Seit Mai 2007 gilt im deutschen Versicherungsvertrieb die EU-Vermittlerrichtlinie. Die neuen Spielregeln zur Qualitätssicherung bedeuten für die Branche erheblichen zeitlichen Mehraufwand bei Beratung und Verwaltung – so die gängige Annahme. Doch eine empirische Untersuchung zeigt nun, dass sich die Belastung in Grenzen hält.
Das Kompetenzzentrum Versicherungswissenschaften an der Leibniz Universität Hannover hat sich im Auftrag des Bundesverbandes Deutscher Versicherungskaufleute (BVK) mit den Auswirkungen des Vermittlerrechts befasst. Die Ergebnisse widersprechen zunächst der weitläufigen Meinung in der Vermittlerschaft, dass die neuen Regeln zu einer spürbaren zeitlichen Mehrbelastung geführt haben. Die statistische Auswertung der anonymen schriftlichen Befragungen ergab, dass die durchschnittliche Beratungsgesprächszeit sich nur um zwei auf insgesamt 65 Minuten erhöht hat. Auch die Vor- und Nachbereitungszeiten hätten sich nur um zwei Minuten, respektive gar nicht verändert, so die Studie.
„Damit zeigt sich, dass der zeitliche Aufwand in der individuellen Kundenberatung wissenschaftlich gesprochen nicht signifikant zunahm“, sagt BVK-Vizepräsident Thomas Billerbeck. Allerdings habe die Analyse einen eingeschränkten Aussagecharakter, denn aus ihr ließen sich keine Schlüsse über materielle Zusatzaufwendungen, zum Beispiel in Form von Kosten für die Administration, Material oder die Registrierung ableiten, so Billerbeck weiter.
Hintergrund: Das neue Vermittlerrecht verpflichtet jeden, der Versicherungen im Außendienst verkauft, seine Qualifizierung nachzuweisen. Neben Nachweis der Sachkunde und Registrierungspflicht im Versicherungsvermittlerregister, schreibt der Gesetzgeber unter anderem auch den Abschluss einer Vermögensschadenhaftpflicht-Versicherung vor. Dem BVK zufolge haben die Restriktionen zu Marktaustritten von „in der Regel schlecht ausgebildeten, nebenberuflichen Versicherungsvertretern“ geführt.
So habe der Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) noch in seinem Jahrbuch 2007 etwa 300.000 Nebenberufler ausgewiesen. Doch tatsächlich sind im Versicherungsvermittlerregister mit Stand von Dezember 2009 nur noch rund 255.000 Vermittler – einschließlich der Nebenberufsvertreter – verzeichnet.
Im Rahmen der Untersuchung analysierten die Forscher die Ergebnisse von zwei schriftlichen Befragungen – eine fand 2007 statt und eine 2009. An der ersten nahmen 742 Versicherungsvermittler teil, die über 1.394 konkrete Geschäftsvorfälle berichteten. Davon waren damals 91,1 Prozent Ausschließlichkeitsvertreter und 8,9 Prozent Makler. 2009 beteiligten sich 1.014 Berufskollegen, von denen 94,7 Prozent den Ausschließlichkeitsorganisationen und 5,3 Prozent den Maklern zuzurechnen waren. Sie machten Angaben zu 1.456 Kundenkontakten. (hb)
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