Der wohl schwerwiegendste Eingriff in den freien Wirtschaftsverkehr stellt der potenzielle Ausschluss Russlands aus dem Zahlungssystem Swift dar. Die „Society for Worldwide Interbank Financial Telecommunication“, kurz Swift, ist eine 1973 in Brüssel gegründete Organisation, welche durch die Bereitstellung eines speziellen Netzwerks Finanzinstituten in verschiedenen Ländern sichere finanzielle Transaktionen untereinander erlaubt.
Während Swift selbst keine Konten verwaltet oder Zahlungen ausführt, leitet es Informationen wie beispielsweise Absender, Empfänger und Betrag einer Gutschrift zwischen den Banken in einem standardisierten System weiter. So kann der Zahlungsverkehr länder- und währungsübergreifend rechtlich abgesichert und effizient gestaltet werden. Damit ist Swift als Transaktionssystem für internationale Warenströme von zentralem Stellenwert. Ein Ausfall des Systems würde für viele Unternehmen bedeuten, dass weder Importe bezahlt noch Zahlungen für Exporte empfangen werden können. Auch internationale Finanzströme wie Investitionen in ausländische Aktienmärkte, Derivatehandel und Bankkredite an Unternehmen sind maßgeblich an Swift gekoppelt, da es den Austausch zwischen den verschiedenen Instituten und Währungen einheitlich regelt.
Wechselseitige Abhängigkeiten durch SWIFT
Russland ist die Schwere eines möglichen Ausschlusses aus dem Swift-System bewusst, so bestehen auch seitens der russischen Regierung Möglichkeiten, die Wirtschaft der EU im Gegenzug einschneidend zu beeinflussen. Nikolai Shuravlev, Vize-Sprecher des russischen Föderationsrats, betonte, dass Swift ein wechselseitiges Zahlungssystem sei. Bei einem Ausschluss Russlands aus diesem würde Russland zwar keine Zahlungen in Fremdwährung empfangen können, die EU-Länder ihrerseits aber auch keine Waren aus Russland. Dies bedeute, dass Warenströme von Erdöl, Erdgas, Metallen und anderen wichtigen Importelementen in die EU eingestellt würden. Aus Deutschland werden Waren aus den verschiedensten Wirtschaftsbranchen nach Russland exportiert, so lag Russland laut dem Statistischen Bundesamt im Jahr 2020 auf Platz 15 der Exportländer Deutschlands mit einem Exportvolumen von über 23 Milliarden Euro. Diese Exporte wären ebenfalls durch eine Unterbrechung der Zusammenarbeit durch Swift praktisch abgeschnitten.
Auch erwähnte Shuravlev, dass Swift zwar eine praktische und schnelle, aber nicht die einzige Möglichkeit sei, finanzielle Informationen zu übermitteln. Es existierten durchaus alternative Transaktionssysteme zu Swift, darunter auch das von der russischen Zentralbank entwickelte „System for Transfer of Financial Messages“ (SPFS). Daran sind alle russischen Banken angekoppelt. SPFS weist jedoch Nachteile Swift gegenüber auf, beispielsweise verfügt es nur über ein begrenztes Spektrum von Finanzinstituten und hinsichtlich dem übermittelbaren Datenvolumen und der Systemverfügbarkeit den Swift-Standards.
Quo Vadis Europa und Russland?
Obwohl Swift durch seine Allgegenwärtigkeit im Finanzsystem mit vielen politischen Akteuren verbunden ist, bezeichnet sich das Transaktionssystem als politisch neutral. Laut Swift liegen Entscheidungen über die Rechtmäßigkeit von Finanztransaktionen im Rahmen von Sanktionsvorschriften bei den Finanzinstituten und den zuständigen internationalen und nationalen Behörden. Swift handele stets im Interesse seiner gesamten Mitgliedergemeinschaft und versteht sich als Unterstützung der Widerstandsfähigkeit und Integrität des globalen Finanzsystems. Russlands Finanzinstitute sind genauso wie die der EU-Mitgliedsstaaten und die der USA ein Mitglied von Swift. Ein Ausschluss aus dieser Gemeinschaft sehen sowohl EU als auch Deutschland als das letzte Mittel – ultima ratio – an. Bisher wurden keine Sanktionen von vergleichbarer Tragweite gegen ein Land verhängt, dessen Wirtschaft der von Russland in Bedeutung und Volumen nahekommt. Auswirkungen auf die Weltwirtschaft wären tiefgehend. Dass ein Ausschluss Russlands aus Swift auch das Vertrauen in das System selbst erschüttern könnte, merkte zu Recht der stellvertretende Sekretär des russischen Sicherheitsrates Ex-Präsident Dmitri Medwedew an.
Autor Andreas Knaul ist Partner und Niederlassungsleiter der internationalen Wirtschafts- und Anwaltskanzlei Rödl & Partner in Moskau. Co-Autorin Ekaterina Dworack ist dort Legal Intern.