EU-Transparenzverordnung: Gute Nachrichten von BMF und BaFin?

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Lange wurde in der Branche gerätselt, ob die EU-Transparenzverordnung für Finanzmarktteilnehmer und Finanzberater auch für den freien Finanzvertrieb gilt. BMF und Bafin haben sich nun offenbar festgelegt: 34f-Vermittler sollen nicht der EU-Transparenzverordnungunterfallen. Anders sehen dies viele Fachverbände und der DIHK. Diese empfehlen, dass auch freie Finanzvermittler die Vorgaben der Transparenzverordnung umsetzen und einhalten. Was steckt dahinter? Wie sollen sich die freien Berater nun verhalten? Ein Kommentar von Dr. Martin Andreas Duncker, Fachanwalt für Bank-und Kapitalmarktrecht bei Schlatter Rechtsanwälte Steuerberater PartG mbB

Ab dem 10.03.2021 gilt sie: Die Sustainable Finance Disclosure Regulation oder auch „EU-Transparenzverordnung“ (TVO) für Finanzmarktteilnehmer und Finanzberater. Das Ziel der Verordnung ist schnell erklärt: In der EU sollen einheitlicheOffenlegungspflichten auf Unternehmens- und Produktebene für Finanzprodukte im Zusammenhang mit Nachhaltigkeitsrisiken und Nachhaltigkeitsfaktoren gelten.

Nachhaltigkeitsfaktorensind nach der TVO Umwelt-, Sozial- und Arbeitnehmerbelange, die Achtung der Menschenrechte und die Bekämpfung von Korruption und Bestechung. Nachhaltigkeitsrisiken sind Ereignisse oder Bedingungen, die in den Bereichen Umwelt, Soziales oder Unternehmensführung tatsächlich oder potenziell wesentliche negative Auswirkungen auf den Wert der Investition haben könnten.

RA Dr. Martin Duncker, Kanzlei Schlatter

TVO gilt unmittelbar

Die EU-Transparenzverordnung (TVO) ist nicht mehr in nationales Recht umzusetzen; sie gilt ab dem 10.03.2021 unmittelbar. Es gibt einige Ausnahmen mit früheren und späteren Geltungsdaten (vgl. Artikel 20 der Verordnung), so ist z.B.ab spätestens 30.12.2022 die Berücksichtigung der nachteiligenAuswirkung auf die Nachhaltigkeit für alle Produkte offenzulegen.

Für wen gilt die TVO?

Die TVO ist von Finanzberatern und Finanzmarktteilnehmern zu beachten. Beides sind Begriffe, die im deutschen Recht nicht definiert sind. Es muss also durch Systematik und Auslegung geklärt werden, wer sich an diese Verordnung halten muss. Zu Finanzberatern gehören nach der EU-Definition (Art.2 Nr. 11 TVO)

  • Versicherungsvermittler oder Versicherungsunternehmen, die Versicherungsberatung für Versicherungsanlagenprodukte erbringen,
  • Kreditinstituteund Wertpapierfirmen, die Anlageberatung anbieten sowie
  • AIFMund / oder OGAW-Verwaltungsgesellschaften, die Anlageberatung anbieten.

Allen Akteuren ist gemein, dass sie beratend tätig sein müssen; die bloße Vermittlung reicht für die Anwendbarkeit der TVO nicht aus.

Daneben nennt die TVO die Gruppe der Finanzmarktteilnehmer (Art. 2 Nr. 1 TVO). Auch Kreditinstitute und Wertpapierfirmen, die Portfolioverwaltung erbringen, sind sog. Finanzmarktteilnehmer. Wenn ein Kreditinstitut z.B. sowohl Anlageberatung als auch Portfolioverwaltung erbringt, muss es jeweils die für diese Tätigkeit geltenden Vorgaben der TVO beachten. Es gehört dann zu beiden Gruppen.

Ausnahme ja, aber Vorsicht!

Die TVOgilt nach dem Verordnungswortlaut weder für Versicherungsvermittler noch für Wertpapierfirmen, die (unabhängig von ihrer Rechtsform) Anlageberatung anbieten, wenn sie weniger als drei Personen beschäftigen (Art. 17 TVO). Die EU-Mitgliedstaaten können diese Ausnahme national streichen und auch diesen „Kleinbetrieben“ alle Pflichten gemäß TVO auferlegen. Davon hat Deutschland bislang keinen Gebrauch gemacht. Aber Vorsicht: Trotz dieser Ausnahme wird in Ziffer (6) der Erwägungsgründe der TVO auch im Hinblick auf diese Personengruppe feinsinnig unterschieden: Diese Personen seien „zwar nicht verpflichtet, Informationen gemäß dieser Verordnung (= TVO) zur Verfügung zu stellen, sie müssen aber in ihren Beratungsprozessen die Nachhaltigkeitsrisiken berücksichtigen und einbeziehen.“ Keine Pflichtinformationen, aber Berücksichtigung im Beratungsprozess schon – wie dieser Widerspruch zwischen dem (verbindlichen) Verordnungswortlaut und den (unverbindlichen) Erwägungsgründen aufgelöst wird, wird sich erst noch zeigen.

Keine Geltung für 34f-Vermittler?!

Während etwa beratende Kreditinstitute, Wertpapierunternehmen und Versicherungsvermittler (jedenfalls jene mit mehr 3 Mitarbeitern) nach dem Wortlaut klar der TVO unterfallen, ist dies für die ca. 38.000 Finanzanlagenvermittlernach § 34f GewOkeineswegs eindeutig.

Licht ins Dunkle gebracht hat eine gemeinsame Antwort von BMF und Bafin. Wie „FONDS professionell ONLINE“ am 18.2.2021 berichtete, haben BMF und Bafin gegenüber „FONDS professionell ONLINE“ auf Anfrage mitgeteilt:

„Da Finanzanlagevermittler gemäß § 34 Abs. 1 GewO innerhalb der Bereichsausnahme des § 2 Abs. 6 S. 1 Nr. 8 KWG tätig sein müssen, sind [sie] kein Finanzdienstleistungsinstitut und mithin auch kein Wertpapierdienstleistungsunternehmen bzw. keine Wertpapierfirma. Somit sind sie nicht Adressat der OffenlegungsVO.“

Diese Aussage ist zunächst für den freien Vertrieb eine positive Nachricht. Schließlich wird damit dem freien Finanzvertrieb (vermeintlich) die Last abgenommen, sich zukünftig um die Vorgaben der TVO kümmern zu müssen.

Doch wie kommen BMF und Bafin zu diesem Ergebnis? Die Definition des Begriffes „Wertpapierfirma“ hilft alleine nicht weiter, da nach der TVO-Definition und nach Art. 4 Abs. 1 Nr. 1 MiFID II höchstens diejenigen 34f-Vermittler von der TVO befreit sein könnten, die nicht als juristische Person organisiert sind. BMF und Bafin sind offenbar der Argumentation gefolgt, dass der deutsche Gesetzgeber für Finanzanlagenvermittler, die unter die Bereichsausnahme von § 2 Abs. 6 Nr. 8 KWG fallen, von der Möglichkeit Gebrauch gemacht habe, bestimmte Personen von den Vorschriften der Richtlinie MiFID II zu befreien. Daher sollen die freien Finanzanlagenvermittler im Ergebnis auch nicht als Finanzberater unter den Anwendungsbereich der Offenlegungsverordnung unterfallen.

Bafin/BMF pro – Verbände contra?

Ob diese Auslegung einer Überprüfung durch den EuGH standhalten wird, wird die Zeit zeigen. Zwar ist es richtig, dass die Begriffsbestimmung in der TVO nur auf Art. 4 von MiFID II verweist, ohne zugleich auch auf deren Art. 3 zu verweisen. Doch viele Fachverbände und auch der DIHK weisen zutreffend darauf hin, dass die 34f-Vermittler vom Sinn und Zweck der Regelung durchaus von der TVO erfasst seien. Zwar habe der deutsche Ge-setzgeber von der fakultativen Ausnahmemöglich keit des Art. 3 MiFID II Gebrauch gemacht und die Finanzanlagenvermittler über § 3 WpHG vom An-wendungsbereich des WpHG bisher ausgenommen. Dieser Umstand sei aber bei der Erstellung der TVO wohl schlicht übersehen worden, also ein reines Redaktionsversehen.

Bereits der in der TVO verwendete Oberbegriff „Finanzberater“ (Art. 2 Nr. 11 TVO) spreche für eine gewollte Einbeziehung. Daher sei zu empfehlen, dass auch 34f-Finanzanlagenvermittler die Regeln der TVO berücksichtigen, obwohl sie in der TVO nicht explizit erfasst seien. Hierfür spricht auch der zitierte Erwägungsgrund (6) der TVO.

Sind Bafinund BMF also in diesem Punkt die „good guys“ der freien Finanzbranche – während die eigenen Verbände und der DIHK sich für stärkere Verhaltenspflichten einsetzen?

Keine Rechtssicherheit

Die Rechtsauffassung von BMF und Bafin hat aktuell Gewicht. Sie ist eine klare Aussage zur Verwaltungspraxis. Sie ist aber auch nicht mehr. Und sie ist keineswegs in Stein gemeißelt. Es ist gut möglich, dass der EuGH diese Auffassung korrigieren wird. Oder dass der EU-Verordnungsgeber dem EuGH mit einer Anpassung des Verordnungstextes zuvorkommt. Denn das Ziel der EU, mit der TVO einheitliche Offenlegungspflichten einzuführen, scheint nur schwer erreichbar, wenn zwar bspw. die Hausbank des Kunden in der Beratung ESG-Themen behandeln muss, der freie Finanzberater des Kunden bei der Empfehlung desselben Anlageprodukts hingegen nicht.

Und auch der Erwägungsgrund (6) der TVO lässt erkennen: Selbst die Finanzberater, die unter die Ausnahmevorschrift der TVO fallen, sollen zumindest in der Beratungspraxis auf das Thema Nachhaltigkeit eingehen. Die freien Finanzanlagenvermittler sind daher gut beraten, sich nicht auf der Aussage von BMF und Bafin auszuruhen.

Haftungsfragen bedenken

Selbst wenn man BMF und Bafin in ihrer Auffassung folgen wollte, wäre dies kein Anlass für die Finanzanlagenvermittler, sich zurückzulehnen: Sie werden ab dem 10.03.2021 in ihrer täglichen Arbeit um das Thema Nachhaltigkeitsfaktoren und Nachhaltigkeitsrisiken faktisch nicht herumkommen. Denn die Produktgeber werden zukünftig Angaben zu Nachhaltigkeitsrisiken und Nachhaltigkeitsauswirkungen in ihre Produktunterlagen aufnehmen.

D.h. jeder Vermittler wird sich zu diesen Informationen in irgendeiner Weise verhalten müssen, wenn er auch zukünftig anleger- und objektgerecht beraten will. Er wird diese Informationen also in seinem Beratungsprozess gegenüber dem Kunden „verarbeiten“ müssen.

Déjà-vufür 34f-Vermittler

Die aktuelle Situation zur TVO erinnert damit an die Übergangszeit zur „Zielmarktdefinition“ bis August 2020: Was nützte einem freien Vermittler der Hinweis, dass er den Zielmarktabgleich erst ab dem 01.08.2020 durchführen muss, wenn die Zielmarktdefinitionen schon vorher von den Produktanbietern mitgeliefert wurden und bei der Beratung auf dem Tisch lagen? Der entscheidende Maßstab bleibt auch für Finanz-anlagenvermittler aufsichtsrechtlich und zivilrechtlich: Der Kunde ist in der Beratung über alle Umstände aufzuklären, die erforderlich sind, damit dieser nach vernünftigem Ermessen die Finanzanlage verstehen und auf dieser Basis seine Anlageentscheidung treffen kann. Das Thema „Nachhaltigkeit und Nachhaltigkeitsrisiken“ wird sich dabei nicht ausblenden lassen.

Praxishinweis

Freie Finanzanlagenvermittler sind aus ihrem ureigenen Interesse, weiterhin einen guten Job zu machen, gut beraten, das Thema Nachhaltigkeit ab dem 10.3.2021 auf ihre Agenda zu setzen – und in ihren Beratungsprozess zu integrieren. Konkret heißt das: Der Beratungsprozess und die Geeignetheitserklärung sollten um Angaben zu Nachhaltigkeitsrisiken und Nachhaltigkeitsfaktoren bei Finanzprodukten ergänzt werden.

Dazu kann auch eine Überarbeitung der vorvertraglichen Informationen zur Beratungsdokumentation sinnvoll sein. Jedenfalls immer dann, wenn für den Kunden das Thema „Nachhaltigkeit“ relevant ist – etwa wenn er von sich heraus dieses Thema adressiert oder wenn die Berücksichtigung von Nachhaltigkeitsrisiken bei der Investmententscheidung für den Kunden erkennbare Vor- oder Nachteile bringen kann –, sind ESG-Kriterien Pflichtstoff im Beratungsgespräch. Wenn der Berater sich dazu entscheiden sollte, Nachhaltigkeitsfaktoren und deren Auswirkungen auf die Investitionsentscheidung nichtin seiner Beratung berücksichtigen zu wollen, sollte er den Kunden hierauf explizit und nachweisbar hinweisen. Inwieweit dies mit einem zeitgemäßen Beratungsansatz vereinbar ist, steht auf einem anderen Blatt.

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