Europas Autoindustrie vor Herausforderungen

Moritz Kronenberger
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Moritz Kronenberger, Union Investment

Ein beherrschendes Thema am europäischen Automarkt ist derzeit der Eintritt chinesischer E-Auto-Hersteller, die den traditionellen Marken mit vergleichsweise günstigen Preisen bei ordentlicher Qualität Konkurrenz machen.

Die chinesischen Konkurrenten im Bereich E-Mobilität heißen NIO, BYD und XPENG. Sie drängen auf den europäischen Markt und dürften auf lange Sicht vor allem eine Gefahr für Massenhersteller wie VW, Renault, Stellantis oder auch den US-Autobauer Ford darstellen. Sie können in Europa aktuell hohe Margen erzielen, weil sie Autos importieren, die zu weit niedrigeren Kosten hergestellt werden. Ab einer gewissen Jahresproduktion lohnt es sich jedoch, eine eigene Produktionsstätte vor Ort aufzubauen. Dies könnte bald ein Thema zum Beispiel für BYD werden. Der US-Wettbewerber Tesla hat bereits ein Werk in Brandenburg eröffnet. Mit der Produktion in Europa würden aber auch die Kosten für die chinesischen Anbieter merklich steigen, ihre strategischen Vorteile also abnehmen.

Eines der größten Störelemente im europäischen Markt ist Tesla. Das Unternehmen hat den Vorteil, dass es nicht die altbewährten Produktionsverfahren umstellen muss, sondern ein komplett neues Werk in Grünheide vom Reißbrett direkt auf die „Grüne Wiese“ stellen konnte. Zudem ist die Produktpalette weniger komplex – sie bieten weniger Modellvarianten an. Das Design der Karosserien ist zwar wenig individuell, aber das Innenleben der Autos passt sich stets der technologischen Entwicklung an.

Hinzu kommt, dass die klassische Autowelt in Sieben-Jahres-Produktlebenszyklen arbeitet. Tesla und BYD entwickeln die Plattformen hingegen kontinuierlich weiter. Die traditionellen Autobauer müssen wohl über kurz oder lang ihren Zyklus aufgeben und stetig an Innovationen arbeiten. Dann findet der Wettbewerb nicht nur über den Preis, sondern auch über den technologischen Fortschritt fortwährend statt.

Auftragseingänge werden langsam weniger

Die europäischen Anbieter befinden sich aktuell in einer Phase, in der die Auftragsbestände aus der Covid-Krise langsam abgebaut werden. Die Halbleiter-Knappheit löst sich auf, die Auslastung hat sich normalisiert, und der Auftragseingang nimmt an Bedeutung zu.

Nach dem kräftigen Zinsanstieg der vergangenen Monate haben jedoch auch die Leasing-Raten für Neuwagen deutlich angezogen. Entsprechend sind die Restwerte der Gebrauchtwagen auf neue Höchststände gestiegen. Hier zeichnet sich aber inzwischen eine Trendumkehr ab, bei Neuwagen werden mittlerweile wieder erste Rabatte gewährt. Bei den Auftragseingängen zeichnet sich vorerst kein weiteres Wachstum ab, auch weil sich immer mehr Konsumenten aufgrund der hohen Inflation kein Auto mehr leisten können. Aufgrund verschiedener Knappheiten bei Rohstoffen, aber auch Transportkapazitäten, wird die Branche derzeit aber noch von einem komfortablen Auftragseingang gestützt.

Mit Blick auf die europäischen Hersteller stellt sich die Situation für die Massenhersteller schwieriger dar als für das Premium-Segment. Tesla und insbesondere die asiatischen E-Auto-Hersteller kämpfen um Marktanteile in Europa vor allem über den Preis. Premium-Marken wie Mercedes, BMW, Audi und Porsche verfolgen eine andere Strategie, hier geht es eher um Knappheit und Exklusivität. Die Kundenbasis ist auch weniger preissensitiv als der Massenmarkt.

Komplettes Verbrenner-Aus in der EU bis 2030 unwahrscheinlich

Ein weiteres Thema, das die Hersteller umtreibt, ist das geplante Verbrenner-Aus in der Europäischen Union (EU) ab dem Jahr 2030. Es gibt Zweifel, dass es gelingen wird, dieses Aus bis 2030 komplett umzusetzen. Nicht nur, dass die Ladeinfrastruktur noch nicht ausreichend aufgebaut sein wird und die Reichweiten für die meisten zu gering sind. Hinzu kommt der hohe Preisaufschlag für E-Autos von aktuell rund 20 Prozent. 2026 erfolgt die Wiedervorlage des Verbrenner-Verbots im EU-Parlament.

Insgesamt zeigt sich, dass der Wandel der Automobilindustrie in vollem Gange ist. Noch sind die Verkaufszahlen der Konkurrenz aus Asien niedrig, aber ihre Marktanteile wachsen. Was heißt das mit Blick auf die Aktien? Die Bewertung der meisten europäischen Hersteller ist aktuell recht günstig, was die steigende Wettbewerbsintensität auf dem heimischen Markt widerspiegelt. Entsprechend ist Vorsicht angebracht bei einigen Massenherstellern, während bei den Premium-Marken aufgrund höherer Margen und ihrer Innovationsfähigkeit Potenzial besteht.     

Autor Moritz Kronenberger ist Aktien-Fondsmanager bei Union Investment.

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