Erst sollen die Ratingagenturen durch zu laxe Bewertungen die Finanzkrise eingebrockt haben und nun beziehen sie Prügel weil sie Portugal herabstufen – das riecht nach Opportunismus und nicht nach geradliniger Politik, die mit einheitlicher Elle misst.
Gastkommentar: Anthony Gillham, SIG
Noch vergangenen Mittwoch griff die EU-Kommission Moody’s an, weil die Ratingagentur die Kreditwürdigkeit Portugals auf Ramschniveau gesenkt hatte. EU-Präsident Jose Manuel Barroso wirft den Agenturen vor, mit solchen Schritten die Spekulanten regelrecht in den Markt zu locken.
Haben Politiker die Bonitätsprüfer nicht immer wieder gescholten, weil sie angeblich Topnoten an komplizierte Finanzinstrumente vergaben, die dann für den Ausbruch der Finanzkrise 2008 verantwortlich gewesen sein sollen?
Da kann es doch wohl kaum verwundern, dass die Ratingagenturen nun eher vorsichtig sind und die Kreditnoten einiger Peripherie-Länder der EU angemessen aber eben auch so zügig wie nötig absenken.
Und es trifft ja durchaus auch andere Länder. Angesichts ihrer Schulden und Defizite wurden Großbritannien und den USA ebenfalls Herabstufungen in Aussicht gestellt.
Dabei heben Ratingagenturen die Bonität vieler Länder auch an, etwa da, wo aufwärts weisende volkswirtschaftliche Daten die Bonität stützen – zum Beispiel in Schwellenländern. Das ist denn auch der Grund, warum das durchschnittliche Rating der Mitglieder des JPM EMBI GD-Indexes nun inzwischen bei „Investmentqualität“ liegt.
Bemühungen um Griechenland als Beleg für Unfähigkeit
Hält man sich all das vor Augen, dann scheinen die Ratingagenturen dazu gelernt zu haben, indem sie sich nunmehr strikter an den zugrundeliegenden Wirtschaftsdaten orientieren. Weil einige Regierungen, etwa die britische, dies ganz klar sehen, werden dort auch ehrgeizige Sparprogramme aufgelegt, die das wertvolle Gut Kreditwürdigkeit schützen sollen.
Was man immer auch denken mag über die Ratingagenturen, sie spielen eine einflussreiche Rolle am Finanzmarkt und sie geben Investoren eine Grundlage, auf der Anlageentscheidungen gefällt werden können.
Doch wo eine bestimmte taktische Interessenlage besteht, wie beispielsweise in der EU, erstaunt es nicht, dass die Agenturen schnell auch zum bequemen Ziel für unangebrachte Kritik werden. Vielleicht sollten EU-Politiker ihre Zeit besser nutzen und an einer wirklich koordinierten, politischen Antwort auf die Krise arbeiten.
Doch was das angeht, so sind die Rettungsbemühungen für Griechenland eher ein Beleg für ihr Unvermögen – wie übrigens auch die Unfähigkeit der US-Politik, sich bislang auf eine Schuldenobergrenze zu einigen.
Der Gastautor ist Anleihemanager bei der Fondsgesellschaft Skandia Investment Group (SIG)
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