In den letzten Jahren sind ESG-Investments von einer Nischenstrategie zu einem zentralen Bestandteil der globalen Finanzmärkte aufgestiegen. Laut PwC könnten ESG-Vermögenswerte in Europa in diesem Jahr ein Volumen von bis zu 7,6 Billionen Euro erreichen – das entspricht etwa 57 % des gesamten europäischen Fondsvermögens.
Bewertungsaufschläge und Normalisierung
Die hohe Nachfrage nach ESG-Aktien während der Anfangsphase führte oft zu deutlichen Bewertungsaufschlägen. Inzwischen haben sich die Märkte jedoch teilweise beruhigt. Analysen von Morningstar und MSCI zeigen, dass viele ESG-Titel nun fairer bewertet sind. Dennoch gibt es Ausnahmen: Sektoren wie erneuerbare Energien, Elektromobilität und nachhaltige Wassertechnologien weisen aufgrund hoher Wachstumserwartungen weiterhin überdurchschnittliche Kurs-Gewinn-Verhältnisse auf. Anleger sollten hier die Fundamentaldaten und Innovationskraft der Unternehmen genau prüfen, um Überbewertungen zu vermeiden.
Selektive Strategien statt blinder Enthusiasmus
ESG-Investments bleiben für viele Anleger attraktiv – sei es aus ethischen Gründen oder als langfristige Risikomanagementstrategie. Unternehmen mit robusten ESG-Praktiken gelten als widerstandsfähiger gegenüber Reputationsrisiken, regulatorischen Anforderungen und Lieferkettenproblemen. Doch nicht jedes Unternehmen mit einem grünen Label erfüllt strenge Nachhaltigkeitskriterien. Manche nutzen den ESG-Trend eher als Marketingstrategie. Eine gründliche Due-Diligence-Prüfung, unterstützt durch Ratings unabhängiger Agenturen wie Sustainalytics, ist daher unverzichtbar. Auch Impact-Reports und Geschäftsberichte bieten wichtige Einblicke in die tatsächliche Nachhaltigkeit eines Unternehmens.

Arkadi Belocerkov, Swiss Value Group (Foto: Swiss Value Group)
Greenwashing und regulatorische Konsequenzen
Ein zentrales Problem im ESG-Bereich bleibt das Greenwashing. Unternehmen, die ihre Nachhaltigkeitsleistungen beschönigen, gefährden das Vertrauen in ESG-Produkte. Ende 2022 erreichten nachhaltige Investments in Deutschland laut einer Studie 578 Milliarden Euro – doch wachsender Druck durch Greenwashing-Vorwürfe könnte das Wachstum bremsen. Regulierungsbehörden wie die EU und die australische Wertpapieraufsicht ASIC gehen verstärkt gegen irreführende Angaben vor. Die EU-Taxonomie und die Offenlegungsverordnung (SFDR) legen mittlerweile klare Kriterien für nachhaltige Wirtschaftstätigkeiten fest, was zu einer transparenten Neuordnung des Fondsmarkts führt. Dies setzt Fondsmanager und Unternehmen unter Druck, nachhaltige Standards authentisch umzusetzen.
Langfristige Perspektiven
Nachhaltigkeit ist längst kein kurzfristiger Trend mehr. Weltweit integrieren Unternehmen ESG-Kriterien, um Risiken zu minimieren und neue Chancen zu schaffen. Beispiele reichen von der verstärkten Nutzung erneuerbarer Energien über den Ausbau der Kreislaufwirtschaft bis hin zu nachhaltigen Lieferketten. Diese Strategien schaffen Potenziale für langfristige Renditen, während sie gleichzeitig regulatorische und gesellschaftliche Anforderungen erfüllen.
ESG-Investments bieten weiterhin Potenzial – sowohl ethisch als auch finanziell. Doch in einem zunehmend regulierten und kritischen Marktumfeld ist ein selektiver Ansatz entscheidend. Anleger sollten auf gründliche Analysen, verlässliche Nachhaltigkeitsratings und transparente Geschäftsberichte setzen, um von der Dynamik des ESG-Markts zu profitieren. So lassen sich Risiken minimieren und Chancen effektiv nutzen.
Autor Arkadi Belocerkov ist Gründer und Geschäftsführer der Swiss Value Group AG, einer international tätigen Beteiligungsgruppe, die sich auf Investitionen in nachhaltige Immobilien, erneuerbare Energien und Künstliche Intelligenz (KI) spezialisiert hat. https://swissvalue-group.ch