundeswirtschaftsministerium hat dem AfW-Verband zu Jahresbeginn mitgeteilt, dass sich die Änderung der FinVermV auf Ende März verschieben wird. Damit müssen Finanzanlagenvermittler voraussichtlich erst ab April die Nachhaltigkeitspräferenzen ihrer Kunden erfragen. Es habe Verzögerungen bei der Abstimmung des Verordnungsentwurfs gegeben, sodass sich der Bundesrat nun wahrscheinlich erst am 31. März mit dem Entwurf befassen werde. „Damit erhalten die Finanzanlagenvermittler eine letzte Verlängerung, um sich auf die neue Pflicht vorzubereiten. Alle 34f-Vermittler sollten sich nun informieren und ihre Beratungsprozesse so gestalten, dass sie zukünftig die Nachhaltigkeitspräferenzabfrage durchführen können“, empfiehlt AfW-Vorstand Frank Rottenbacher.

Kim Brodtmann, Cash.

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