Im April erreichte der Goldpreis in Euro einen neuen Rekordwert von durchschnittlich 2.178 Euro pro Feinunze. Mit welcher Entwicklung rechnen Sie in den kommenden Monaten?
Arndt: Wir erwarten, dass sich der Goldpreis nun erst einmal auf hohem Niveau konsolidiert, denn die stärksten Anstiege dürfte das Edelmetall für dieses Jahr bereits hinter sich haben. Großen Abwärtsdruck sehen wir jedoch ebenfalls nicht. Damit die Preise deutlich nachgeben, müssten sich die großen geopolitischen Krisenherde in Wohlgefallen auflösen, die Inflation gleichzeitig dramatisch zurückgehen oder aber die Leitzinsen weiter steigen. Nichts davon ist derzeit besonders wahrscheinlich. Experten beobachten zudem, dass sich eine Art „Buy-the-Dip“-Mentalität im Goldmarkt breitgemacht hat, die das Preisniveau stützt und Rückschläge zuletzt viel milder ausfallen ließ, als es Goldanleger historisch gewohnt waren. Anscheinend sind in letzter Zeit verstärkt algorithmusgesteuerte Handelsstrategien in den Goldmarkt eingestiegen, die prompt Gold kaufen, wenn sein Preis fällt. Die langfristigen Perspektiven halten wir weiterhin für sehr aussichtsreich. Die Abkopplung vieler Schwellenländernotenbanken vom US-Dollar, die schon zuletzt den Goldpreis angetrieben hat, dürfte sich weiter fortsetzen. Einige strukturelle Faktoren machen eine hohe Inflation bei gleichzeitig möglichst niedrigen Zinsen wahrscheinlich, darunter die horrend wachsenden Staatsschulden. Gold bleibt in diesem Umfeld eine wichtige Absicherung gegen die Geldentwertung.
Obwohl der Goldpreis auf einem Rekordhoch ist, halten sich deutsche Anleger zurück. Woran liegt das?
Arndt: Nicht nur in Deutschland, sondern in den meisten Teilen der westlichen Welt stehen die Privatanleger noch an der Seitenlinie. Gerade hierzulande dürften die aktuell hohen Zinsen eine besondere Rolle spielen. Die meisten Anleger haben sich mit viel Euphorie den Tages- und Festgeldangeboten zugewendet, anstatt zinslose Edelmetallinvestments zu tätigen. Der hohe Goldpreis hat bestehende Edelmetallbesitzer zudem zu Gewinnmitnahmen bewegt. Einige Goldhändler berichten von Nettoverkäufen.
Ist die Nachfrage im privaten Sektor vorerst gesättigt?
Arndt: Nein, die Nachfrage ist alles andere als gesättigt. Momentan gibt es aber aus Privatanlegersicht zu viele scheinbar attraktivere Alternativen zu Gold. Die Zinsen sind hoch, die Euphorie an den Aktienmärkten ist groß, die Inflation ging bis vor kurzem zurück und die Anleger haben sich schon sehr an die beiden größten geopolitischen Krisenherde in der Ukraine und im Nahen Osten gewöhnt. Das alles sind keine idealen Voraussetzungen für die Goldnachfrage hierzulande. Sollten erneut systemischer Stress und Zweifel an der Geldwertstabilität, wie zum Beispiel während der Griechenlandkrise 2011 bis 2012, aufkommen, werden aber auch Privatanleger wieder Gold kaufen, um ihr Vermögen abzusichern. So weit muss es erst einmal aber gar nicht kommen, denn auch Leitzinssenkungen könnten die Nachfrage wieder anspringen lassen.
Tim Schieferstein, Geschäftsführer von Solit Management, hält einen deutlich höheren Anteil von Edelmetallen im Portfolio als 5 bis 10 Prozent für gerechtfertigt. Er plädiert für einen Anteil von 30 bis 50 Prozent. Stimmen Sie zu?
Arndt: Prinzipiell sind wir Freunde einer höheren Edelmetallquote in Portfolio, allein schon, weil für uns das Thema Inflation noch lange nicht abgehakt ist. 30 bis 50 Prozent scheinen für die meisten Anleger aber viel zu viel. Es gibt – auch wenn es nicht sehr wahrscheinlich ist – durchaus deutliches Rückschlagpotenzial für Gold. Letztendlich ist Gold nur schwer bewertbar. Es kann somit zu Über- oder Untertreibungen kommen, die nur schwer ersichtlich sind. Wir legen strategischen Investoren langfristig einen Edelmetallanteil von zehn bis 20 Prozent nahe, der sich aus Edelmetallen oder auch der Kombination mit Aktienunternehmen des Edelmetallbergbaus zusammensetzen kann. In den Portfolios unserer Vermögensverwaltungen ComfortInvest haben wir derzeit insgesamt bis zu 15 Prozent in diese Anlageklassen allokiert. Die meisten Privatanleger sind jedoch, wenn überhaupt, eher im einstelligen Prozentbereich exponiert und hätten aus strategischer Sicht Spielraum, ihre Edelmetallposition mehr als zu verdoppeln.
Die Fragen stellte Kim Brodtmann, Cash.