Evergrande-Krise: Chancen bei asiatischen Unternehmensanleihen?

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Zentrale der Evergrande Gruppe in Shenzhen

Die Schwierigkeiten des chinesischen Immobilienentwicklers Evergrande dürften letztendlich nicht um sich greifen. Allerdings erinnert diese Krise nur allzu sehr daran, wie wichtig es ist, im asiatischen Immobiliensektor selektiv vorzugehen.

Die anhaltende Krise um Chinas zweitgrößten Immobilienentwickler Evergrande hat die Aufmerksamkeit der Finanzpresse und der Anleger weltweit auf sich gezogen, wie von den Investoren bei Schroders bereits diskutiert.

Viele Marktkommentatoren warnen seit längerer Zeit vor den Risiken, die sich auf dem chinesischen Immobilienmarkt aufgrund der enormen, schuldengetriebenen Expansion der letzten zwei Jahrzehnten angehäuft haben. Die Befürchtung ist, dass Evergrande der erste fallende Dominostein sein könnte, der den Anstoß zu einer möglicherweise tiefgreifenderen oder eher systemischen Krise liefert. Nachdem das Unternehmen am vergangenen Donnerstag eine Zahlung über 84 Mio. US-Dollar für eine Anleihe nicht geleistet hat, wurde dem Unternehmen eine 30-tägige Nachfrist gewährt. Bei Nichtzahlung würde Evergrande offiziell mit seinen Schulden in Verzug geraten.

Könnten sich inmitten all der negativen Schlagzeilen Chancen ergeben? In diesen Situationen ist es wichtig, einen kühlen Kopf zu bewahren, zumal nach wie vor viel Unsicherheit besteht. Wir sind allerdings der Meinung, dass die Bewertungen asiatischer Anleihen einer genaueren Überprüfung bedürfen. Auch wenn es derzeit vielleicht nicht an der Zeit ist, sich mit Immobilienwerten einzudecken, würden wir die jüngsten Ereignisse als Chance sehen, die Anleihen solider Unternehmen zu attraktiven Niveaus zu erwerben.

Warum die Marktkommentare zu negativ sind

Unseres Erachtens sind die Ängste am Markt letztendlich übertrieben. Die Verschuldung im Immobiliensektor ist hoch, geht aber aufgrund regulatorischer Maßnahmen allmählich zurück. Und obschon Evergrande groß ist, macht das Unternehmen weniger als 5 % eines fragmentierten Marktes aus, wobei die Top-10-Unternehmen laut Statista im vergangenen Jahr zusammengenommen einen Marktanteil von lediglich 26 % hatten. Unterdessen liegt das Engagement des Bankensektors in Evergrande bei weniger als 0,3 %.

Die Krise sollte folglich beherrschbar sein und auf den Immobiliensektor beschränkt bleiben. Während sich die politischen Entscheidungsträger weiterhin auf die Eindämmung des Schuldenstands konzentrieren werden, dürften sie im Notfall durchaus eingreifen, um Unterstützung zu leisten. Unter anderem werden wohl von der Regierung unterstützte Bauträger einige der nicht abgeschlossenen Bauprojekte von Evergrande übernehmen.

Die heftige Marktreaktion, die sich weitgehend auf den Immobiliensektor beschränkte, lässt die Anleihebewertungen in diesem Sektor letztlich überzogen niedrig erscheinen. Angesichts der anhaltenden Unsicherheit rund um Evergrande, des politischen Hintergrunds, der Bemühungen um den Schuldenabbau und der Konjunkturabschwächung in China ist eine hohe Selektivität vonnöten.

Welche Bedeutung hat Evergrande?

Immobilien waren in den letzten zwei Jahrzehnten eine zentrale Säule des umfangreichen Regierungsprogramms zur Urbanisierung, Entwicklung und Steigerung des Wohlstands in der Wirtschaft. Viele Unternehmen finanzierten ihre Expansion mit immer mehr Schulden.

Im Fall von Evergrande hat die hohe Verschuldung das Unternehmen nun eingeholt. Evergrande hatte über mehrere Monate hinweg Anzeichen von Not gezeigt und sich von Vermögenswerten getrennt, um solvent zu bleiben. Schließlich konnte das Unternehmen eine im September fällige Kuponzahlung nicht leisten, weshalb nun eine Umschuldung bevorstehen dürfte.

Ein Eindruck von dem potenziellen systemischen Risiko lässt sich gewinnen, wenn wir uns die gestiegene Sektorgewichtung von Immobilien im asiatischen Markt für Unternehmensanleihen ansehen. Auf dem gesamten asiatischen Kreditmarkt entfallen aktuell etwa 13–14 % auf Immobilien, gegenüber lediglich 1,8 % im Jahr 2005. Bei den Hochzinsanleihen aus dem Immobiliensektor ist der Anteil von 0,9 % im Jahr 2005 auf heute etwa 40 % angestiegen. Hochzinsanleihen sind riskanter als Anleihen von Anlagequalität (Investment Grade), da die Emittenten von Ersteren höhere Schuldenquoten haben. 

Warum dürften systemische Risiken vermieden werden?

Das Engagement des Bankensektors und der Gesamtmarktanteil von Evergrande sind gering. Dies bedeutet, dass ein etwaiger Anstieg der notleidenden Kredite oder Zahlungsausfälle überschaubar sein sollte. Wahrscheinlich ist indes, dass es zu weiteren Spillover-Effekten auf die breitere Aktivität im Immobiliensektor sowie auf die Nachfrage und die Preise kommen wird.

Es gibt Anzeichen dafür, dass Bauunternehmer bei der Arbeit an bestehenden Projekten zurückhaltender werden, Banken und Lieferanten ihr Engagement zügeln und Verunsicherung potenzielle Hauskäufer abzuschrecken scheint.

Aufgrund vergangener Erfahrungen gehen wir bei rückläufigen Vorverkäufen davon aus, dass die Behörden recht bald eingreifen werden: In der Regel wurde früher nach 4–6 Monaten mit sinkenden Vorverkäufen Unterstützung angekündigt. Die Regierung würde mit Sicherheit versuchen, einen langwierigen oder ausgeprägten Einbruch der Immobilienpreise zu vermeiden, da sich dies nachteilig auf die Vermögen der privaten Haushalte und damit auf den Konsum und die Gesamtwirtschaft auswirken würde.

Die Frage der politischen Intervention ist jedoch weniger einfach zu beantworten als in der Vergangenheit, da die Regierung zugleich bemüht ist, die Schuldenstände und die Spekulation in diesem Sektor einzudämmen. Im vergangenen Jahr führte sie die „Three Red Lines“-Politik ein, die im Wesentlichen den zulässigen Schuldenstand einer Immobiliengesellschaft begrenzt.

Künftige politische Maßnahmen dürften eher auf Feinabstimmungen hinauslaufen, bei denen die Notwendigkeit zur Stützung des Marktes mit der Dringlichkeit des Schuldenabbaus in Einklang gebracht wird.

Erfreulicherweise haben die meisten Bauträger mit dem Schuldenabbau bereits begonnen und befinden sich auf Kurs, die drei roten Linien einzuhalten. Letztendlich wird es jedoch ein holpriger Prozess sein, der eventuell Disparitäten zwischen stärkeren und schwächeren Unternehmen aufdeckt. Die Zahlungsausfälle werden zunehmen. Allerdings sollten sich auch klare Marktführer herauskristallisieren. 

Hat der Ausverkauf Chancen geschaffen?

Der Ausverkauf war heftig, beschränkte sich jedoch auf den Immobiliensektor, wie die Grafiken zeigen. Der Spread gibt das Niveau an Renditeaufschlag gegenüber vergleichbaren Anleihen mit geringerem Risiko an und bewegt sich in einem inversen Verhältnis zu den Kursen.

Das gegenwärtige Marktniveau impliziert für die kommenden zwölf Monate eine Ausfallrate im chinesischen Immobiliensektor von etwa 20 %. Das erscheint uns zu hoch. Der Ausverkauf von Immobilienwerten in Asien im Vergleich zum Rest des Marktes und zu den USA ist wohl ebenfalls übertrieben.

Bei BB, dem hochwertigsten Rating im Segment der Hochzinsanleihen, ist der Spread für asiatische Immobilienanleihen von rund 690 Basispunkten (Bp.) Anfang September auf mittlerweile rund 980 Bp. angestiegen. Bislang gab es kein Übergreifen auf andere Segmente der asiatischen Märkte für Hochzinsanleihen.

Die Erwartungen auf eine anhaltende Marktvolatilität und ein schwieriges Geschäftsumfeld werden zu erheblichen Performanceunterschieden zwischen den Kredittiteln führen. Ein selektiver Ansatz bleibt daher entscheidend.

Da die Bewertungen ein erhebliches Abwärtsrisiko eingepreist haben, wartet das höherwertige Segment des Marktes für chinesische Hochzinsanleihen sowohl im Immobiliensektor als auch allgemein mit attraktiven Chancen auf.

Autor Scott MacLennan ist Fondsmanager/Researchanalyst für Europäische Aktien bei Schoder Investment Management.

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