ESG: Trügerische Nachhaltigkeit

Hadewych Kuiper, Triodos
Foto: Gijs de Kruijf
Gijs des Kruijf, Triodos

EXKLUSIV Hadewych Kuiper, Managing Director bei Triodos Investment Management (IM), äußert sich zur herausfordernden Situation bei ESG.

Während immer mehr Privatanleger ihr Geld bewusst in nachhaltige Fonds investieren möchten, legt eine neue Untersuchung offen, dass nahezu die Hälfte der als „nachhaltig“ gekennzeichneten Fonds, es schlichtweg nicht sind. Dies untergräbt nicht nur das Vertrauen in den Sektor, sondern rückt auch das Ziel der EU, mehr Kapital in Richtung einer nachhaltigen Wirtschaft zu lenken, in weite Ferne.

Dass jede Geldanlage eine Wirkung hat – sei es positive oder negativ – wird immer mehr Privatanlegern bewusst. Immer mehr möchten ihr Geld ganz bewusst für eine positive Wirkung einsetzen und schauen bei der Auswahl eines Anlageprodukts explizit auf den Aspekt Nachhaltigkeit. Der Anlagenmarkt hat diesen Trend erkannt: In den letzten zehn Jahren sind als „nachhaltig“ gekennzeichnete Fonds wie Pilze aus dem Boden geschossen. Nach Angaben des Finanzdatenanbieters Morningstar waren (Ende 2023) 60 Prozent der in Investmentfonds angelegten Gelder in Europa in nachhaltigen Fonds investiert. Dabei ist die Bezeichnung des Anlageprodukts einer Umfrage zufolge für Zweidrittel der Anleger führend bei ihrer Auswahl.


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Allerdings deckte eine neue Datenstudie mehrerer europäischer Medien, darunter das Handelsblatt, auf, dass Privatanleger mit Anlagen in „grüne“ Fonds möglicherweise immer noch in Unternehmen investieren, die zu den größten Umweltverschmutzern der Welt gehören. Über 40 Prozent der europäischen Fonds, die sich selbst als „nachhaltig“ bezeichnen, investieren der Studie zufolge immer noch in fossile Industrien. Zum Teil hat dies mit Unterschieden in der Definition von Nachhaltigkeit zu tun: Während die breite Öffentlichkeit einfach darauf achtet, was ein Unternehmen tut und ob seine Aktivitäten nachhaltig sind, jongliert die Branche mit Begriffen wie Risikominderung oder Best-in-Class. Unterm Strich führt dies dazu, dass die Wirkung privater Anlagen in vielen Fällen weitaus weniger positiv ausfällt als vom Anleger gewünscht.

Um diese Unklarheit bei Anlageprodukten zu bekämpfen, hat die Europäische Union die Verordnung über die Offenlegung nachhaltiger Finanzinstrumente (Sustainable Finance Disclosure Regulation oder SFDR) ins Leben gerufen. Die SFDR verlangt, dass Investmentfonds ganz klar angeben, in was sie investieren, und sich selbst eine Farbe zuweisen: grau (Artikel 6) für nicht nachhaltig, hellgrün (Artikel 8) für einigermaßen nachhaltig und dunkelgrün (Artikel 9) für besonders nachhaltig. Inzwischen sind sich jedoch alle einig, dass die aktuellen SFDR-Regeln unzureichend sind – vor allem weil es für Privatanleger unklar ist, was sich hinter den drei Artikeln verbirgt. Die Europäische Kommission erwägt nun ein neues System, das Privatanleger besser informiert.

Triodos Investment Management (IM) schlägt dazu ein einfaches und vergleichbares Kategorisierungssystem vor. Die wichtigsten Grundsätze eines solchen Systems sind, dass alle Anlageprodukte miteinander vergleichbar sind und dass der Vergleich leicht verständlich ist. Außerdem sollte es zu den ursprünglichen Zielen der SFDR beitragen und den Test der Zeit bestehen können. Die Kategorisierung sollte offenlegen, wie nachhaltig ein Finanzprodukt ist, basierend auf:

– dem Anteil nachhaltiger Investitionen
– die Frage, ob die Indikatoren für prinzipielle negative
Auswirkungen (PAI) im Anlageprozess verwendet werden
– und, ob Ausschlusskriterien angewandt werden.

Dies würde zu 5 Kategorien, von „starke“ bis „keine explizite“ Berücksichtigung der Nachhaltigkeit in einem Produkt führen, nach dem jedes Finanzprodukt kategorisiert werden sollte. Zusätzlich zu dieser Kategorisierung plädiert Triodos IM dafür, dass alle Finanzprodukte eine Reihe wichtiger Principal Adverse Impacts (PAIs) offenlegen sollten. Die PAIs sind ein wesentlicher Bestandteil der SFDR und sollen es Anlegern ermöglichen, die negativen Auswirkungen – unabhängig von der Kategorisierung des Produkts – zu vergleichen.

Das von uns vorgeschlagene System würde es Anlegern, insbesondere Kleinanlegern und ihren Beratern ermöglichen, alle verfügbaren Produkte auf der Grundlage derselben grundlegenden Nachhaltigkeitsinformationen zu vergleichen und Anlageentscheidungen im Sinne der SFDR zu lenken. Die momentane Praxis der trügerischen Nachhaltigkeit würde damit der Vergangenheit angehören.

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