Der AfW verfolgt die Entwicklungen rund um das Thema KI daher mit sehr großer Aufmerksamkeit. Wir sind der Auffassung, dass das Thema tiefgreifende Auswirkungen auf die Tätigkeiten als Vermittlerin oder Vermittler haben wird. Wir fordern alle unsere Mitglieder auf, sich aktiv mit dem Thema KI zu beschäftigen, denn zur Zeit setzen viel zu wenig Vermittlerinnen und Vermittler KI-Tools aktiv ein.
So ist momentan ist die aktive Nutzung von generativer künstlicher Intelligenz (zum Beispiel ChatGPT) in der Vermittlerschaft noch äußerst gering. Unser Vermittlerbarometer aus dem November 2023 mit über 1.100 Teilnehmenden zeigt, dass gerade einmal drei Prozent der Vermittelnden solche KI-Tools täglich nutzen, acht Prozent wöchentlich. Die überwiegende Mehrheit von 85 Prozent dann (auch nur) zur Texterstellung.
Von Automatisierungen sind wir somit noch sehr weit entfernt. Aber gerade im Bereich der verwaltenden beziehungsweise Backoffice-Tätigkeiten wird der Einsatz von künstlicher Intelligenz zu deutlichen Effizienzsteigerungen führen. Automatisierungen werden über kurz oder lang in fast alle Bereiche der Verwaltung Einzug halten: Schriftverkehr, Schadenbearbeitung, Kundenbindung, Social Media Arbeit, Datenanalyse et cetera.
Dieser „Effizienz-Schatz“ wird zu heben sein. Wer sich rechtzeitig auf diese Reise macht, wird erfolgreicher werden. Oder kennen Sie erfolgreiche Vermittlerinnen oder Vermittler, die noch mit Hängeregistern arbeiten?
So ist es nicht verwunderlich, dass Zeitersparnis der häufigste Grund ist, warum Vermittelnde KI-Tools bereits einsetzen. Denn wenn sich Vermittlerinnen und Vermittler durch den Einsatz von KI beziehungsweise KI-Tools von manuellen, verwaltenden Tätigkeiten befreien, gewinnen sie Zeit für die Tätigkeit, für die sie einmal in unsere Branche gekommen sind: Für die Beratung und Betreuung ihrer Kundinnen und Kunden. Gleichzeitig wird durch die Standardisierung der Abläufe die Qualität der Dienstleistung erhöht, was ebenfalls zu begrüßen ist.
KI-gesteuerte Chat-Bots oder gar künstliche Avatare
Auf der anderen Seite wird künstliche Intelligenz natürlich nicht im Backoffice Halt machen, sondern auch in die Beratung Einzug halten. Ob KI-gesteuerte Chat-Bots oder gar künstliche Avatare, die Beratungsformen werden sich drastisch erweitern und die bisherigen Formen in den Hintergrund drängen.
Trainieren Vermittlerinnen und Vermittler die Bots/Avatare dann noch mit ihren eigenen Daten, werden sie Teil der eigenen Beratungslandschaft werden. Insbesondere, wenn VR-Brillen bezahlbar und somit auch flächendeckend im Endkundenbereich angekommen sind, können virtuelle Beratungssituationen geschaffen werden, die einem klassischen Zoom-Meeting deutlich überlegen sein werden.
Diese neuartigen Beratungsformen werden nicht für alle Kundengruppen gleich interessant: jüngere Kundinnen und Kunden werden verstärkt danach fragen und sie dann auch nutzen. Ältere Zielgruppen wahrscheinlich nur zu einem geringeren Teil. Hier müssen Vermittlerinnen und Vermittler analysieren, was ihre Kundenzielgruppe wirklich braucht und möchte.
Kunden werden sich in einem Punkt nicht ändern
Kunden werden sich aber in einem Punkt trotz KI nicht ändern: Die überwiegende Mehrheit wird weiter auf Finanz- und Versicherungsprodukte angesprochen werden müssen. Sprich: Sie werden nicht anlasslos selbst aktiv und kümmern sich dann selbst im Internet um eine passende Lösung. Daher wird sich das Berufsbild des Vermittlers aus unserer Sicht ändern: Aufgrund von KI-Einsatz wird es kaum noch Verwaltungsarbeit zu erledigen geben, letztlich aber auch weniger eigene Beratungsleistungen.
Dafür werden Vermittlerinnen und Vermittler immer mehr zum „Finanz-Coach“, der seine Kunden zunächst akquiriert und sich dann, wie ein Coach, um deren die Finanz- und Versicherungsthemen kümmert und seine Kunden zur Beschäftigung mit Finanzthemen motiviert. Open Finance beziehungsweise FIDA werden zusätzliche Möglichkeiten eröffnen, Kunden regelmäßig und bei Bedarf anzusprechen und sich darum zu kümmern, dass ihre Kunden die passenden Produkte und die passende Strategie gewählt haben. Vielleicht ist KI der Schritt weg vom Vermittler oder gar Verkäufer, hin zum „Finanz-Kümmerer“.
Autor Frank Rottenbacher ist Vorstand des AfW Bundesverband Finanzdienstleistung und Vorstand der Going Public! Akademie für Finanzberatung AG & Co. KG.
Dieser Artikel stammt aus dem Special Digitalisierung in Cash.-Ausgabe 4/2024.