Sie haben im Frühjahr im Interview mit Cash. mit Blick auf die praktische Umsetzung der nachhaltigen Finanzberatung deutliche Kritik geübt: „Der Berater weiß nicht konkret, welche Informationen er woher bekommt, was bedeutet, dass er kein Beratungsgespräch vorbereiten kann. Auch die Produktgeber stellen noch nicht ausreichende Informationen zur Verfügung – denn keiner weiß wirklich, was gefragt ist. Was beim Kunden ankommt: Kopfschütteln und Durcheinander.“ Andere Branchenteilnehmer haben sich ähnlich kritisch geäußert. Hat sich Situation in der Zwischenzeit verbessert?
Maasjost: Zusammenfassend muss ich diese Frage leider mit einem ‚Nein‘ beantworten. Natürlich hat sich durch die neue EU-Verordnung im Bereich nachhaltiger Finanzberatung im Markt einiges verändert, doch die entscheidende Frage muss lauten: Was hat sich verändert, und gehen die neuen Ansätze in eine sinnvolle Richtung? Wir sehen, dass große Agenturen wie Morningstar oder auch Scope regelmäßig ESG-Ratings von Fonds veröffentlichen. Hinzu kommen rund 400 weitere Anbieter von ESG-Daten. Jede dieser Rating-Agenturen setzt jedoch einen anderen Bewertungsansatz an. Hinzu kommen die eigenen Interpretationen der ESG-Scores der emittierenden Fondshäuser. Für die Berater im Finanzdienstleistungssektor ist das eher verwirrend als erhellend. Nach wie vor gibt keine klaren Beurteilungsstandards für ESG-konforme Fonds und andere Anlagen. Das Ergebnis: Unterschiedliche Rating-Agenturen kommen bei gleichen Unternehmen und Fonds nicht zu einer gleichen, oft nicht einmal zu einer ähnlichen Ratingeinschätzung. Aktuelle Untersuchungen haben gezeigt, dass die Korrelation nur bei rund 0,5 liegt, im Vergleich dazu liegt der Korrelationsfaktor bei Bonitätsratings bei durchschnittliche 0,99. Nachhaltigkeit in dem einen Fonds ist nicht gleich Nachhaltigkeit in einem anderen Fonds. Jeder ESG-Anbieter interpretiert Daten auf Basis der festgelegten Hauskriterien und jedes Fondshaus hat ebenfalls noch einmal individuelle Kriterien. Mein Fazit lautet also: Der Berater wird wieder einmal im Regen stehengelassen und haftet im Zweifel gegenüber dem Anleger. Also keine schöne Situation für unsere Makler.
Wie können sich Makler derzeit in Sachen ESG fit machen? Bietet Ihr Unternehmen Unterstützung an?
Maasjost: Als PMA bieten wir unseren Makler-Partnern ESG-Seminare an, damit sie sich in Sachen Definitionen und Begrifflichkeiten, Ratings und Siegel sowie Rendite- und Risikoprofile fit machen können. Doch ESG ist ein komplexes Thema und nicht so einfach, wie das Schlagwort Nachhaltigkeit impliziert. Aktuell gibt es für Makler und Berater in der Finanzdienstleistungsbranche nur wenige Möglichkeiten, sich sinnvoll mit den Themen auseinandersetzen. Wie sollen sie den Markt und die einzelnen Produkte konkret durchschauen? Letztendlich müssen sie sich auf die Angaben der Fondsanbieter und Unternehmensdarstellungen verlassen. Zwar hat die EU mit dieser Richtlinie einen zukunftsweisenden Ansatz geschaffen, aber diesen für die Umsetzung nicht ausformuliert. Jetzt wären die einzelnen EU-Staaten gefordert, eine genaue Definition zu schaffen, was bis dato nicht geschehen ist. Und so fehlt die Bodenhaftung für den kleinen Berater, der am Ende seinen Kopf hinhalten muss. Ich beobachte den Markt genau und bin immer wieder überrascht, wie viele Produkte sich als ESG-konform bezeichnen. Der Gedanke von „Greenwashing“ schießt mir hier und da schon durch den Kopf. Doch wo keine Kriterien vorhanden sind, ist der Interpretationsraum eher groß. Dies wissend, arbeiten wir als PMA mit dem Defino Institut für Finanznorm zusammen und haben ein entsprechendes Normierungsprojekt eingereicht. Diese Norm wird aber nicht bis Herbst nächsten Jahres fertig. Aktuell läuft die Ausschreibung, und wir hoffen in zwei bis drei Jahren auf die Veröffentlichung der DIN-Norm.
Bei vielen Anlegern scheint Nachhaltigkeit trotz der allgegenwärtigen Diskussion um Unwetterschäden und Klimawandel noch eine untergeordnete Rolle zu spielen, das zeigen verschiedene Studien. Wie bewerten Sie das?
Maasjost: Bei Privatkunden mag dies derzeit noch eine untergeordnete Rolle spielen, denn für viele Klein-Sparer und -Anleger ist dieser Markt nicht zu durchschauen. Umso bedeutender ist die Rolle des Beratenden. Wenn sich also in einem Fonds keine Rüstungs- oder hoch energieintensive Stahlproduktion befindet, wird diese oftmals als grüne Investition interpretiert. Übrigens, auch Atomkraftwerke habe einen wahrhaft niedrigen CO2-Emmisionswert. Nicht umsonst möchte Frankreich klimaneutrale Kernkraftwerke als „grün“ definieren. Im Bereich der institutionellen Anleger sieht das Bild jedoch ganz anders aus. Wir gehen davon aus, dass sich dies dramatisch ändern wird – spätestens dann, wenn der Kunde explizit zu seinen ESG-Präferenzen abgefragt werden muss. Wir können nur hoffen, dass bis dahin die entsprechenden Anbieter valide Daten liefern, damit jeder einzelne Berater in die Lage versetzt wird, eine fundierte Geeignetheitserklärung gegenüber seinem Kunden abgeben zu können.
Bei der Klimaschutz-Bewegung „Fridays for Future“ werden die politischen Maßnahmen zur Stärkung der Nachhaltigkeit in der Geldanlage durchaus anerkannt – ausreichend sind sie nach Ansicht ihres Sprechers Linus Dolder aber bei weitem nicht, wie er gegenüber Cash. erklärte: „Die Idee ist ein Schritt in die richtige Richtung – wo es einen waschechten Halbmarathon bräuchte.“ Hat er damit Recht?
Maasjost: „Fridays for Future“ hat grundsätzlich mit zahlreichen Forderungen und Ansätzen Recht. Und wenn die Bewegung die ESG-Richtlinie in der Umsetzung als richtigen Schritt bezeichnet, kann ich – wie bereits erläutert – dieser grundsätzlich zustimmen. Doch aus einem Halbmarathon würde ich auf jeden Fall einen kompletten Marathon machen, bevor wir in diesem komplexen Finanzsektor einen Zieleinlauf hinlegen können. Jeder Unternehmer weiß, dass „Change-Management-Prozesse“ wohl das schwierigste und langwierigste Unterfangen in einem Betrieb sind. Ich bin davon überzeugt, dass die DIN-Norm ein gewaltiger und richtungsweisender Schritt sein wird, der die ESG-Richtlinien auf gehaltvolle Weise mit transparenten Inhalten und Maßgaben füllen wird. Bis dahin setzen wir auf unsere Seminare und weitere Expertise aus dem Markt für die Sicherheit der Berater.
Es sind nur noch acht Monate, bis Berater und Vermittler ihre Kunden befragen müssen, ob ihre Investments nachhaltig sein sollen. Was können sie jetzt schon tun, um sich darauf vorzubereiten? Wozu raten Sie?
Maasjost: Zunächst einmal sollten sie schon jetzt zur PMA kommen, um von unserer Qualitätsführerschaft auch bei Anlagen nach den Kriterien der EU-Offenlegungsverordnung zu profitieren. Aber Spaß beiseite: Wir werden für die Berater rechtzeitig nach ESG-Kriterien geprüfte und damit nachhaltige Produkte gemäß Artikel 8 und 9 im Angebot haben. Beim Screening der Investmentvehikel arbeiten wir mit bekannten Analysten zusammen, so dass die Berater sicher sein können, ihren Kunden Produkte aus einem breiten Portfolio seriöser Emittenten anbieten zu können.
Die Fragen stellte Kim Brodtmann, Cash.