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ETF- und Fondsverschmelzungen: Was Anleger jetzt wissen müssen

Lisa Osada
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Lisa Osada

Was steckt hinter der Zusammenlegung von ETFs? Warum entscheiden sich Anbieter wie Amundi für solche Fusionen, und welche Auswirkungen hat das auf Anleger? Kolumne von Lisa Osada, Aktiengram

In den vergangenen Monaten häuften sich Berichte über ETF-Verschmelzungen. Dabei werden meist zwei bestehende Fonds – meist mit identischem oder sehr ähnlichem Index – zusammengeführt. Ein aktuelles Beispiel ist der Amundi MSCI World V ETF (ISIN: LU1781541179, WKN: LYX0YD), der mit einem vergleichbaren MSCI World ETF aus Irland fusioniert wird. Diese milliardenschwere Fondszusammenlegung soll Ende Februar 2025 durchgeführt werden.


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ETF-Anbieter wie Amundi führen Verschmelzungen ihrer Produkte meist durch, um die eigene Produktpalette an veränderte Marktbedingungen anzupassen und gleichzeitig Kosten zu senken. Einerseits können so etwa die Verwaltungs- und Betriebskosten durch die Nutzung von Skaleneffekten und den Abbau von Doppelstrukturen im Portfoliomanagement oder in der Administration gesenkt werden. Andererseits werden durch die Fokussierung auf Kernprodukte Ressourcen für deren Weiterentwicklung frei, was langfristig zu einer Optimierung des gesamten ETF-Angebots führen kann.

Ein weiterer Punkt, wie in diesem Fall, ist der Wechsel eines Fondsdomizils von Luxemburg nach Irland. Dieser Schritt kann auf Fondsebene steuerliche Vorteile mit sich bringen, etwa bei der Quellensteuer auf Dividenden. Irland verfügt in vielen Fällen über vorteilhafte Doppelbesteuerungsabkommen und ist als Fondsstandort etabliert.

Darüber hinaus spielen auch regulatorische Aspekte eine Rolle. Verschmelzungen erleichtern möglicherweise die Anpassung an einheitliche gesetzliche Rahmenbedingungen und können den Verwaltungsaufwand reduzieren. Nicht zuletzt hilft eine einheitliche Struktur den ETF-Anbietern bei einer übersichtlicheren Vermarktung ihrer Produkte und erhöht möglicherweise auch die Wettbewerbsfähigkeit auf dem europäischen Markt.

Arten der ETF-Verschmelzung

Im Großen und Ganzen lassen sich zwei Arten von ETF-Verschmelzungen unterscheiden.

Verschmelzung durch Aufnahme: Diese Form ist am weitesten verbreitet. Dabei wird ein ETF (der „untergehende“ oder „übernommene“ ETF) auf einen anderen ETF (den „aufnehmenden“ oder „übernehmenden“ ETF) übertragen. Eigentümer des „untergehenden“ ETFs erhalten Anteile des „aufnehmenden“ ETFs, während der ursprüngliche Fonds aufgelöst wird. Der aufnehmende ETF bleibt unverändert bestehen und führt das Vermögen weiter.

Verschmelzung durch Neugründung: In diesem Fall werden zwei oder mehr ETFs zu einem neuen ETF verschmolzen (fusioniert). Weder der übertragende noch der übernehmende ETF bleiben bestehen. Stattdessen erhalten die Anleger beider Fonds Anteile an einem neuen ETF, der meist eine Kombination der ursprünglichen Strategien oder Indizes verfolgt.

Auswirkungen für die Anleger

Was aus der Perspektive eines ETF-Anbieters durchaus vernünftig klingt und langfristig betrachtet einige Vorteile bringen kann, birgt für Anleger des „untergehenden“ ETFs nicht selten Hürden und Nachteile. Der Wechsel des Fondsdomizils führt zumindest in diesem Szenario, also bei Verschmelzung eines luxemburgischen Fonds mit einem irischen Fonds, automatisch zu einer Steuerbelastung, sofern mit dem ETF Gewinne erzielt wurden. Bei der Verschmelzung von Fonds innerhalb eines Fondsdomizils würde das anders aussehen. Bei der fondsdomizilübergreifenden Transaktion aus unserem Beispiel kann der Anleger allerdings lediglich wählen, wann er besteuert werden möchte. Zumindest für deutsche Anleger ist es leider nicht möglich, die luxemburgischen Fondsanteile steuerfrei nach Irland zu übertragen. Grundsätzlich gibt es nun zwei Möglichkeiten:

  1. Der ETF wird mittels einer individuellen Verkaufsorder vorzeitig verkauft. Da es sich um eine normale Order handelt, führt der Broker automatisch die Kapitalertragssteuer ab, sofern mit dem ETF zum Zeitpunkt des Verkaufs ein Gewinn erzielt wurde. Über den Verkaufserlös kann man dann frei verfügen und etwa selbst in den „neuen“ irischen ETF oder auch in ein anderes Produkt investieren. Zu beachten ist hier, dass dafür in der Regel auch Ordergebühren des Brokers anfallen, da es sich um eine reguläre Verkaufsorder handelt.
  2. Man unternimmt nichts und wartet darauf, dass der ETF-Anbieter die Verschmelzung und die damit verbundenen Transaktionen und den Tausch für einen vornimmt. Auch hier fallen Steuern an, jedoch ist die Abwicklung eine andere. Lediglich die Ordergebühren fallen hier normalerweise nicht an, so dass zumindest der Tausch auf dieser Ebene gebührenneutral ist.

Angenommen, ein Anleger hält Anteile an einem luxemburgischen ETF, die im Laufe der Zeit an Wert gewonnen haben. Bei einer Verschmelzung mit Wechsel des Fondsdomizils fällt für deutsche Anleger Kapitalertragsteuer an, die sich aus Abgeltungsteuer und Solidaritätszuschlag (+ gegebenenfalls Kirchensteuer) zusammensetzt. Da es sich im Beispiel um einen Aktien-ETF mit einem Aktienanteil von über 51 Prozent handelt, greift die Teilfreistellung von 30 Prozent. Das bedeutet, es sind lediglich 70 Prozent des Gewinns steuerpflichtig. Während bei einem eigenständigen Verkauf die anfallende Steuer unmittelbar vom Broker einbehalten wird, verhält es sich bei einer Verschmelzung anders: Hier wird der bisherige ETF-Bestand auf den neuen Fonds übertragen und die Steuer separat vom Verrechnungskonto des Anlegers eingezogen. Es ist daher unbedingt darauf zu achten, genügend Guthaben auf dem Verrechnungskonto zu haben. Gerade bei hohen Kursgewinnen kann die Steuerlast schnell vier- oder gar fünfstellig ausfallen. Anleger sollten sich daher frühzeitig mit den steuerlichen Konsequenzen vertraut machen und die für sie beste Vorgehensweise wählen.

Wichtig zu wissen: Der Steuerstundungseffekt geht bei einer Verschmelzung mit Wechsel des Fondsdomizils in jedem Fall verloren, da dieser steuerlich als Verkauf und anschließender Neukauf gewertet wird.

Einziger Wermutstropfen: Der jährliche Steuerfreibetrag von derzeit 1.000 Euro pro Person kann in beiden Szenarien angerechnet werden. Falls dieser noch nicht ausgeschöpft oder anderweitig verplant ist, lässt sich die Steuerlast zumindest reduzieren – oder in manchen Fällen auch ganz vermeiden.

Lisa Osada ist Finanzbuchautorin mit über 100.000 Followern bei Instagram unter dem Namen Aktiengram.

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