Die EU-Kommission hat am 24. Mai 2023 ihre Kleinanlegerstrategie mit dem Ziel höherer Investitionen von Verbraucher in Wertpapieren vorgestellt. Die Hauptthemen sind Maßnahmen gegen irreführendes Marketing, Interessenkonflikte und zu hohe Produktkosten.
1. Provisionen
Das Thema der Provisionen soll in einem neuen Art. 24 a) MiFID II prominent geregelt werden.
Für die Vermögensverwaltung wird ein vollständiges Verbot der Annahme oder Zahlung von Provisionen vorgesehen. Das gilt auch für Sachleistungen und geldwerte Vorteile. Das bedeutet eine deutliche Verschärfung, weil gegenwärtig lediglich angeordnet ist, dass im Rahmen einer Finanzportfolioverwaltung Provisionen unverzüglich dem Kunden gutzuschreiben seien und kein Verbot der Zahlung von Provisionen im Rahmen einer Finanzportfolioverwaltung vorgesehen war. Durch die Verschärfung soll aber nun auch die Zahlung von Provisionen im Rahmen einer Vermögensverwaltung unzulässig werden.
Für die Wertpapierdienstleistungen Anlagevermittlung und Ausführung von Orders sieht die vorgeschlagene Vorschrift ebenfalls ein Provisionsverbot vor. Im Falle einer Weiterleitung von Orders (recieve and transmission of orders, in Deutschland Anlagevermittlung) oder Ausführung von Orders für Privatkunden soll es Instituten verboten sein, Zahlungen entgegenzunehmen oder zu leisten. Das soll für alle Zahlungen von Dritten, die für die Gestaltung, Entwicklung und Emission von Finanzinstrumenten verantwortlich sind, gelten, wenn das Institut für diese Produktgeber die Orderausführung oder Ordervermittlung erbringt. Das Verbot soll für die Annahme und die Gewährung von solchen Zahlungen ausgesprochen werden.
Das Verbot soll auch für alle Dritten gelten, die im Namen von Produktgebern handeln. Es soll auch für nicht monetäre Vorteile und geldwerte Vorteile gelten. Damit wären auch Essenseinladungen, Veranstaltungen, Events und Incentives erfasst.
Der Vorschlag enthält nicht weniger als ein vollständiges Provisionsverbot für die Wertpapierdienstleistungen der Anlagevermittlung und Orderausführung.
Das bedeutet eigentlich ein Verbot von Bestandsprovisionen für die Vermittlung von Finanzinstrumenten. Diese werden in der Regel auf Basis von Kooperations- und Vermittlungsverträgen für die Vermittlung von Beständen an Finanzinstrumenten gezahlt und vereinnahmt. Da die Provisionsabwicklung in der Regel über Verwahrstellen und Depotbanken durchgeführt wird, die den MiFID II-Regelungen unterworfen sind, bedeutet der Vorschlag eine Unterbrechung dieser Zahlungskette.
Depotbanken und Verwahrstellen wäre es nicht mehr erlaubt, für vermittelte Bestände von Produktgebern, wie z.B. Fondsgesellschaften, Provisionen entgegenzunehmen und diese an andere Institute oder Vermittler weiterzuleiten.
Die gleichen dramatischen Auswirkungen würden für Vermittler und Pools eintreten, sie könnten für den vermittelten Bestand von Depotbanken und Verwahrstellen nicht mehr verprovisioniert werden.
Eine Ausnahme enthält die Vorschrift für die Anlageberatung. Im Falle einer nicht unabhängigen Anlageberatung könnte nach dem Vorschlag noch eine Provision in Bezug auf die der Anlageberatung unterliegenden Finanzinstrumente bezahlt werden. Für eine unabhängige Anlageberatung (in Deutschland Honorar-Anlageberatung) besteht schon seit MiFID II ein vollständiges Provisionsverbot.
Diese Regelung würde zu immensen Abgrenzungsproblemen führen, weil nur der beratene Bestand verprovisioniert werden könnte, nicht aber der lediglich vermittelte Bestand. Es wäre abzugrenzen, wann und wie lange die Zahlungen noch zulässig für eine Anlageberatung erfolgen und ab wann sie für eine Bestandshaltung unzulässig würden.
Dazu kommt das Problem der Umsatzsteuer. Nur die Vermittlung von Finanzinstrumenten ist nämlich umsatzsteuerbefreit, für die Anlageberatung und ihre Vergütung wäre Umsatzsteuer fällig.
Es werden wenige Ausnahmen gewährt, zum Beispiel, wenn die Provisionen für Emissionsleistungen bezahlt werden, die soll aber schon nicht für PRIIPs-Produkte gelten.
Ebenso wird eine Bagatellgrenze aufgenommen. Sie gilt aber nur für geringwertige nicht-monetäre Vorteile mit einem Wert bis zu 100 Euro pro Jahr.
2. Kosten
Der Vorschlag sieht detaillierte Neuregelungen zu den Kosten von Finanzinstrumenten vor.
Die Vorgaben zu Product Governance werden um einen sogenannten „Preisbildungsprozess“ ergänzt. Emittenten sollen in ihren Produktgenehmigungsverfahren einen Preisbildungsprozess für Anlageprodukte für Privatkunden vorsehen. In diesem Prozess soll eine Identifizierung und Quantifizierung aller Kosten und Gebühren vorgenommen werden und eine Bewertung durchgeführt werden, ob die Kosten und Gebühren unter Berücksichtigung der Merkmale, Ziele und Strategie des Wertpapiers und seiner Wertentwicklung gerechtfertigt und verhältnismäßig sind. Dadurch wird für die Aufsicht ein Hebel geschaffen, sich direkt in die Preisbildung eines Finanzinstruments einzuschalten und zu intervenieren.
Die Emittenten sollen die Einzelheiten zu den Kosten und Gebühren ihrer Finanzinstrumente, einschließlich aller Vertriebskosten, sowie Daten über die Merkmale des Finanzinstruments, insbesondere seiner Wertentwicklung und seines Risikoniveaus, an die ESMA melden.
Auch Vertriebsunternehmen, die Wertpapiere anbieten oder empfehlen, sollen die gleiche Beurteilung vornehmen, nämlich ob Gesamtkosten und Gebühren gerechtfertigt und verhältnismäßig sind und zwar im Rahmen eines eigenen Preisbildungsprozesses.
Diese Unternehmen sollen ihren nationalen Aufsichtsbehörden Einzelheiten der Vertriebskosten, einschließlich der Kosten von Anlageberatungsleistungen und Zahlungen Dritter, melden. Diese wiederum sollen diese Kosten unverzüglich an die ESMA melden.
Die ESMA soll aus diesen gemeldeten Daten sogenannte Benchmarks für Finanzinstrumente entwickeln. Dabei soll sie Finanzinstrumente, die ähnliche Leistungs-, Risiko-, Strategie-, Ziel- oder sonstige Merkmale aufweisen, zusammenfassen und Benchmarks zu den Kosten bilden. Diese Benchmarks sollen eine Band- breite von Kosten und Wertentwicklungen aufweisen und es den Instituten erleichtern, Kosten im Verhältnis zu den Wertentwicklungen zu identifizieren und festzustellen, ob diese erheblich vom Durchschnitt abweichen.
Das soll jedenfalls für alle Finanzinstrumente gelten, die der PRIIPs-Verordnung unterliegen, das heißt insbesondere Fonds.
Für die Anlageberatung wird dann konsequenterweise angeordnet, dass diese nur als im besten Interesse des Kunden erbracht gilt, wenn die kosteneffizientesten Finanzinstrumente empfohlen werden.
Damit dieses Gebot nicht umgangen wird, soll zusätzlich die Verpflichtung eingeführt werden, dass dem Kunden aus dem Kreis der für ihn geeigneten Finanzinstrumente auch Alternativen angeboten werden, die auf zusätzliche Ausstattungsmerkmale verzichten, die zur Erreichung der Anlageziele für den Kunden nicht notwendig sind und die Zusatzkosten für den Kunden verursachen würden.
Dadurch soll sichergestellt werden, dass dem Kunden keine Finanzinstrumente mit zusätzlichen Kostenkomponenten empfohlen werden, die für ihn nicht notwendig sind.
3. Informationspflichten
Die Informationspflichten gegenüber den Kunden werden verschärft, insbesondere für die elektronische zur Verfügungstellung von Informationen auf einer Homepage und zu Kosteninformationen. Dazu soll die ESMA Leitlinien entwickeln, insbesondere zum Format der Offenlegung, Sicherheitsvorkehrungen und einer leichteren Auffindbarkeit der Informationen für den Kunden.
4. Versicherungsvermittlung
Für die Vermittlung von Versicherungen, insbesondere von versicherungsbasierten Anlageprodukten, werden sehr ähnliche Maßnahmen wie die oben beschriebenen für Versicherungsunterunternehmen und Versicherungsvermittler vorgeschlagen.
Es handelt sich um einen Richtlinienvorschlag der EU-Kommission. Dieser muss nun mit dem EU-Parlament und den Mitgliedstaaten beraten und verabschiedet werden.