Im Gesetz über den Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmen für Unternehmen, kurz StaRUG, haben Sie ein Risiko für Geschäftsleiter ausgemacht, von dem viele Finanzdienstleister selbst betroffen sein können, das für sie aber auch eine Chance im Vermittlungsgeschäft sein kann. Worum geht es?
Schwarz: StaRUG ist die deutsche Umsetzung einer europäischen Vorgabe. Diese verpflichtet alle Geschäftsleiter von juristischen Personen zu zwei Dingen: Risiken müssen erkannt und dokumentiert werden und geeignete Gegenmaßnahmen eingeleitet werden. Seit Januar 2021 sind Geschäftsleiter laut StaRUG verpflichtet, ein Risikofrüherkennungssystem im Unternehmen zu installieren. Dies gilt für alle haftungsbeschränkten juristischen Personen. Die bekannteste Form ist sicherlich die GmbH mit ihrem Geschäftsführer. Und davon gibt es auch ziemlich viele in der Finanzdienstleistung.
Was kann passieren, wenn ein Geschäftsleiter diese Verpflichtung nicht erfüllt?
Schwarz: Ein GmbH-Geschäftsführer kann in eine unbegrenzte persönliche Haftung mit seinem Privatvermögen geraten, wenn er oder sie die StaRUG-Verpflichtungen nicht erfüllt hat und das Unternehmen durch die Entscheidung bestandsgefährdet wird. Gefährlich kann das vor allem im Fall einer Insolvenz werden, weil dann der Insolvenzverwalter entsprechende Forderungen gegenüber dem Geschäftsführer geltend machen kann. Die Haftungsbeschränkung der GmbH wird dann durchbrochen.
Inwieweit gibt dazu bereits Rechtsprechung?
Schwarz: Da gibt es zunächst ein spannendes OLG-Urteil aus Nürnberg. Dort wurde der Geschäftsführer einer GmbH wegen eines Verstoßes gegen die Sorgfaltspflicht als ordentlicher Kaufmann nach Paragraf 43 GmbH Gesetz und – jetzt kommt es – in Verbindung mit Paragraf 1 StaRUG verurteilt. Gegen die Sorgfaltspflicht zu verstoßen und verurteilt zu werden ist wohl „Höchststrafe“ für einen Geschäftsführer. Ganz sicher kommen 2024 und 2025 viele weitere Urteile hinzu.
In erster Linie sind Steuerberater oder Wirtschaftsprüfer in der Pflicht, ihre Mandanten über die StaRUG-Verpflichtungen zu informieren. Was hat der Bundesverband der Sachverständigen für das Versicherungswesen damit zu tun beziehungsweise wie kommen Finanzdienstleister und Versicherungsvermittler ins Spiel?
Schwarz: Das stimmt so nicht ganz. Steuerberater sind gemäß StaRUG Paragraf 102 „nur“ verpflichtet, ihren Mandanten – allerdings auch außerhalb ihres Beratungsauftrages – schriftlich und unterschrieben vom Geschäftsleiter zu informieren, wenn dieser ihrer Meinung nach ein bestandsgefährdendes Handeln für die juristische Person vornimmt. Das brisante ist dabei: Die Meinung des Geschäftsleiters ist hier nicht gefragt. Der Steuerberater muss handeln, wenn er eine Gefahr für die juristische Person sieht. Unabhängig davon besteht aber jederzeit die Verpflichtung des Geschäftsleiters, ein Risikofrüherkennungssystem zu installieren, bei Alarmsignalen entsprechende Gegenmaßnahmen zu ergreifen und gegebenenfalls seine Gesellschafter zu informieren. Hier ist also enormes Aufklärungspotenzial, sowohl bei Firmen wie auch bei Steuerberatern, vorhanden. Der BVSV e.V. hat umfangreiche Risk-Checks entwickelt, mit denen die Risken und Schwachstellen eines Unternehmens, auch in Bezug auf StaRUG, aufgedeckt werden können.
Neben dem Verband BVSV e.V. gibt es die BVSV Gewerbezentrum GmbH & Co. KG, die wiederum mit dem BVSV kooperiert. Wie hängt das zusammen und worin besteht die Kooperation?
„Ab 500 Gewerbezentren wird es spannend“
Schwarz: Die aktuell 230 Gewerbezentren, die jeweils von einem selbständigen Finanzdienstleister betrieben werden, dienen als Anlaufstationen (oder Ankerzentren) für Unternehmer und deren Berater, die sich für einzelne Unternehmensfelder eine zweite Meinung einholen wollen. Sie bieten unter anderem die Durchführung der vom BVSV entwickelten Risk-Checks. Die BVSV Gewerbezentrum GmbH & Co. KG kooperiert nicht nur mit den Sachverständigen des Verbandes, sondern auch mit sehr vielen anderen Sachverständigen, Experten und Spezialisten. Wir nennen das Monitoring. Gerade deshalb sind ja viele Spezialisten dabei und bringen sich ein. Miteinander anstatt gegeneinander.
Was planen Sie in Bezug auf die BVSV-Gewerbezentren?
Schwarz: Sie sprechen sicher vom strategischen Ausbau. Dieser ist aufgrund der geographischen Gegebenheiten auf 4.992 Gewerbezentren begrenzt. Mit dieser Anzahl wären wir in der Fläche überall vertreten. Ab 500 Zentren wird es spannend. Diese sollten am Jahresende erreicht sein. Die BVSV Gewerbezentrum GmbH & Co. KG ist mit dem Geschäftsmodell der Gewerbezentren interessanter Kooperationspartner für Versicherungsgesellschaften, Pools, Vertriebe und natürlich für den kompetenten Finanzdienstleister. Wir stehen mit niemand im Wettbewerb, sondern ermöglichen Zugang zu Firmenkunden und Steuerberatern, ohne an den Einnahmen aus möglichen Assekuranzgeschäften mit dieser Zielgruppe zu partizipieren.
Womit verdienen die Zentren beziehungsweise deren Betreiber Geld?
Schwarz: Einerseits handelt ein Gewerbezentrum als Riskmanager für den Unternehmenskunden, durch den Einsatz der exklusiven Risk-Checks und dem daraus entstehendem möglichen Bedarf an der Optimierung der Versicherungslösungen. Andererseits als Mehrwertpartner, durch Leistungsangebote aus unserem Netzwerk oder aus eigenen Konzeptlösungen für den Unternehmenskunden wie zum Beispiel die Überprüfung und Erarbeitung einer aktuellen Versorgungsordnung, die Einführung von Entgeltumwandlungsmodulen für die Mitarbeiter oder ein substanzielles Energieaudit. Die von uns entwickelten Risk-Checks, pro Unternehmen fallen im Schnitt drei Stück pro Jahr an, werden von uns mit jeweils 150 Euro zuzüglich Mehrwertsteuer vergütet. Bei den Assekuranzlösungen, die ein Gewerbezentrum bei den Firmenkunden platziert und an denen wir ja nicht partizipieren, reicht das Gewerbezentrum den Umsatz dort ein und zu den bisherigen Konditionen, wo sonst auch der Umsatz eingereicht wird. Wir sind kein Vertrieb oder Pool und mischen uns auch nicht in die Geschäftsbeziehung unserer Gewerbezentren ein. Deshalb sind wir ja ein interessanter Ansprechpartner für alle Assekuranzproduktanbieter und Vermarkter, weil wir den Zugang zu Gewerbekunden und Steuerberatern deutlich erleichtern.
Welche Voraussetzungen sind mitzubringen, um ein BVSV-Gewerbezentrum betreiben zu dürfen? Ist eine Ausbildung als BVSV-Sachverständiger für das Versicherungswesen erforderlich?
„Weiterbildung zum Sachverständigen nicht erforderlich“
Schwarz: Vom Prinzip her kann jeder kompetente Finanzdienstleister ein Gewerbezentrum in seiner Region beantragen. Wir liefern sofort einsetzbare Werkzeuge wie die Risk-Checks inklusive der entsprechenden Auswertung. Alles, was ein Betreiber nicht weiß oder kann, wird doch durch Spezialisten abgedeckt. Eine Weiterbildung zum Sachverständigen ist dazu nicht erforderlich.
Die Prüfung zum BVSV-Sachverständigen wird vom BVSV abgenommen. Gibt es darüber hinaus eine behördliche Anerkennung oder Prüfung, etwa durch die IHK?
Schwarz: Natürlich wird diese vom Verband abgenommen. Wir sind Verbandssachverständige. Das kennen Sie sicherlich vom TÜV bei den Kfz-Sachverständigen. Gerade im Kfz-Bereich wird es bei den Sachverständigen sehr deutlich durch TÜV, Dekra GTÜ und vielen weiteren. Eine weitere externe Prüfung durch die IHK ist also nicht notwendig.
Über die Erlaubnis zur Rechtsberatung dürften die meisten BVSV-Gewerbezentren nicht verfügen. Inwieweit sehen Sie dennoch in der StaRUG-Thematik einen speziellen Anknüpfungspunkt für die Gewerbezentren?
Schwarz: Und wieder sind wir beim Monitoring. Wir machen weder Rechts- noch Steuerberatung. Aber schauen Sie einmal auf unsere Mitglieder. Sehr viele Steuerberater, sehr viele Rechtsanwälte. Das macht durchaus Sinn für diese Berufsgruppen in der Zusammenarbeit, denn durch die Gewerbezentren werden Risiken für die Unternehmen ermittelt, bearbeitet und gelöst. Deshalb sind die Gewerbezentren auch immer mehr erster Ansprechpartner für die KMU-Betriebe, also kleine und mittlere Unternehmen, in Deutschland.
Das Interview ist in Cash.-Ausgabe 6/2024 erschienen.