EXKLUSIV: Europäische Crowdplattformen – Zwischenstand 4 zu 186

„Eine Korrelation von ECSP mit einer höheren Platzierungsgeschwindigkeit oder einer höheren durchschnittlichen Zeichnungssumme sehen wir derzeit nicht“, berichtet hingegen Markus Kreuter, Geschäftsführer der Plattform Zinsbaustein, die erste Schritte einer aktiven Vermarktung in Österreich umgesetzt und von dort gute und positive Resonanz erhalten habe. „Gleichwohl sind wir überzeugt, dass ECSP zu einer qualitativen Aufwertung unserer Plattform mit ihren Prozessen geführt hat. Dies wirkt unmittelbar auf das Kundenvertrauen. Generell sehen wir eine unverändert hohe Nachfrage auf unserer Plattform“, so Kreuter. 

Er betont aber auch: „Die regulatorische Basis von ECSP hat keinerlei Einfluss auf die Auswahl und das Risikoprofil der zugrundeliegenden Immobilientransaktionen. Hier gilt es, im herausfordernden Umfeld qualitativ hochwertige Immobilienprojekte zu identifizieren, unabhängig von der technischen Umsetzung auf der Plattform. Aufgrund der Möglichkeit, Prozesse durch ECSP zu verschlanken, können Projekte vom Grundsatz her jedoch beschleunigt umgesetzt werden.“ 

Karl Poerschke, EV Digital Invest: „Abhängigkeit von klassischen Immobilien-Assetklassen reduzieren.“ (Foto: EV Digital Invest AG)

Gibt es künftig nur noch ECSP-Projekte oder sind weiterhin auch andere Arten von Emissionen geplant? „Für das Produkt Crowdfunding als besichertes Darlehen ist die ECSP-Verordnung im Volumen bis fünf Millionen Euro die einzig erlaubte Platzierungsform“, antwortet Kreuter. „Qualifizierte Nachrangdarlehen, die von der ECSP-Verordnung in der Crowd ausgenommen sind, wollen wir aufgrund der rechtlichen Risikoposition der Anleger und Anlegerinnen nach Möglichkeit vermeiden. Im nicht-öffentlichen Bereich werden wir weiterhin Club-Deals an selektierte Kundengruppen vermitteln“, so der Zinsbaustein-Geschäftsführer weiter.

Auch EV Digital Invest will nicht allein auf die ECSP-Produkte setzen. „Die ECSP-Lizenz ermöglicht uns kundengerechtere Finanzierungsmöglichkeiten sowie einen beschleunigten Finanzierungsprozess. Damit wird unser Augenmerk zukünftig auf ECSP-Projekten liegen“, schreibt das Unternehmen. „Allerdings werden wir auch weiterhin klassische Nachrangdarlehen im Rahmen des Vermögensanlagengesetzes anbieten“, so EV Digital Invest weiter.

Exporo ebenfalls nicht auf ECSP-Projekte beschränkt

Exporo-Chef Brunke will sich ebenfalls nicht auf ECSP-Projekte beschränken. „Wir optimieren unsere Verträge und Produktstrukturen fortlaufend und schließen andere Arten von Emissionen nicht aus“, antwortet er. Die Verwendung anderer Emissionen, wie zum Beispiel tokenbasierte Schuldverschreibungen nach MiFIDII ziehe Exporo weiterhin in Betracht. „Die Art beziehungsweise unter welcher Regulatorik wir Projekte realisieren, hängt letztendlich von der Projektstruktur ab“, so Brunke.

Dabei rückt neben dem kriselnden Immobilienmarkt eine weitere Assetklasse in den Fokus: Erneuerbare Energien. So brachte Exporo schon im Oktober 2023 erstmals ein Angebot zur Investition in eine Photovoltaikanlage. „Investitionen in erneuerbare Energien können für Anleger äußerst attraktiv sein. Das Wachstumspotenzial des Markts der regenerativen Stromerzeugung ist riesig und der Bedarf an Kapital zur Finanzierung solcher Projekte hoch“, sagte Brunke zum Start in das Segment. 

Auch EV Digital Invest mit Solarprojekt

Auch EV Digital Invest kündigte Anfang Mai an, das Geschäft auf nachhaltige Investitionen auszuweiten und startete in Kooperation mit einem Solar-Projektentwickler die Finanzierung eines Photovoltaik-Projekts. „Wir bieten damit unseren Kunden die Chance, Teil der Energiewende zu werden. Zugleich können wir so unsere Abhängigkeit von den klassischen Assetklassen des Immobilienmarktes wie zum Beispiel Wohnen oder Büro reduzieren“, sagte Karl Poerschke, Vorstand von EV Digital Invest, im Cash.-Interview (siehe cash-online.de). 

Auch die Plattform Invesdor, die bereits seit Januar 2023 über die ECSP-Lizenz der FMA verfügt, hat schon Mitte 2023 ein Erneuerbare-Energien-Projekt international finanziert: 1,8 Millionen Euro für einen Windpark in Oude Maas (Niederlande). Davon stammten laut Invesdor 830.000 Euro aus Deutschland, Österreich und der Schweiz, der Rest aus den Niederlanden. Zuletzt meldete Invesdor Anfang Mai 2024 die Platzierung von zehn Millionen Euro für ein weiteres Windparkprojekt in Holland, das allerdings nur Bürgern vor Ort angeboten wurde.

Emissionen im regulierten Sektor mit Zukunft

So zeichnet sich ab, dass Emissionen und Plattformen im regulierten Sektor – sei es im Rahmen eigener ECSP- oder WpIG-Lizenzen oder in Kooperation mit einer Bank beziehungsweise unter einem Haftungsdach – Zukunft haben. Unregulierte Unternehmen und Emissionen hingegen dürften es zunehmend schwer haben, auch wenn sie sicherlich im Einzelfall Erfolg haben können – solange es erlaubt bleibt. 

Entscheidend für die Zukunft der Branche wird wohl trotz der zunehmenden Bedeutung der Erneuerbaren Energien auch die Entwicklung des Immobilienmarkts sein. Dabei geht es nicht nur um neue Projekte, sondern auch um die Frage, inwieweit die vielen Schieflagen bestehender Finanzierungen ganze Plattformen in Schwierigkeiten bringen oder das Image von Crowdinvestments insgesamt belasten werden und damit künftige Emissionen generell erschweren. 

Daneben ist ein weiterer Punkt offen: Wie der Kampf vier gegen 186 ausgeht, also ob, wann und in welchem Umfang neben den Plattformen aus Österreich weitere der vielen ECSP aus dem EU-Ausland nach Deutschland drängen und den deutschen Unternehmen Geschäft wegnehmen werden. Und inwieweit das den wenigen deutschen ECSP umgekehrt gelingt.

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