„Die Invasion der Ukraine durch Russland hat die Energie- und Stromkosten in Europa nochmal explodieren lassen, da Russland ein wichtiger Lieferant von Öl, Gas und Kohle ist. Hinzu kommt, dass die Sanktionen Geschäfte mit Russland nochmal zusätzlich erschweren und die Zahl derer, die freiwillig auf Geschäfte mit Russland verzichten, ebenfalls steigt“, so Volker Schmidt. „Die jüngsten Ankündigungen über einen Stopp russischer Gaslieferungen lassen erahnen, dass das Ende der Preissteigerungen noch lange nicht erreicht ist.“
Prominente Beispiele wie Uniper und EDF zeigen, wie schnell große Unternehmen in die Bredouille kommen können, doch auch bei kleineren Marktteilnehmern hat es bereits Ausfälle gegeben. „Viele Billiganbieter von Strom in Deutschland, England und in anderen Ländern haben die Belieferung ihrer Kunden eingestellt oder sind pleite gegangen. Sie konnten die höheren Preise der Stromproduzenten nicht abfedern“, berichtet Schmidt. Dies zeige, dass im lange als eher stabil angesehene Sektor der Energieversorger Vorsicht geboten sei. Anleger sollten sich daher sehr genau informieren, ob es sich bei dem Unternehmen um einen Stromerzeuger, einen Netzwerkbetreiber oder einen Großhändler handelt, der letztlich den Strom an die Endverbraucher verkauft. Teilweise seien Unternehmen auch in zwei der angesprochenen Bereiche tätig.
Die häufig in staatlichem Besitz befindlichen Netzwerkbetreiber seien dabei in der komfortabelsten Situation. Sie erhielten für den Ausbau, die Modernisierung und den Betrieb der Netze eine staatliche festgelegte Durchleitungsgebühr. Als Monopolist müssten sie keine Konkurrenz fürchten und lediglich darauf achten, dass sie ihr Entgelt zeitnah von ihren Kunden eintreiben. Die Annahme, auch die Stromerzeuger dürften angesichts der aktuell hohen Strompreise in einer komfortablen Situation sein, weiß Schmidt zu relativieren: „Die letzten Monate haben gezeigt, dass auch für sie die Situation nicht einfach ist. Unerwartete Effekte aus Sicherungsgeschäften und staatliche Eingriffe sorgen für Verunsicherung. Zusätzlich hat die zunehmende Isolation Russlands Auswirkungen für deren Alltagsgeschäft, denn die Anzahl der Kontrahenten in Russland mit denen sie noch Geschäfte machen wollen oder dürfen, ist drastisch geschrumpft.“ Damit sähen sich Gas- und Kohlestromerzeuger deutlichen Preiserhöhungen bei den Rohstoffen konfrontiert. Andererseits seien Produzenten von erneuerbarer Energie auf ausreichende Wasserpegel und genügend Windstärke angewiesen, welche aufgrund des Klimawandels auch unsicherer geworden sind. „Bei den Großhändlern, die direkte Geschäfte mit Endkunden machen, bereinigt sich gerade der Markt. Die kleineren Unternehmen, die bis jetzt ausgefallen sind, waren nicht an den Anleihenmärkten präsent“, weiß der Portfolio Manager.
„Die Zentralbanken stehen vor dem Dilemma einer durch die Energiekosten unerwartet schnell steigenden Inflation, die sich nicht nur an den Tanksäulen, sondern durch die Verteuerung der Lieferketten mittelfristig auch in allen Bereichen des Lebens niederschlagen werden. Die Energiekosten werden sich mit Zinssteigerungen kaum bekämpfen lassen, auch wenn es das Mandat der Zentralbanken ist, eine ausufernde Inflation zu verhindern“, so der Anleihenexperte. Bei Ethenea erwarte man, dass die Federal Reserve sicherlich mehrmals in diesem Jahr ihre Leitzinsen anheben und die EZB möglicherweise gegen Ende des Jahres nachziehen werde. Die Entwicklung der Langfristzinsen ist unklar. „Einerseits sollte die Inflation für steigende Renditen sorgen, andererseits sind Staatsanleihen als sicherer Ort vor dem Hintergrund des Krieges in der Ukraine aktuell besonders stark nachgefragt. Und zuletzt traten sogar Rezessionsängste hervor. Auch hier bleiben wir vorsichtig und achten auf eine niedrige Duration in unseren Anleihenportfolios. Bei Ethenea bleiben wir weiterhin vorsichtig und sehr selektiv bei unseren Anleiheninvestments, dies gilt insbesondere im Versorgungssektor“, sagt Schmidt.