Cash. sprach mit FDP-Chef Christian Lindner über die hohen Zustimmungswerte für seine Partei bei den Finanzvermittlern.
Herr Lindner, nach dem Skandal um die Wahl des thüringischen FDP-Landesvorsitzenden Thomas Kemmerich zum Ministerpräsidenten auch mit den Stimmen der AfD im Februar haben viele politische Kommentatoren schwere Zeiten für Ihre Partei prognostiziert. Bei der Bürgerschaftswahl kurz darauf in Hamburg hat die FDP dann auch knapp den Wiedereinzug in die Bürgerschaft verpasst. Wie wollen Sie diesen Negativtrend stoppen und den Imageschaden, der durch die Ereignisse in Thüringen für Ihre Partei entstanden ist, beheben?
Lindner: Wir haben schnell Klarheit geschaffen. Mit der AfD arbeiten wir nicht zusammen, weil diese Partei nicht den einzelnen Menschen betrachtet, sondern nur in völkischen Kategorien denkt. Mit der Linkspartei bilden wir keine Regierungen. Damit haben wir unseren Standort beschrieben. Von unseren politischen Mitbewerbern wird jetzt der Versuch unternommen, jedes Eintreten für Marktwirtschaft, jede Kritik an Enteignung und Umverteilung, in den Kontext des Rechtspopulismus zu rücken. Wir sind regelmäßig damit konfrontiert, dass alles was in der Politik nicht links oder grün ist, automatisch undemokratisch sein soll. Bei diesem Versuch, das politische Koordinatensystem zu verschieben, werden wir nicht mitmachen, sondern uns widersetzen.
Eine Zielgruppe, auf die sich Ihre Partei bisher immer verlassen konnte, sind die Finanzvermittler. Bei der letzten Sonntagsfrage des Vermittlerverbandes AfW kam die FDP auf 38 Prozent der Stimmen. Sie wären Kanzler und könnten sich Ihren Koalitionspartner aussuchen. Was sagt Ihnen dieser hohe Zuspruch?
Lindner: Zu unseren Grundwerten gehört das Vertrauen in den Einzelnen und seine Freiheit. Wir haben Freude an Wettbewerb und Unternehmertum. Wir haben Respekt vor Leistung und Eigentum. Wir sind eine Partei, die marktwirtschaftliche Prinzipien noch hochhält, in einer Gegenwart, in der viele eher auf den Staat und die Bürokratie setzen. Und ganz offensichtlich gibt es im Bereich der Finanzvermittler und in der gesamten Finanzbranche, aber auch bei Familienunternehmern, Landwirten und Gründern viele, die unsere Werte teilen, ohne dass wir diesen Menschen nach dem Mund reden würden. Denn das machen wir nicht. Es gibt auch Punkte, in denen man nicht einer Meinung ist. Aber zumindest bei den Grundwerten stimmen wir wohl überein.
Auch bei den Vermittlern wäre die AfD übrigens drittstärkste Kraft, mit 14 Prozent der Stimmen.
Lindner: Das halte ich für rätselhaft, weil die AfD in der Sache ja nichts anzubieten hat. Ich ahne, dass es viele gibt, die sich in einer Umfrage für die AfD aussprechen, weil sie das Gefühl haben, im Bereich der Migrationspolitik müsse sich in Deutschland etwas ändern und auch im Bereich der Klimapolitik sei unser Land nicht auf dem richtigen Kurs. Deshalb die AfD zu wählen, ist aber der falsche Schritt. Die AfD bildet einen Pol, die Grünen bilden gegenwärtig einen anderen Pol. Ich setze die beiden Parteien damit nicht gleich. Aber die AfD will unser Land abschotten, dichtmachen, eine völkische Abstammungsgemeinschaft gründen. Die Grünen neigen dazu, die Grenzen zu öffnen und falsche Anreize zu setzen, in unser Land zu kommen, nämlich einen Sozialstaat vorzufinden. Die Wahrheit liegt dazwischen: Wir brauchen die Kontrolle des Zugangs. Aber zugleich brauchen wir qualifizierte Fachkräfte im Bereich der Pflege, die zu uns kommen müssen, die wir uns aber aussuchen. Wir sollten ein tolerantes Land sein, aber es muss klare Regeln geben, an die man sich halten muss. Es wäre auch falsch, den Klimawandel zu leugnen, denn er ist eine Realität, auf die wir antworten müssen. Umgekehrt ist es aber auch falsch, einen Klimanotstand auszurufen wie die Grünen es tun, bei denen Fragen der freien Lebensführung und der wirtschaftlichen Folgen keine Rolle mehr spielen. Ich will damit sagen: Jemand, der mit dem politischen Mainstream unzufrieden ist – was ich verstehen kann – hat eine bessere Alternative als die AfD.
Die Vermittlerbranche ist durch verschiedene Regulierungsmaßnahmen in den letzten Jahren schwer gebeutelt worden. Häufig hört man seitens der Vermittler die Beschwerde, ihre Arbeit am Kunden werde von der Politik als nicht besonders werthaltig angesehen. Haben sie damit Recht und was kann die Politik tun, um diese Sichtweise zu ändern?
Lindner: Ich wage auszusprechen, dass es vielleicht manchen in der politischen Landschaft gibt, der überhaupt gar keine selbständige, unabhängige Finanzberaterbranche will – weshalb die Möglichkeiten der Selbständigkeit für den unabhängigen Berater im kleinen Büro durch Bürokratie und hohe Kosten immer weiter erschwert werden. In der Diskussion über Provisionen und Honorarberatung, die aus meiner Sicht Ausdruck von Wahlfreiheit sind, wollen manche einseitig nur auf die Honorarberatung hinaus. Das würde bedeuten, dass viele Menschen, die nur einen kleinen Vertrag abschließen wollen, keine vollumfängliche Beratungsleistung bezahlen können. Die werden dann völlig ohne Beratung bleiben. Deshalb sollten wir ganz offensiv darüber sprechen, dass die unabhängige Finanzberatung durch selbständige Vermittler auch sozialpolitisch eine ganz wichtige Bedeutung hat. Aus dem Wunsch nach Vertrieb, den der Berater aus betriebswirtschaftlichen Gründen hat, erwächst auch die Aufklärung gegenüber Menschen, die sonst vielleicht gar nicht mit Fragen der privaten Altersversorgung oder des Vermögensaufbaus in Kontakt kämen. Wer die Menschen nicht mit der gesetzlichen Rente allein lassen will, der braucht eine unabhängige Finanzberatung, die überhaupt erst Sensibilität und Bedürfnis schafft. Ich breche eine Lanze für die Branche – übrigens ausdrücklich auch für die Provisionsberatung. (kb/dr)
Das vollständige Interview lesen Sie in der Cash. Ausgabe 5/2020, die am 16. April erscheint.
Fotos: Christof Rieken